laut.de-Kritik

Vom Stadionrocker zum Riot-Girl.

Review von

Seit Tom Gabel nicht mehr Tom, sondern Laura ist, sind einige Monate vergangen, in denen sie für ihr Coming-Out wahnsinnig viel Respekt und Anerkennung von Musiker, Magazinen und Fans erhalten hat. Es waren aber auch Monate, die für sie ein kompletter Umbruch gewesen sein müssen und die mit Sicherheit nicht einfach waren. Und ja, auch in ihrer Band gab es (mal wieder) Änderungen: Basser Andrew Seward stieg aus. Der Drumsessel war ohnehin schon länger vakant, Adam Willard übernahm hier.

Nun kommen Against Me! mit einem neuen Album, das natürlich Lauras Coming-Out thematisiert. Aber nicht nur. "Ich habe auch Probleme in meinem Leben, die mit meiner Transgender-Identität nichts zu tun haben", erklärt Laura in einem Interview dem NME. Und so singt sie über einen toten Freund ("Dead Friend") oder ihre Ehefrau ("Two Coffins").

Ihr Coming-Out im Rolling Stone scheint ihr aber eine große Portion Kraft und Wut gegeben zu haben, denn "Transgender Dysphoria Blues" überragt den glatten Vorgänger um Längen. "White Crosses" liebäugelte mit Pop und Stadionrock, war an vielen Stellen viel zu sauber. In "Transgender Dyshphoria Blues" kommen der Dreck und die Leichtigkeit zurück, die schon "New Wave" so gut gemacht haben. Und Against Me! gehen an vielen Stellen noch einen Schritt weiter.

Schon im Opener wird man dank der Snarewirbel erstklassig in die Platte gezogen. "Talking Transgender Dyshporia Blues" rollt locker flockig direkt ins Ohr. Laura besingt das Dilemma in dem sie selber steckt: "You want them to see you / like they see any other girl / But they just see a faggot". Und später: "You've got no cunt in your strut / You've got no hips to shake /And you know it's obvious / But we can't choose how we're made". Die persönlichen und direkten Lyrics waren schon immer die große Stärke von Against Me!.

"Drinking With The Jocks" ist ein räudiges Stück Punkrock. Laura brüllt und keift in nicht mal zwei Minuten wie ein Riot Girl, die Band unterstützt sie im Refrain und prügelt die Instrumente halb tot. Schon lange klangen Against Me! nicht mehr so wüst und zügellos. In "Fuckmylife666" und "Unconditional Love" rumpelt Fat Mike von NoFX auf seinem Bass herum und schenkt der Band ordentlich Drive.

Bei "Paralytic States" oder "Dead Friend" merkt man wieder, dass Against Me! mal ein Solo-Projekt war und auch im Folk gut aufgehoben wäre. Lauras Melodien stehen im Vordergrund, bei "Paralytic States" reicht eine Akustik-Gitarre um den Song zu tragen. Wenn Adam Willard in "Osama Bin Laden As The Crucified Christ" über seine Toms fegt und Gitarrist James Bowman mit seiner Wah-Wah-Melodie loslegt, ist man aber doch froh, dass Against Me! als Gruppe auftreten.

Alles an "Transgender Dysphoria Blues" gelingt der Band. Die Punkrock-Attitüde, die sie auf "White Crosses" verloren hatten, haben sie wieder gefunden. Die Songs werden mit Leichtigkeit und Spielwitz locker aus dem Ärmel geschüttelt. Against Me! sind endlich wieder die Punkband, die nicht so recht nach Punk klingt und ihn doch tief im Herzen hat.

Trackliste

  1. 1. Talking Transgender Dysphoria Blues
  2. 2. True Trans Soul Rebel
  3. 3. Unconditional Love
  4. 4. Drinking With The Jocks
  5. 5. Osama Bin Laden As The Crucified Christ
  6. 6. FUCKMYLIFE666
  7. 7. Dead Friend
  8. 8. Two Coffins
  9. 9. Paralytic States
  10. 10. Black Me Out

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