Porträt

laut.de-Biographie

Alice Dee

Lokale Szenen im Deutschrap werden gerne ein wenig belächelt: Nur selten haben sie wirklich einen eigenen Sound hervorgebracht, oft trotten sie nur von Trend zu Trend. Etwa in der Mitte der 2010er Jahre etabliert sich in Berlin-Kreuzberg jedoch Alice Dee im Zentrum einer alternativen, aktivistischen Cypher-Kultur.

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Dass Alice sich dort so wohlfühlt, versteht man, wenn man genauer darauf guckt, wo die Reise ihren Anfang genommen hat - und was es dort gibt und eher nicht so gibt: Geboren in Hanau zog Alice mit Familie quer durch Süddeutschland und verbrachte unter anderem auch eine ganze Zeile in Nürnberg. Bayerische Jugendhauskultur kann an manchen Orten vielleicht ganz nett sein, aber gerade für den einen nichtbinären MC fehlt hier eindeutig die Perspektive.

Ein Umzug nach Berlin, wo Alice sich schließlich vollumfänglich der Musik widmet, wird zur Erfahrung des Aufblühens. Zwischen Friedrichshain und Kreuzberg warten nämlich schon Cyphers und Spaces, in denen man als Rapper weniger gefragt wird, in welche Nische man sich selbst einordnet, sondern wo man zumindest in der Theorie mehr das eigene Ding machen kann. Natürlich: Enge Weltbilder finden sich überall, und auch in der Berliner Cypher-Szene braucht eine queere FLINTA Durchsetzungsvermögen. Doch spätestens 2016 entstehen Songs und Aufnahmen von Live-Battles, die zeigen, dass Alice davon mehr als genug hat. Aber wie auch nicht – wenn man schon 2014 in der Aftershow von Akua Naru gerappt hat. Aus diesen Jahren sind heute noch Songs wie "Sternstuden" zu hören.

Songs wie dieser erklären, warum sich Alice so schnell zu einem Live-MC im Berliner Raum etabliert hat. Auch ohne offiziell veröffentlichtes Tape überzeugen Micskill und Bühnenpräsenz, so dass der Rapartist im Interview beschreiben kann, über die Jahre teils jedes Wochenende live aufgetreten zu sein, in Wohnprojekten, in Szenekneipen, Cyphers und auf Demos – an einem Tag sogar an vier verschiedenen Locations am Stück.

Alice Dee - Komm Aktuelles Album
Alice Dee Komm
Untergrund nicht als Dogma, sondern als verdammt gute Zeit.

Nur überfällig, dass 2019 mit "Wildstyles" eine EP erscheint, die bis heute auf allen gängigen Plattformen verfügbar ist: Interessant ist hier vor allem der Bezug zur Kollaboration, komplett frei über Länder- und Kulturgrenzen hinaus. Mit der B2B-Crew im Rücken kommt hier klassische Hip Hop-Referenz und Beatbox-Produktion zusammen, aber gleichzeitig auch der Blick aufs große Ganze. Zwar klingt das noch nicht ganz raffiniert, aber es zeigt Potential, Erfahrung und Euphorie an der Sache, die Alice helfen, sich weiterzuentwickeln.

Und diese Entwicklung passiert ganz automatisch: Im Corona-Lockdown brechen die ständigen Gigs plötzlich ab und das Leben bekommt einen anderen Fokus. Die Selbstidentifikation jenseits des Geschlechtsspektrums passiert hier, aber auch eine musikalische Neuausrichtung geht von statten.

Alice sagt selbst, hier die Musik etwas neuer zu denken, und veröffentlicht mit "Double Check" eine vier Track starke EP, die zwar alle Stärken der zuvor veröffentlichten Musik mitnimmt, aber musikalisch und stimmlich zeitgeistiger klingt. Der Titeltrack nimmt die Energie von bombastischer Live-Erfahrung und packt sie auf Drill, Grime und Trap: Mit Inspiration von Musikern wie Little Simz, Mykki Blanco oder Flohio zeigt Alicx Dee Bereitschaft, den nächsten Schritt zu gehen. Und mit einem Album in Arbeit kann der gar nicht so lange auf sich warten lassen.

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Alice Dee - Komm: Album-Cover
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2022 Komm

Kritik von Yannik Gölz

Untergrund nicht als Dogma, sondern als verdammt gute Zeit. (0 Kommentare)

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