laut.de-Kritik
Akustische Detektivarbeit im Großstadtdschungel.
Review von Daniel StraubDie Herren Andreas Ammer und Martin Gretschmann dürfen in der Zwischenzeit als ein eingespieltes Team gelten. Seit 1998 haben sich die beiden immer wieder im Produktionsstudio getroffen und können inzwischen einen beachtlichen, insgesamt fünf Kooperationen umfassenden, Hörspiel-Backcatalogue aufweisen. Ihre neueste Produktion "On The Tracks" nimmt die Verfolgung auf, heftet sich in sechs verschiedenen Städten wildfremden Menschen an die Fersen, beobachtet ihr manchmal heimliches Tun, gibt sich als echtes Undercover-Hörspiel.
Damit besetzen der Hörspielautor Andreas Ammer und der Musiker Martin Gretschmann, als Kopf der gefeierten Elektro-Band Console längst zum Exportschlager avanciert, einen Topos der Moderne auf originelle Weise neu: Sie geben sich als Flaneure der Nachmoderne. Wie schon die Dandys des 19. Jahrhunderts fühlt sich auch die akustische Postmoderne in der Großstadt am wohlsten, genießt es "in der Masse zu hausen, im Wogenden, in der Bewegung, im Flüchtigen und Unendlichen", wie der Vater aller Flaneure, der Dicher Charles Baudelaire, angesichts des munteren Treibens in der französischen Hauptstadt mit programmatischem Impetus zu Papier brachte.
Waren die Flaneure, wie sie bei Baudelaire und Benjamin auftauchen, noch hauptsächlich den optischen Reizen des Großstadtlebens verfallen, so begeistert "On The Tracks" gerade durch seine Verbindung von Gehörtem und Gesehenem, von akustisch-atmosphärischem Stadtporträt (dank Gretschmanns minimaler Ambient-Untermalung) und optisch-präziser Beobachtung. Fünf Spione haben sich aufgemacht, das Auge schweifen lassen, Personen ausgewählt und die Beobachtung aufgenommen. So sind analytische Überwachungsprotokolle entstanden, die auch vor dem Eindringen in die Intimsphäre nicht zurückschrecken. Ständig ist der Hörer gezwungen, Text und akustischen Eindruck zusammen zu bringen, die Synthese von Bild und Ton zu vollziehen und sich damit zu einem Verbündeten im Geiste zu machen.
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