laut.de-Biographie
Amplifier
Von einer Band aus dem nordenglischen Manchester darf viel erwartet werden. Nicht jedoch, dass sich ebendiese in psychedelisch angehauchtem Alternative-Rock ergeht. Die Garagenrock-Hysterie, die anno 2003 auf der Insel herrschte, verführt dazu, hinter vielen Newcomern einige White Stripes-Klone oder The Strokes-Derivate zu vermuten. Im Falle Amplifier (deutsch: Verstärker) könnte diese Einschätzung falscher kaum sein.
Auf eine vernünftige und druckvolle Produktion legen Sel Balamir (Gesang, Gitarre), Neil Mahony (Bass) und Schlagzeuger Matt Brobin gesteigerten Wert. Der Einsatz dieses Mittels kommt den starken und ausdrucksvollen Songs des Trios sehr entgegen. Leicht verdauliche Kost präsentieren sie ihren Hörern indes nicht. Massenkompatibel ist anders. Mit epischen Songs, die nicht selten die sechs Minuten-Grenze überschreiten, fordern sie den Hörer. Hat der sich aber dazu aufgerafft und schenkt dem Trio mehr als nur die gewöhnliche dreiminütige Aufmerksamkeitszeit eines Popsongs, so wird er mit Klangsphären belohnt, die einiges an Charisma besitzen. Das liegt nicht nur an Sels gefühlvollem Gesang. Instrumentierung, Arrangements und Melodien der Amplifier-Stücke erweitern die Halbwertszeit um ein Mehrfaches.
Drei Jahre lassen sich Amplifier Zeit, um ihre Einflüsse in die Kreation des Bandsounds einfließen zu lassen. Eigenaussagen zufolge kulminieren Led Zeppelin, The Who, The Police, Mogwai, Massive Attack und David Bowie in ihrer Definition des modernen Alternative Rocks. Ob das Ergebnis dann auch tatsächlich das "biggest three piece in the world" ist, wie sie selbstbewusst auf ihrer Homepage verkünden, sei dahingestellt, aber eine gewisse Überheblichkeit dürfen sie sich angesichts der zehn Songs ihres Debütalbums schon erlauben.
Am Ende der Entwicklung zu einer ernsthaft ambitionierten Band, steht der Abschluss eines Labeldeals mit Music For Nations, das in Zusammenarbeit mit Zomba das selbstbetitelte erste Album 2004 weltweit veröffentlicht. Balamir, Mahony und Brobin spielen den Erstling unter der Mithilfe des Produzenten Steve Lyon (The Cure, Depeche Mode) ein, wobei Sel einen Großteil der Arbeit übernimmt. So ist auch sicher gestellt, dass nur das auf die Platte kommt, was der Band auch passt.
Am 3. November 03 erscheint auf der Insel die Vorab-Single "The Consultancy" und von Ende November an sind sie als Support für Therapy? auf deren England-Tour unterwegs. Mit diesen verstehen sie sich prima und auch die Leute im Publikum, die hauptsächlich wegen des Hauptacts den Weg in die Konzertsäle finden, zollen ihnen Beifall. Somit steht einer erfolgreichen Eroberung des restlichen Kontinents eigentlich nichts mehr im Wege.
Verkaufstechnisch kommt die grandiose Platte aber - trotz euphorischen Presseechos - leider nicht so recht aus dem Quark. Das könnte auch auf die mangelnden Touraktivitäten zurück zu führen sein, denn Amplifier konzentrieren sich hauptsächlich auf ihre Heimat. 2005 ordnen sie ihr Umfeld neu, damit endlich jeder mitbekommt, welch musikalische Perle ihm bislang entgangen ist. Mit SPV ziehen sie einen neuen Label-Deal an Land. SPV wirft das Debüt mit einer zusätzlichen EP erneut auf den Markt. Damit aber noch nicht genug für 2005. Im Oktober erscheint - in Anspielung auf den Film 2001 - die EP "The Astronaut Dismantles Hal". Etwas sperriger gehen Amplifier hier zur Sache.
Während sich Fans und Kritiker noch am neuen Material erfreuen, arbeitet das Trio bereits am Zweitling. Mitte September 2006 erscheint "Insider", das wieder etwas songorientierter zur Sache geht. Auch auf dem diesem Werk bieten Amplifier dem Hörer einen sagenhaft faszinierenden Hörgenuss im Breitwand-Format mit dem dazugehörigen knallenden Sound. Balamir, Mahony und Brobin bewältigen den gewagten Spagat zwischen ausgefeilten, vertrackten Songstrukturen und einer satten Portion kraftvollem Rock scheinbar spielend leicht.
Hernach wird es um die Band etwas stiller, was Veröffentlichungen angeht. Zwar schieben sie die nur als Download erhältliche EP "Eternity" unters Volk, aber auf ihr lange angekündigtes drites Album wartet man weiterhin. Ohne Label und in Eigenregie- muss diesmal alles stimmen. Bloß keine halbgaren Sachen!
Ihre treue Gefolgschaft spannen sie drei Jahre auf die Folter, während derer sie unentwegt am Doppel-Album "The Octopus" basteln. Über zwei Stunden Musik satt gibts dafür ab Januar 2011 auf die Ohren. Eigentlich sollte die Scheibe als Doppelalbum "The Octopus/Mystoria" erscheinen. Letztendlich wollen sie aber zwei Projekte daraus machen. Der zweite Teil erscheint aber nicht wie angekündigt 2012.
Laut eigener Aussage macht die Band mit "The Octopus" mehr Geld als noch zu Zeiten, als sie bei einem Label unter Vertrag standen. Eigentlich stehen jetzt alle Zeichen auf Sturm. Die Konzerte im Anschluss an den Octopus-Release sind gut besucht, die Stimmung steigt. Als Dankeschön schieben Amplifier die Gratis-EP "The Fractal" nach.
So könnte es eigentlich weitergehen. Im April 2012 kommen die Engländer dann aber wieder einmal mit einer schlechten Nachricht um die Ecke: Neil Mahony verlässt die Band. An seiner statt zupft in Zukunft Alex Redhead die dicken Stahltrossen. Ferner steigt der ehemalige Oceansize-Klampfer Steve Durose nach dem Ende seiner Combo fest bei Amplifier ein.
In dieser Besetzung spielen sie den "The Octopus"-Nachfolger "Echo Street" (2013) ein, der melodiöser und verspielter denn je ausfällt. Ausgiebige Touren folgen, die sie sogar bis nach Indien führen. Schon kurz nach Abschluss der Live-Aktivitäten nimmt das Quartett die Aufnahmen zu "Mystoria" in Angriff, das dann endlich im Sommer 2014 das Licht der Welt erblickt. Die Aufnahmen bestreitet Matt Brobin noch, steigt danach aber aus, da er sich um seinen Nachwuchs kümmern möchte. Für die sich anschließenden Konzerte nimmt Bob Leith, der normalerweise bei den Britrock-Veteranen von den Cardiacs den Takt angibt, hinter der Schießbude Platz.
Beim nächsten Album ist Brobin allerdings schon wieder dabei. "Trippin' With Dr. Faustus" erscheint 2017, Sel Belamir besorgt sich für die Aufnahmen extra eine alte Tonbandmaschine und nimmt analog auf.
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