laut.de-Kritik
Brand-Rodung im Deutschrap-Kindergarten.
Review von Dani Fromm"Frei nach 'Babylon' von Don McLean und Lee Hays" latscht einer, flankiert von Meeresrauschen, einen knirschenden Kiesstrand entlang und singt "inspiriert von Psalm 137" einen Kanon, bis die anbrandenden Wellen Gesang und Fußstapfen mit sich forttragen. Im Originaltext betrauert das Volk Israel die ferne Heimat Zion, hier weint Angry Teng um verlorenes Glück.
Ein merkwürdigerer Einstieg in ein deutsches Hip Hop-Album ist mir wahrlich lange nicht begegnet. Doch "An Den Wassern" eröffnet auch keine durchschnittliche Deutschrap-Platte. Intellektuell wie musikalisch stellt "Live Aus New York" deutlich gehobenere Ansprüche an seine Zuhörerschaft als der übliche Einheitsbrei.
Im Grunde nur sinnvoll, gleich zu Beginn mit einem eher speziellen Intro die engstirnigsten unter den potenziellen Hörern auszusieben und ihnen den Zugang zu verleiden. Wer nicht bereit ist, eingefahrene Wege zu verlassen und seine Phantasie neue Pfade durch einen wüst wuchernden Ideendschungel auskundschaften zu schicken, gerät bei Angry Teng ohnehin an die falsche Adresse.
In seinem Geist fügen sich Bilder zu Geschichten, Geschichten zu ganzen Plots. Angry Teng fährt seinen eigenen Film und serviert ihn in Form eines apokalyptischen Roadmovies. "Kaputte Gedanken schwirren durch mein Gehirn. Ich weiß genau, sie werden euch in Kürze verwirren." In Zeiten, in denen hirnloses Mitläufertum fröhliche Urständ' feiert, schadet ein wenig Verwirrung überhaupt nichts.
Angry Teng verpackt seine Kritik an System und Gesellschaft in bissige Reime, die er in der kämpferischen Grundhaltung der echten Überzeugungstäter zu Gehör bringt. Nicht blinde Zerstörungswut spricht aus seinen Zeilen, wohl aber der Glaube daran, mit dem Plattmachen verkrusteter Strukturen dem kreativen Chaos, aus dem Neues erwächst, Raum zu schaffen. Klingt arg verkopft, erklärt sich in der Praxis aber fast von alleine: Zuhören, überdenken, weitersagen. So entfachen auch die noch so leise züngelnden Gedanken-Flämmchen möglicherweise einen geistigen Flächenbrand.
Die musikalische Umsetzung, größtenteils vom Hannoveraner Produzententeam Influenza's Finest beigesteuert, korrespondiert so blendend mit den Texten, dass man sich wiederholt fragt, ob wohl der Inhalt oder der Beat zuerst da war. So entführen flirrende, orientalisch anmutende Flöten in genau die Gefilde, in denen westliche Profitgeier mit einem "Koffer Voller Geld" die Unruhen erst schüren, die sie anschließend - für sie lukrativ, versteht sich - zu befrieden helfen.
Das Schwanken des betrunkenen Torwächters aus "Der Mann Im Planeten" spiegelt sich im stolpernden Instrumental, durch das leiser Wahnsinn wabert. Die Grippeviren, die die in "Akopalypsis" beschriebene Pandemie auslösen, schwingen bereits als drohendes Unheil im Klangbild mit. Die schemenhaften Gestalten einer Horde "Zombies!!!" wirbeln am Horizont akustische Staubwolken auf, die sich unüberhörbar auf die Drums legen. Vogelgezwitscher umfängt das "Waldkind" auf seinem Weg zurück zur Natur.
Es stecken so viele Einfälle in den Beats, dass sie vielerorts schon für sich alleine wie kleine Hörspiele wirken. Da in letzter Konsequenz der Wumms fehlt, schwächelt die Produktion insgesamt aber ein wenig. Mehr als einmal macht sich der Eindruck breit, als habe man zum Mitschneiden den Kassettenrekorder bemüht, der sich noch im längst verlassenen Jugendzimmer fand. Die Freude an der Vielfalt der Sounds und deren gekonnten Arrangements schmälert das allerdings nur minimal.
Übler sieht es da schon aus, wenn Angry Teng auf die Schnapsidee verfällt, zu singen - oder Gesang auch nur andeutet. Solches, mit Verlaub, klingt im besseren Fall einigermaßen schwachbrüstig ("An Den Wassern"), an anderer Stelle - etwa in der Hook zu "Poem, Yo! - geradezu bemitleidenswert dürr und zudem schräg. Das üben wir bitte noch. Irgendwo, wo es keiner hört!
Seine Rap-Parts dagegen dürfen sich, genau wie die seiner handverlesenen Gäste, ungeniert sehen lassen. Jungs, die so ordentlich flowen, dürfen sich dann auch als "Menschengötter" inthronisieren oder dem eigenen Spiegelbild mit dem moralinsäuregetränkten Zeigefinger drohen: "Kommakla".
Statt seine Danksagungen im Booklet zu verstecken, reicht Angry Teng dieselben zum Abschluss in Form eines Tracks dar, der einher stapft wie Godzilla: "Die Geister, Die Ich Rief" dürften ihrem Beschwörer äußerst wohlgesonnen gegenüber stehen. Der nämlich hinterlässt sowohl als Erzähler kleiner Geschichten als auch als kritischer Kommentator des großen Geschehens einen positiven Eindruck.
3 Kommentare
Na ja, ich finde der Teng singt einfach nur fantastisch
Hier gibt's übrigens noch ein paar Infos mehr zum Album:
http://sirpreiss.wordpress.com/2012/03/21/…
du bist ja auch befangen.
Im Ernst, ich finde das gesungene Intro cool!