laut.de-Kritik
Game Of Drones.
Review von Yan VogelDer Name Archive verpflichtet förmlich zu einer ausufernden Werkschau. 25 Jahre voller Lobeshymnen aus den Lagern der Kritiker und Szenekenner lassen keinen Zweifel an der Qualität des britischen Kollektivs. Oberflächlich betrachtet blieb der große Wurf zwar aus. Die Akribie der Sound- und Songgestaltung, das Ringen um die farbenfrohe Anschauung der irreduziblen menschlichen Innenwelt bleibt in dieser Form jedoch einzigartig und nötigt Respekt ab.
Auf 270 Minuten treibt der Hörer nun durch die digitalen Landschaften und verliert sich heillos in den 43 Songs, die jeglicher Chronologie trotzen. Wer dachte, es wäre unmöglich die Unendlichkeit zu vertonen, sieht sich hier eines Besseren belehrt. Einmal durch die Archive und zurück.
"Finding It So Hard" in seiner Vielfalt zwischen Soundtrack, Trip Hop und Synthie-Orchester stünde jedem Sci-Fi-Movie gut zu Gesicht. Danach kloppt das explodierende "Fuck U" ordentlich die Ohren weich, bevor das new wavige "The False Foundation" zu einem Trip ins digitale Nirwana einlädt.
"Es fühlt sich nach dem richtigen Moment an, um innezuhalten und einen Überblick darüber zu erhaschen, wie weit uns die Reise bislang geführt hat. Ich bin sehr stolz auf unsere Entwicklung als Kollektiv", so Gründungsmitglied Darius Keeler in einem Statement. Dass dies ausdrücklich nicht als Stillstand verstanden werden soll, verdeutlichen die sieben neuen und sehr gelungenen Tracks, die wild über die vier Seiten verstreut sind.
Gemeinsam mit der Band Of Skulls kreieren Keeler und Griffith ein düster klingendes Manifest der Vergänglichkeit. Noisige Zerrsounds und dreckige Arpeggien, lasziv androgyne Stimmen und ein Hip Hop-Part fügen "Remains Of Nothing" ungewöhnliche Farben hinzu. Ein starker Track, der gerade das blasse letzte Album "Love Is All You Love" der Band Of Skulls locker in den Schatten stellt.
Pluckernde Synths und ein Gewölk aus Streichern eröffnen die Space-Odyssee "Fallin", dessen Gesang-Arrangement deutliche Züge von Queen trägt. "Erase" evoziert Stimmungen wie das Erwachen aus einem Kälteschlaf in einem unwirklichen Sci-Fi-Setting und das anschließende Wiederfinden in unwirtlicher Umgebung. Die postpunkige zweite Hälfte bringt die vertrackt-verzweifelte Hook noch deutlicher zur Geltung.
Der Steve Mason-Track "Lightning Love" ist ein folkiger Funkenflug, ein analoges Luftholen im samplelastigen Game Of Drones. Ein Hauch von Pink Floyd weht durch den Äther dieser melancholischen Großtat. "The Hell Scared Out Of Me" dagegen ist ein dynamischer Piano-Track mit unterschwellig-brodelnden Horror-Strings, Hall und verhuschten Passagen, die tief in dunkle Seelengefilde tauchen.
Das 15-minütige Meisterwerk "Heart Beats" kippt nach atmosphärisch-verstörendem Beginn nach einem Drittel in eine Piano-Ballade, die nervöses Drumming und getragene Streichern antreiben. Das Wort "running" ist der Trigger für eine Ambient-Collage, die einer emotionalen Achterbahnfahrt durch die eigenen Ängste gleichkommt. Archive pulverisieren sich hier in sämtliche Einzelteile, bevor ein Postrock-Finale den Hörer wieder in die Arme schließt.
2 Kommentare mit 3 Antworten
Verlässliche Band, wenngleich niemals mehr an ihr Drittwerk herankommend, dafür frisch und doch vertraut mit jedem Jahr.
Wo bleibt eigentlich der Meilenstein für "You All Look The Same To Me"?
Würde alles unterschreiben und noch ergänzen: Absolut einzigartiger Trademark-Sound, bei aller Detailverliebtheit nie zu verkopft. Wiedererkennungswert: Frusciante-Level.
Moin Effa, lass dich doch mal wieder im ICQ blicken, hm?
Der Channel ist #gromky
Leider gerade unmöglich, Rekta (Krypta?). Verwende mein Sabbatjahr um in meiner Twitter-Filterbubble gesellschaftliche Missstände anzuprangern und mich über Fußballstatistiken auszutauschen (Ajax-Tottenham). Gerne DM.
Danke, kannte ich nicht. Fängt schonmal stark an.