laut.de-Kritik

A-ha, Paradise Lost und Bronski Beat im Metal-Gewand.

Review von

Vor knapp elf Jahren legten Atrocity ein Album vor, das dem Ruf der Band, alles immer ein wenig anders zu machen, als man es erwartet, mehr als gerecht wurde. "Werk 80" präsentierte eine Reihe Hits aus den 80er Jahren, die die Schwaben mit einer deftigen Metal-Injektion aufpimpten. Seitdem kam immer wieder der Wunsch nach einem Nachfolger auf. Jetzt ist es endlich so weit.

"Werk 80 II" ist allerdings alles andere als nur die logische Fortsetzung des ersten Teils. Auf der Stelle treten war noch nie was für Atrocity, auch wenn die eine oder andere Entwicklung nicht immer für Begeisterung gesorgt hat. War "Werk 80" ein starkes Album mit Coverversionen im Metal-Gewand, so haben sich Atrocity für Teil II etwas Besonderes einfallen lassen. So holen sie sich für die Aufnahmen nicht nur ein Orchester, sondern gleich einen ganzen Chor ins Studio. Das gibt den - auf der regulären Version - elf Stücken einen ganz besonderen Charme und macht das Album so einzigartig.

Ich dachte zwar, ich könnte Depeche Mode-Covers schon nicht mehr hören, vor allem nicht "People Are People", doch gerade aufgrund der Orchestrierung in Verbindung mit den harten Gitarren ist der Song ein Kracher. Irgendwie klingt das "Help me understand" ein wenig schief, aber ansonsten ist die Gesangsleistung von Alex durch die Bank stark und selbstsicher.

Vor allem zeigen sie Paradise Lost, was man aus dem Bronski Beat-Klassiker "Smalltown Boy" mit ein wenig Fett auf der Lunge machen kann. Die Version der Engländer ist ok, aber Krulle lässt die Stimmflügel hier stellenweise richtig vibrieren und macht richtig Dampf.

Interessant zu sehen, wie man aus "Relax" von Frankie Goes To Hollywood einen richtigen Metalkracher bastelt, in dem vor allem die Hörner abseits der Gitarren für einen ganz eigenes Feeling sorgen. Live ist das Stück in Zukunft jedenfalls unverzichtbar. Während Life Of Agony Simple Minds' "Don't You Forget About Me" vor Jahren fast zu ein Schlaflied degradiert haben, geben Atrocity diesem fantastischen Song mit stimmungsvollen Streichern und nur dezenten Gitarren einen Feinschliff, den ich nur als genial bezeichnen kann. Man bemerkt jederzeit den Respekt vor dem Original und den Wunsch, dieses nur minimal zu pimpen.

So ganz ausgereift klingt das stimmlich zwar nicht, was da A-has "The Sun Always Shines On TV" einleitet, doch schließlich versuchen Alex und Liv nicht, den guten Morten zu kopieren, sondern interpretieren einfach auf ihre Art und Weise. Dennoch fällt der Track im Vergleich zum Rest des Albums nicht ganz so stark aus. Mehr Spaß macht da doch "Hey Little Girl" von Icehouse, bei dem der Metalanteil wieder deutlich anzieht. Die Metalbreitseite, die Atrocity Visages "Fade To Grey" verpassen, ist mehr als ordentlich. Großartig auch der Schachzug, sich die französische Künstlerin Jensara Swann als stimmliche Unterstützung zu sichern.

Talk Talks "Such A Shame" gewinnt in der neuen Version hauptsächlich durch die zusätzliche Orchestrierung und die eine oder andere Gitarre. Krulles Gesang ist etwas gewöhnungsbedürftig, denn die Originalstimme von Mark Hollis prägt das Original doch entscheidend. Danach gibt es aber erst einmal den nächsten Tanzflächen-Füller in Form des NDW-Hits "Keine Heimat". Die Nummer wurde quasi in einen astreinen Metaltrack transformiert und geht sofort in Nacken und Beine. Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Ludwigsburger live um den Song in Zukunft herum kommen werden.

Etwas schwieriger gestaltet sich die Sache bei "Here Comes The Rain Again". Alex schlägt sich stimmlich zwar ganz gut, doch Annie Lennox war nun mal die Stimme und das herausragende Merkmal der Eurythmics. Wenn man so nah am Original bleibt, kann man da leider nur verlieren. "Forever Young" von Alphaville setzt einen sehr orchestralen und vor allem choralen Schlusspunkt unter die reguläre CD-Version.

Wer gerne noch Nachschlag hätte, der holt sich entweder das Digipack mit Fiction Factorys "Feels Like Heaven" oder die Deluxe Edition, auf der es den ersten Teil noch mal dazu gibt und ein paar Extra-Pix von Madame von Teese.

Trackliste

  1. 1. People Are People
  2. 2. Smalltown Boy
  3. 3. Relax
  4. 4. Don't You Forget About Me
  5. 5. The Sun Always Shines On TV
  6. 6. Hey Little Girl
  7. 7. Fade To Grey
  8. 8. Such A Shame
  9. 9. Keine Heimat
  10. 10. Here Comes The Rain
  11. 11. Forever Young

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10 Kommentare

  • Vor 16 Jahren

    Äußerst gelungene Scheibe ... direkt gekauft.
    Wunderbar. Eine Platte, bei der man beim Autofahren automatisch immer schneller werden MUSS.

  • Vor 16 Jahren

    Atrocity haben nach "Willenskraft" kein ernstzunehmendes Album mehr rausgebracht. Und der Abstieg fing ziemlich genau mit "Werk 80" an... Plötzlich tauchte die Band in Sendungen wie "Peep!" auf und machte sich - immer im Zusammenhang mit eng-leder-lack-geschnürten Hupfdohlen - zum absoluten Gespött...
    Jetzt 11 Jahre nach "Werk 80" einen Nachfolger vorzulegen, klingt eher wie eine Verzweiflungstat. Aber der Zug - 80er Jahre Metalcover - ist mindestens schon ein Jahrzehnt lang abgefahren. Insbesondere, wenn man mit der Titelauswahl so kreativ umgeht.Alleine zu "Smalltown Boy" fallen mir schon 3 Metal-Cover-Versionen ein(Paradise Lost, Depressive Age, The Wounded)... Nee. Das klingt schon schwer nach Kreativloch. Da waren sie zu Zeiten ihrer "Das Ich"-Kollabo (inklusive "Calling the Rain"-EP) doch deutlich wagemutiger.

  • Vor 16 Jahren

    also von "smalltown boy" haben Depressive Age schon vor Jahren ein exzellentes Cover hingelegt...
    http://de.youtube.com/watch?v=KQDGGd7HDcA