laut.de-Kritik
Azealia kann es auch ohne prominente Features.
Review von David MaurerKaum zu glauben, aber ein Album suchte man in der Diskografie von Azealia Banks bislang vergeblich. Seit einer Ewigkeit schon zettelt die New Yorkerin Beef mit allem und jedem an, veröffentlicht Singles und Mixtapes und redet von einem heiß erwarteten Debüt, das irgendwann einmal erscheinen soll. Zwei Jahre nach der geplanten Veröffentlichung steht er tatsächlich in den virtuellen Regalen: Banks' Erstling mit dem wundervollen Namen "Broke With Expensive Taste".
Die ungeplante Verzögerung bringt eine besondere Konstellation mit sich: So mancher Track der Platte hat bereits weit über zwei, wenn nicht sogar drei Jahre auf dem Buckel und ist längst bekannt, während andere Stücke erst als Reaktion auf die langwierigen Release-Probleme hinzugefügt wurden. Dem Sound von "Broke With Expensive Taste" schadet das erstaunlicherweise nicht im Geringsten.
Zwar lässt sich der Mixtape-Charakter stellenweise nicht leugnen. Dass der charmant anarchische Stilmix den roten Faden in tausend Stücke zerschneidet, stört jedoch kaum. Fernab jeglicher Berechenbarkeit vereint die "Yung Rapunxel" 16 wahnsinnig gute Tracks auf einem der einfallsreichsten und spannendsten Alben des Jahres.
Schon bevor die abgedrehte Surf-Rock-Hymne "Nude Beach A Go-Go" endgültig allem, was sich im Entferntesten als Konzept bezeichnen ließe, den Mittelfinger entgegenstreckt, regiert auf "Broke With Expensive Taste" ein blubberndes Chaos aus mächtigen Bässen, kreischenden Synthies, scharfzüngigem Rap und unzähligen weiteren Eindrücken, die sich nach dem erstmaligen Hören kaum verarbeiten lassen.
Bestes Beispiel: Produzent AraabMuzik stellt in "Ice Princess" Vers und Hook gegenüber, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Der dreckig wummernde Süden trifft auf House. Frankie Knuckles auf Trap-Shit. Wen wundert es da, dass Miss Bank$ "Gimme A Chance" kurzerhand von der bläsergetragenen Rap-Nummer zum astreinen Salsa umwandelt - mit spanischen Texten, versteht sich.
"212" hingegen bietet anno 2014 kaum noch Überraschungen. Das liegt aber weniger am Sound als eher am Alter des Songs. Nicht ohne Grund feierten Kritiker "212" Ende 2011 als eines der Highlights des Jahres. Und auch heute noch gibt die Single den perfekten Firestarter für die Symbiose aus verschiedenen Electronic-Styles und Hip Hop, die sich durch den Großteil des Albums zieht.
Zwischen Witch- und Deep House, Industrial und Trance wandeln Stücke wie "Yung Rapunxel", "Heavy Metal And Reflective" oder "Chasing Time" immer wieder an der Grenze zum totalen Rave-Ausbruch, während sich an anderer Stelle karibische Klänge, Xylophon und wilde Drums einmischen. Das alles steht in einem anfangs fast überfordernden, auf Dauer aber wunderbar funktionierenden Kontrast zu Banks' eigenem Vortrag.
Dass "Broke With Expensive Taste" in Erinnerung bleiben wird, liegt schließlich nicht nur an den Beats von Lone, Lazy Jay und Co. Banks selbst fügt den ohnehin schon abwechslungsreichen Stücken noch zahlreiche weitere Facetten hinzu - im Alleingang. Auf namhafte Features, die dem Album hinsichtlich seiner Popularität zweifelsohne einen Schub verpasst hätten, verzichtet sie vollständig und entfernt sich damit endgültig aus dem Blickfeld der Major-Landschaft.
Das ist gut so, denn keiner der leidig omnipräsenten Freshmen wie Rich Homie Quan, Ty Dolla $ign oder Young Thug hätte "Broke With Expensive" um eine Note bereichern können, die Banks nicht selbst im Repertoire hat. Ganz im Gegenteil: Neben arrogant unterkühltem Rap mit schwerem New Yorker Akzent, der der eher konventionellen Rap-Nummer "BBD" bestens zu Gesicht steht, beweist die 23-Jährige nicht nur in "Chasing Time" mehr als ordentliche Gesangskünste. Die machen auch dank häufiger Wechsel in Tempo und Stimmlage jegliche Gastbeiträge überflüssig.
Zumeist konzentriert sich Yung Rapunxel jedoch auf ihre Rap-Parts, die sich ausnahmslos auf hohem Niveau befinden. Spätestens in "Desperado", wenn Banks auf MJ Coles "Bandelero Desperado" mit finsterem Harlem-Flow um sich feuert und jeder Reim, jede Silbe perfekt sitzt, rechtfertigt sie den Hype um ihre Person.
Geschenkt, dass Inhalt und Story bis auf Ausnahmen wie "Idle Delilah" meist auf der Strecke bleiben. Die vor Selbstreferenzen, geschickten Reimstrukturen und Wortspielen strotzenden Lines unterhalten bestens:
"I'm dreaming it BIG, 2Pac it Shakur."
Natürlich dürfen Kenner und Fans bemängeln, dass es sich bei "Broke With Expensive Taste" nun mal um eine Zusammenstellung aus teils uralten Singles, längst bekannten Tracks von EPs und Mixtapes und nur einer Handvoll wirklich neuer Stücke handelt. Da Letztere die mitreißende Mischung von Hip Hop und House aber nahtlos fortsetzen, hat sich die fast endlose Wartezeit trotzdem gelohnt.
8 Kommentare mit 4 Antworten
Selbst als Gelegenheits-Hip-Hop-Hörer kann ich zustimmen, dass man bei diesem Album eine ordentlich kreative Mischung vorgesetzt bekommt. Umso schöner für die Leute, welche die meisten Tracks noch nicht kennen.
Ich finds echt geil. ich kannte zwar schon die Hälfte der Songs aber hey, ich feier's trotzdem.
Einer der besten Releases dieses Jahr, ohne wenn und aber!
'Gimme a chance' ist so ein unglaubliches Brett, hör das Album jetzt seit ner Woche auf Dauerrotation aber der song macht mich jedes mal aufs neue Fertig.
Musik für Genrekenner!
Ich weiß nicht wie ich es beschreiben soll aber für mich höhrt sich viel irgendwie nach "New York Fashions Week Musik" an
Ich bin beeindruckt. Die neuen Stücke überraschen und sind teils viel besser als die Bekannten. Schon der Opener Idle Delilah und Gimme a Chance stellen alle Erwartungen auf dem Kopf. Viele Ideen, Experimente, Abwechslung. Definitiv eine Platte für Leute die sonst nicht viel mit Hip-Hop anfangen können. Eine der besten Platten des Jahres.