laut.de-Kritik

Peace statt Beef - mit fettem Grinsen im Gesicht.

Review von

"Ich wechsel' das Genre und komme dann wieder. Warum? Weil ich es kann." Stimmt auffallend: Sein Ausflug in die Gitarrenmusik hat B-Tight nicht geschadet. Nur wer sich traut, sich auch einmal von seinen Wurzeln zu entfernen, kann schließlich eine triumphale Rückkehr feiern und feststellen: "Ich bin Hip Hop, bis ich draufgeh'." Fürwahr. Zur "Nummer Einz" hat es zwar nicht ganz gereicht. Doch Platz acht: auch nicht übel.

Wer hätte zu seligen Aggro Berlin-Zeiten - damals, als wir in der Redaktion noch Päckchen mit Negerdildos drinne zugestellt bekommen haben - gedacht, dass mich B-Tight irgendwann doch noch um den kleinen Finger wickeln wird? Mit meiner frisch entflammten Zuneigung steh' ich aber zum Glück keineswegs alleine da, wie der zu "Nummer Einz" gehörige Clip zeigt: Wenn B-Tight vor die Kamera bittet, kommen sie alle. Alle! Warum? "Sie müssen mich einfach lieben."

Es geht aber gar nicht anders, wenn Flow auf Witz, Altersweisheit auf fidele Unbekümmertheit, Erfahrung im auf Liebe zum Rap-Zirkus trifft. Das Resultat klingt, serviert mit der Aufforderung "Mann, kuck' dir jetzt mal unser fettes Grinsen an!", durch und durch "Eazy". B-Tight gelingt sogar das Kunststück, statt des allgegenwärtigen Popstars tatsächlich seinen alten A.i.d.S.-Kumpel Sido zu reanimieren: Heißen Dank dafür! Ich hatte schon fast vergessen, wie der sich anhört.

Genau so soll es klingen, wenn diejenigen, die ihr die Türen aufgestoßen haben, der inzwischen erfolgreichen Generation Deutschrapper auseinanderklamüsern, was Hip Hop von ihnen hält. Die Chemie zwischen Sigi und Bobby stimmt immer noch. Für den nicht wahnsinnig tiefschürfenden Inhalt entschädigen die - mit jedem Recht der Welt - stolze Pose der Protagonisten, der düstere, texturreiche Beat der Hitnapperz und das überaus gutaussehende Schwarz-Weiß-Video. Bei "Eazy" passt einfach alles.

Der "Pusher" verspricht für jede Lebens- und Gemütslage den passenden Track - und damit nicht zu viel. Dass Bobby Dick auch ohne Sido gepflegte Selbstabfeierei betreibt, versteht sich von selbst. Technisch stark in "Wer Will Was Machen" etwa, oder - wieder mit breitem Grinsen in der Fresse - in "König Der Rapper". "Das Niveau ist nicht hoch, aber lustig ..." So lange letzteres gegeben bleibt: gar kein Problem.

B-Tight kann aber auch anders. "Alles, was du sagst, hab' ich schon über zehn Jahre vorher getan." Obwohl er die vielen, die nach ihm kamen, fortwährend auf ihre angestammten Plätze zurück schickt, steckt in ihm im Grunde doch ein überaus versöhnliches Wesen. "Keine Feindschaft, eine Gemeinschaft", ruft er in "Feuerkugeln" nicht nur den Jüngeren ins Gedächtnis zurück, dass man eigentlich doch auf der gleichen Seite steht. Oldschool, Newschool, egal: "Man zieht an einem Strang, wenn man das Mikrofon als Waffe hat."

Zusammen mit Eko Fresh führt er den Beweis, dass sich selbst ehemalige Streithähne die Hände reichen können, so sie denn miteinander reden, statt aufeinander einzudreschen: "Hat der ganze Beef von damals überhaupt noch einen Wert?" "Nö." Siehste? Die beiderseitige Erkenntnis: "Viele sind heiß auf Beef, doch Peace ist mir weitaus lieber." "Beef ist in, doch wir laufen nicht der Mode hinterher. Berlin und Köln feiern jetzt das Retro-Ding." Juhu.

Emotional geht es in "Es War Einmal ..." zur Sache, in das B-Tight zu stilecht 80er-Synthiepop-lastigen Klängen aus der Alphaville-Ecke seine eigenen, gar nicht so wahnsinnig vergnüglichen Kindheitserinnerungen einfließen lässt. "Kuck' ihn dir an, diesen Sauhaufen": "Hood Couture" macht sich durchaus scharfsinnige Gedanken zu den Blüten, die mancher Trend treibt. Die gespenstische, stellenweise nahezu Yello-mäßige Kulisse, unterstreicht noch deren Gruseligkeit.

Brüllaffenkönig Tony D amüsiert, so lange man seine beste Punchline ("Anschrein!") nicht auf Albumlänge in die Rübe geknallt bekommt, eine Nummer lang ganz gut. Blokkmonsta fährt gleich die nächste Attacke aufs Trommelfell und liefert, genau wie Kontra K und Karate Andi, in "Helden" genau das ab, was man sich schon vorher hätte denken können. "Retro" vereint mit Vokalmatador, Frauenarzt und einem hörbar mitgenommen klingenden Atzenkeeper Bogy dann vollends die Kiezfürsten mit dem Untergrundlegendenstatus: Die Sekte, Bassboxxx und BC treffen sich zum Retro-Termin.

Dem Abwechslungsreichtum des Albums ist geschuldet, dass nicht jedem jeder Track unterschiedslos gut reinlaufen dürfte. Bobbys vergnügte Attitüde versöhnt einen aber sogar mit den Stücken, die man sich anderenfalls nicht zwingend geben müsste: "Der König macht einfach genau das, worauf er Bock hat": seit jeher und auf immerdar das beste Rezept.

Trackliste

  1. 1. Nummer Einz
  2. 2. Eazy feat. Sido
  3. 3. Pusher
  4. 4. Krasse Männer feat. Nazar
  5. 5. Wer Will Was Machen
  6. 6. König Der Rapper
  7. 7. Heisse Ware feat. Tony D
  8. 8. Feuerkugeln
  9. 9. Helden feat. Kontra K, Blokkmonsta & Karate Andi
  10. 10. Hood Couture
  11. 11. Beef feat. Eko Fresh
  12. 12. Immer Wieder Montags
  13. 13. Es War Einmal
  14. 14. Retro feat. Vokalmatador, Frauenarzt & MC Bogy

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