laut.de-Kritik
Ein Gespür für Höhepunkte mit Wumms.
Review von Jan HassenpflugBring Me The Horizon haben vorgemacht, wie sich Metalcore-Attitüde und Pop-Sound nie dagewesen miteinander verbinden lassen. Trends müssen wachsen. Das ruft natürlich Nachahmer auf den Plan, die auf der Welle des Erfolgs mitreiten wollen. Den Bad Omens eine plumpe Kopie zu unterstellen, greift allerdings zu kurz. Obwohl sie nahezu identisch mit Elektro-Samples hantieren, um die Gunst des Mainstream zu erhaschen, bleibt genug Raum für die eigene Note.
Die zeugt von seltener Eleganz und einem Stilbewusstsein, das im häufig lieblos überfrachteten Genre-Mix durchaus überrascht. Treibende Kraft des erfreulichen Gegenentwurfs ist einerseits die stimmliche Range von Sänger/Shouter Noah Sebastian. Hinzukommt ein feines Gespür für Dramaturgien im Songwriting.
Was braucht eine gute Spannungskurve? Natürlich, Höhepunkte. Schablonenhaft lassen sich diese wiederkehrend in bratenden Gitarrenriffs, Shouts und metallischen Drohgebärden ausmachen. Der Titeltrack "The Death Of Peace Of Mind" ist ein Paradebeispiel: Sebastians Stimme ist mit ihrer wahnsinnigen Varianz geradezu prädestiniert dafür, einen Song langsam zu entfalten.
Es beginnt mit sphärischen Sytnhies, zu denen er einzig in der Kopfstimme säuselt, nur andeutet und nie zu viel preisgibt. Darauf folgt ein Refrain, der wie gemalt ist: eingängig, kräftig, entschlossen. Stimmlich ist der Frontmann zu jeder Zeit in der Lage, sich zurückzuziehen und beliebig zwischen laut und leise zu wechseln. Beeindruckend, wie er sich von purer Verletzlichkeit hin zu entfesselter Aggression steigert. Nur logisch, dass Höhepunkte in einer solchen Inszenierung einfach noch mehr Wumms entfachen.
Das Schema zieht sich kongruent zum Coverartwork wie ein roter Faden durch die Platte: Schnell entschlüsselt zwar, aber eben auch verdammt wirkungsvoll. "Nowhere To Go", "The Grey" oder "Just Pretend" schwingen sich gar zu einer modernen Reinkarnation der alten Linkin Park auf. Es regnet hymnenhafte Refrains. Tatsächlich drängen sich moderne Crossover-Momente und wuchtige Melodien auf, wie gemacht für die ganz großen Hallen.
Kontrolle ist das alles überragende Stilmittel. "Like A Villain" versetzt sich mit elektronischen Elementen in einen betäubten Rauschzustand. Wieder löst der Chorus die Zurückhaltung. Auch dank ihres grandiosen Dirigenten am Mikrofon beherrscht das Quartett die Kunst, sich stets selbst zu bändigen, und dadurch automatisch nie zu überdrehen. Okay, stimmt nicht ganz: Natürlich haben die Amerikaner unter den 15 Songs auch solche dabei, die sich im Effekt-Geplänkel verzetteln.
"Bad Decisions" ist so eine Nummer. "Who Are You?" oder "Somebody Else" sind ebenfalls nicht mehr als überproduzierte Lückenfüller. Was bei Radio-Pop dieser Art schnell in Vergessenheit gerät: die Band ist im Metalcore groß geworden. Die Wurzeln schimmern über die gesamte Spielzeit immer durch, werden aber nie so konsequent gepflegt wie in "Artificial Suicide", dem eindeutig härtesten Brett des Albums.
Mal mehr, mal weniger deutlich schwebt die Referenz zu Bring Me The Horizon über dem Gesamtkunstwerk. Nie tritt sie so unverschämt aufreizend in den Vordergrund wie in "IDWT$" oder "Miracle". Man muss schon mehr als ein Ohr riskieren, um zu erkennen, dass hier nicht Oli Sykes das Mikro übernommen hat. Daran lässt sich erahnen: Bad Omens haben das Potenzial, der neue heiße Scheiß zu werden. Und vielleicht erheben sich die Nachahmer am Ende sogar über ihre Vorbilder. Das Zeug dazu haben sie allemal.
4 Kommentare mit 2 Antworten
Schön, dass sie das Albumcover genommen haben, das Avril abgelehnt hat.
Ich fand die Singleauskopplungen alle überragend, als Gesamtwerk ist es allerdings doch enttäuschend. Die Lückenfüller, die hier genannt sind, sind schon echt sehr schwach. Der Titeltrack ist allerdings echt richtig stark.
Klingt n bisschen wie ein Architects Rip-Off. Nur dass Architects in allen Belangen musikalisch die größere Qualität haben.
1 song weniger popexperiment, 1 song mehr heavy (es wird nach grandiosem Beginn doch recht zäh in der Mitte, der genrewechsel ist zu schnell zu lang) und es wäre komplett perfekt. So nur verdammt stark bis genial.
Die Review ist richtig gut, treffend und im richtigen Maß detailiert