laut.de-Kritik

Die Braut, die sich nicht traut.

Review von

"What's A Girl To Do?" fragte Bat For Lashes auf ihrem Debüt "Fur And Gold". Nach neunjährigem Grübeln hat Natasha Khan endlich die Antwort gefunden. Heiraten, nichts als heiraten. Die einzige Erfüllung des Lebens. Falls der Bräutigam dann kurz vor der Hochzeit bei einem Unfall das Zeitliche segnet, bleibt nur noch der Schmerz. Etwas anderes hat eine Frau 2016 nicht zu erwarten.

Auf ihrem vierten Album "The Bride" erzählt Khan die Geschichte einer Braut, deren Zukünftigen am Abend vor der Eheschließung Albträume plagen und der schließlich auf dem Weg zur Kirche verunglückt. Sie bleibt alleine und trauernd vor dem Altar zurück. So weit, so trist. Der Grundstein für das große Drama ist gelegt.

Das Konzeptalbum scheitert jedoch an seiner Hauptfigur. Während der ganzen 52 Minuten Spielzeit wirkt sie blass und durchsichtig wie ihr Schleier. Bat For Lashes erschafft nicht im Geringsten einen Charakter, für den man Mitgefühl empfindet. Ihre Protagonistin verfügt nicht nur über keinen Namen, ihr fehlt zudem jede Persönlichkeit und jede interessante Nuance, die sie zum Leben erwecken könnte. Sie bleibt über die ganze Spielzeit ein undefinierter Schatten. Im Grunde stand von Beginn an niemand vor diesem Altar.

So wie auf "The Bride" stellt sich der hundertprozentige Testosteron-Macker seine Braut vor. Er ist der Dreh- und Angelpunkt ihres Lebens. Sie existiert alleine, um ihn anzuhimmeln. Egal, ob vor oder nach dem Unglück, ihre einzigen Wesenszüge bestehen darin, ihn wahlweise anzuhimmeln oder ihm hinterherzuweinen. Sie ist die Imani Izzi aus "Der Prinz Aus Zamunda". Wenn er es verlangt, bellt sie wie ein Hund, spielt den Orang-Utan und springt auf einem Bein.

"Tomorrow you will ask me if I do / Know that the sorrow will drop away / Like dew from a flower in bloom / Tomorrow you will take me for your bride / And know that the grey skies will blow away / We're forever and I feel it inside", singt Khan im von Harfenklängen unterlegten Opener "I Do". Keine Spur von kalten Füßen, keine Spur von Panik, kein Anzeichen von Realität. Die Namenlose wartet alleine auf ihren Prinzen, der auf einem Einhorn in die Kirche einreitet.

Nachdem der Angebetete in "In God's House" tragisch ums Leben kommt, bleibt ihr über den Rest der Spielzeit nur noch die Verzweiflung. Wer nie etwas anderes als den Partner hatte, um sich selbst zu definieren, findet nur noch schwer aus dieser Sackgasse. Zu einem ewig im Weg stehenden "Warum gerade ich?" begleitet man Bat For Lashes auf einer einsamer Hochzeitsreise ("Honeymooning Alone"), beim Verfluchen der Engel ("Never Forgive The Angels") und hinauf zu "Widow's Peak". Eine Dramaturgie, einen Höhepunkt oder jeden Aspekt, der die Erzählung voranbringen könnte, sucht man vergebens.

Kurz akzeptiert die Unbekannte ihr Klagen, blickt in "If I Knew" ("Baby, if I knew what I know now / I would never turn it back around / Wrong or right, you held me up to the light") und "I Will Love Again" ("Oh, I was a deer in the lights / I was lost in the waves / But I will love again") hoffnungsvoll in die Zukunft. Jedoch nur, um sich in "In Your Bed" und "Clouds" komplett aufzugeben und den Rest ihrer Jahre mit dem Trauern um ihren Verflossenen zu verbringen. So spiegelt das Ende, in dem die Hauptfigur endgültig und für immer den Pfad der Selbstbestimmung verlässt, die eigentliche Tragik auf "The Bride" wider. Wenn einem diese Braut nicht so vollends egal wäre, könnte man fast Mitleid empfinden.

Musikalisch stellt Bat For Lashes vierter Longplayer die logische Fortentwicklung ihrer ersten, durchgehend großartigen Platten "Fur And Gold", "Two Suns" und "The Haunted Man" dar. Dabei nehmen sich die Tracks zurück und stellen sich ganz in den Dienst der Handlung. Die wenigen Höhepunkte "Joe's Dream", "Sunday Love", "In God's House", die jedoch nicht an Khans bisheriges Schaffen heranreichen, genügen nicht, um die unzähligen textlichen Schwächen auszumerzen. Stattdessen verläuft sich das Gesamtwerk, das nicht als einzelne Songs wahrgenommen werden will, mit fortschreitender Dauer in betroffener Einfallslosigkeit. Genau dies macht es schwer, die Texte auszublenden und nur auf die Musik zu hören.

"The Bride" bleibt ein seelenloses Gedankenkonstrukt. Im Gegensatz zu Björks "Vulnicura", in dem man spürbar die verschiedenen Phasen eines Verlustes miterlebt, verweilt es in seinem am Reißbrett geplanten Zustand. Natasha Khan hält die Verletzlichkeit, den Schmerz und die Trauer auf sicheren Abstand. Sie ist die Braut, die sich nicht traut.

Trackliste

  1. 1. I Do
  2. 2. Joe's Dream
  3. 3. In God's House
  4. 4. Honeymooning Alone
  5. 5. Sunday Love
  6. 6. Never Forgive The Angels
  7. 7. Close Encounters
  8. 8. Widow's Peak
  9. 9. Land's End
  10. 10. If I Knew
  11. 11. I Will Love Again
  12. 12. In Your Bed

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LAUT.DE-PORTRÄT Bat For Lashes

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6 Kommentare mit 17 Antworten

  • Vor 8 Jahren

    Was für ein Kabelwitz, diese Rezension!

  • Vor 8 Jahren

    Hm. Ich empfinde/höre das an so einigen Stellen recht anders. Habe aber gerade nicht die Zeit und Möglichkeit, um das so fundiert wie gewollt hier darzulegen.

    I give it a shot anyway... Aufgrund sehr ähnlicher Erfahrungen im letzten Jahr kann ich den intellektuellen Überlegungen bzgl. Selbstermächtigung vs. Selbstaufgabe zwar folgen und hätte vor dem angesprochenen Ereignis vermutlich sogar ähnlich argumentiert... aber die emotionale Ebene sagt "nein".

    Angenommen, das Album soll lediglich den Abschnitt unmittelbar vor der Hochzeit bis in die ersten Monate nach dem Tod des Partners beschreiben. Auch wenn ich z.B. mich nie vollends über meine Beziehungen definiert habe, so waren diese Beziehungen durch die gebildete Wertegemeinschaft doch zur jeweiligen Zeit das für mich wichtigste im Leben.
    Es gibt Leute, die das inzwischen anders sehen und leben (Karriere und individuelle Freiheit immer zu erst; Wachstum über alles etc.), aber Natasha Khan ist halt (siehe auch aktuelle Interviews) extreme Romantikerin, eine ziemliche Träumerin (Two Suns...). Da kann man kurz vor der "eigenen" Hochzeit auch mal von nichts anderem vereinnahmt sein als dem Partner/der Partnerin. Nicht jeder zweifelt automatisch an seinen Entscheidungen, auch nicht an so "folgenreichen".
    Und die Zeit, nachdem man davon gehört hat... Na ja. Ich war davor auch ein einzigartiges Individuum und hatte Interessen und Fähigkeiten abseits der mit meiner Lebensgefährtin geteilten. Aber die waren mir die ersten Monate nach ihrem Verlust ehrlich gesagt so ziemlich scheißegal. Ich hatte keinen Bock mehr, ohne sie weiter zu machen, und sah die erste Zeit danach auch trotz aller gegenteiliger Zusprüche aus professionellem und privatem Umfeld keinen Sinn mehr. Ich wollte nur wieder bei ihr sein.

    Zum Schluss das musikalische. Da gehe ich ziemlich mit Hrn. Kabelitz d'accord. Logische Fortentwicklung zum bisherigen, leider alles sehr dezent und dem Text/Konzept unterstellt. Echte Highlights sind in der Tat rar, spielen sich aus meiner Sicht aber eher von Track 1-4 sowie 9+10 auf.

    Alles in allem sicher nicht das, was ich mir erhofft hatte. Und doch finden sich bereits nach 3-4 Durchläufen so einige Zeilen, die meiner Gefühlswelt im letzten Jahr schmerzhaft trefflich nahe kommen. Mindestens 3, eher 4 Tracks bleiben für mich wohl dauerhaft hängen.
    Weniger als 3 Sterne kann ich dieser Frau einfach nicht geben, zumal sie eine von denen ist, die alles selbst erdenkt und arrangiert und keine von Hrn. Kabelitz gerne mal gefeierten rundum versorgten 80er-Jahre Pophupfdohlen.

    • Vor 8 Jahren

      Hallo Soulburn,

      erst einmal möchte ich dir mein tiefstes Beileid ausdrücken. Ich habe da wirklich viel Empathie Dir gegenüber und es tut mir von ganzem Herzen leid.

      Aber da kommen wir auch schon zu dem entscheidenden Punkt bei der Platte und meiner Kritik. Genau diese Gefühle weckt "The Bride" bei mir nicht. Dabei bin ich ein Mensch, der sehr zu Mitgefühl neigt. Oft sogar zu sehr.

      Eigentlich müsste das Album in mir sofort diese Emotionen auslösen, da ich diesbezüglich sehr leicht einzufangen bin. Tut es aber nicht. Ich habe mir sehr lange darüber Gedanken gemacht, woran das liegt und am Ende kam ich darauf, dass ich hier einfach keine Figur finde, mit der ich mitfühlen kann. Wie oben beschrieben, wird diese für mich nicht greifbar.

      Natürlich werden wir beide dieses Album nie auf die gleiche Weise hören und empfinden können. Aber ich habe auch einige heftige Verluste hinnehmen müssen. Aber das soll hier nicht in eine Vergleichsschlacht ausarten. Die würdest du eh gewinnen. Dazu habe ich mich, um mich noch besser hineinfühlen zu können, mit einer Freundin unterhalten, die ähnliches wie "The Bride" erlebt hat. Sie hat auch Teile des frühen Textes gelesen und diese abgenickt.

      Natürlich ist dies ein schweres Thema. Aber genau deswegen bleibt mir hier zu wenig hängen. Bleibt es zu wenig greifbar. Aber vielleicht findest Du Dich gerade deswegen in der Figur wieder, weil sie so wenig ausdefiniert ist.

      Ich bin wirklich ein sehr großer Fan der ersten drei Bat For Lashes-Platten. Um so mehr haben mich die Texte hier geärgert. Ohne hätte ich mich wohl zu einer wohlwollenden 3/5 hinreißen lassen. Da sie aber im Mittelpunkt stehen, kam es zu dieser Wertung.

      Wenn Du das hier noch ausgiebiger diskutieren möchtest, können wir dies an privater Stelle gerne machen. Du solltest meine Email-Adresse noch haben. Ansonsten denke ich nicht, dass diese Umgebung der richtige Rahmen dafür ist.

      Liebe Grüße,

      Deine 80er-Jahre Pophupfdohle.

    • Vor 8 Jahren

      :)

      Sehr großes merci für diese Einlassung und auf dein Angebot komme ich gerne zurück, sobald ich wieder etwas mehr Routine im Job habe!

  • Vor 8 Jahren

    Kabelitz enspannt sich in seiner Freizeit mit Julia-Roberts-Kassenschlagern aus den 90ern.

  • Vor 8 Jahren

    Die Rezi weckt bei mir auf jeden Fall Neugierde.

  • Vor 8 Jahren

    Habe Angst, das mir die Platte letztendlich zu konstruiert wirkt und nicht diese verschiedenen Phasen und Ebenen wie bei Björk auslotet, sondern an der Oberfläche kleben bleibt. Ich glaube, ich habe damals mit Björk die gleichen Gefühle zur gleichen Zeit erleben dürfen und traue Verlustplatten momentan nicht gerne über den Weg. Bis dahin gibt es von Khan die mystische, verdammt brillante Sexwitch-Platte aus dem letzten Jahr.

  • Vor 8 Jahren

    Persönlich kenne ich Sven nicht. Wir taxieren noch würde ich den aktuellen Status Quo beschreiben. Was aber völlig ok ist, so lange man sich überwiegend nette Sachen schreibt. Bezogen auf Frauen in der Musik, scheint aber irgend was seltsames aktuell mit dem Sven zu passieren. Und da bleibt mir leider fast keine andere Wahl als mal böse dem Sven in sein Gehirn rein zu rufen, auch wenn er vor lauter Echo dort nur noch "Macho ihr seit umzingelt" hört.

    Lieber Sven kannst du dir als anerkannter Musikkritiker, Autor vorstellen das es Frauen gibt, insbesondere in der Musik, die sämtliche Klischees und Misstöne für deine Ohren bedienen um ihre eventuell fehl geleiteten Gefühle endlich los zu werden? Im Falle Frau Khan waren es immerhin 9 Jahre, aber das lässt sich sicher recherchieren. So ganz nach dem Motto, auf so einen Verriss hab ich gewartet Herr Kabelitz und Co. und danke das sie mit ihren 20 cm da auch prompt rein gestolpert sind.

    Gehen wir als 20 cm doch etwas weiter, nehmen wir an an meine These da wäre was dran, das manche Mädels halt auch diverse Schwierigkeiten haben mit der Selbstfindung bzw. Selbsterfindung, dann hat das Album mit Sicherheit eine 4 mit Tendenz zur 5 verdient. Weil auf solche schrägen Sachen da stehe ich in der Musik. Lieber Jazzpop auf komplex, als Pophupfdohlen for the win. Ach übrigens Frau Kahn hab ich auch schon live erleben dürfen und da war nichts zu erkennen von nicht authentisch. Mag das daran liegen das sie einfach Schweine geil aussieht? Nichts da, das wäre zu einfach. Tja da bleibt dir nur der Geschmack als Argument, nein das ist doch nicht möglich, überrascht?

    Gruß Speedi

    • Vor 8 Jahren

      Meine Gehirnzellen haben gerade Selbstmord begangen.

    • Vor 8 Jahren

      :uiui: :rayed: ... bidde?

    • Vor 8 Jahren

      Ein Oscar in der Kategorie Special Efffects ist dir sicher.

    • Vor 8 Jahren

      Der denkt halt wirklich, er haette hier den Dreht zur Redaktion, nur weil EINER ab und an mal auf ihn eingeht.

      Speedi, die halten dich alle auch nicht fuer weniger haengengeblieben als das normale Fußvolk hier.

      Und: halt' doch bitte einfach mal dein Maul.

    • Vor 8 Jahren

      Ich hab Speedis Post jetzt nicht gelesen, aber ich denke mal, dass das mal wieder geistiger Durchfall war. Man fährt einfach besser damit seine Posts nicht zu lesen, fragt sich aber irgendwo, welche Drogen der wirft, damit sowas dabei rumkommt.
      @Baude
      :lol:
      Das triffts ziemlich gut. Ich glaub Ulf ist eher zu nett um Speedi direkt zu sagen, dass er hängengeblieben ist.

      PS: Draht gefällig ? :P

    • Vor 8 Jahren

      Auf nem Poetry Slam hätte das Geschreibsel gute Chancen!

    • Vor 8 Jahren

      Speedy ist ein klassischer Muppet-Avatar.

    • Vor 8 Jahren

      Speedy's Gehirnzellen haben sich nun letztendlich auch für den Braxit entschieden ... also im Sinne des "Brain exit".

    • Vor 8 Jahren

      ungelesen 1/5

    • Vor 8 Jahren

      Bei "anerkannter Musikkritiker" bin ich ausgestiegen.
      :himself:

    • Vor 8 Jahren

      aus dem Train of Thought. Reflection Eternal. gute Idee werd ich gleich mal wieder hören

    • Vor 8 Jahren

      Jetzt rotten sich wieder alle zusammen, um auf den (eventuell verwirrten oder begnadeten Troll/Dadakünstler) Speedi einzuprügeln - nur um ihren käsigen In-Group-Status aufrechtzuerhalten. Ihr Nasen.

      Vor allem bei Kandidaten wie manback wirkt das schon bizarr. Entweder er macht sich nun über einen noch dümmeren lustig oder über einen Troll, also eine nicht-Person, die keinerlei Angriffsfläche für derlei Beschimpfungen bietet.

    • Vor 8 Jahren

      Hör nicht auf die Anderen, die sind nur neidisch auf deine virtuosen Krampfanfälle!

      Gruß,
      ein Fan

    • Vor 8 Jahren

      @ sk
      aber immerhin einen absatz geschafft,können bestimmt nicht viele von sich behaupten.
      @rest
      mundanus spricht aber wahr, jetzt wo der 2 wochen nicht mehr hier stattfindende überhaupt nicht mehr hier stattfindet,könen wir es uns imo nicht leisten, weitere quellen des wissens und der heiterkeit zu vergraulen.
      außerdem kann er bestimmt auch viel vom krieg erzählen (wk.1 +2 versteht sich).
      daher ist neben der peitsche auch durchaus mal das zuckerbrot zu gebrauchen,will doch schließlich weiterhin jeder immer auf dem neuesten stand von speedies bevorzugten unterhosen sein.