laut.de-Kritik
Porno, Smexer und Kobra mischen die Hauptstadt auf.
Review von Philipp GässleinBerlin gilt in der deutschen Hip-Hop Szene als belächelt bis verhasst. Zu viele erinnern sich an die früheren Pornoraps eines Kool Savas, kommen mit dem Ghettoproll Bushido nicht klar oder finden das Extremgedisse von Taktloss einfach lächerlich. Die Beatfabrik schickt sich an, die erste Rapformation zu werden, die dieses Vorurteil brechen kann.
Porno, Smexer und Kobra sind hungrig, anders kann man es nicht ausdrücken. Die ganze Bandbreite des Sprechgesangs decken sie mit einer Leichtigkeit ab, als seien sie schon seit Jahrzehnten im Game. Ob Gedisse in Richtung weake Poser ("Such Uns Nicht"), nachdenkliche Lebenssicht ("Leb Dein Leben") oder Ghettostyle ("Ihr Bitches", "Tuerkischer Hengst") - man nimmt ihnen gerne ab, dass ihr Album "10 andere frisst", wie sie selbstbewusst im Intro ankündigen.
Doch die Formation bedient sich keinesfalls nur gängiger Rapinhalte: Wenn Porno das Mic nimmt und seine kritischen Zeilen droppt, bleibt kein Auge trocken. "Cyborg II" schlägt schon ordentlich um sich, "Keine Liebe" jedoch ist ein Meisterwerk. Zwar wird sofort deutlich, dass Dres "Chronic 2001" starken Einfluss auf den Beat des Songs hatte, doch mit Zeilen wie "Sie geben Drogen in die Luft, und Drogen in mein Essen, und Drogen in jede von den Platten, die sie pressen. Untergrund ist Medizin, Rap Antidepressiva gegen Hip Hop HIV, auch bekannt als VIVA" oder "Adolf Hitler seine Ufos kontrollieren die USA, Bill Gates ist nur ein Klon von Pablo Escobar" lässt er selbst den G-Funk Großmeister wie ein oberflächliches Schulmädchen aussehen. Angesichts solcher Texte ist man sogar geneigt, ihm seinen peinlichen Namen zu vergeben.
Kobra überzeugt durch seinen lockeren Flow, der Erinnerungen an den aggressiven Savas zu M.O.R.-Zeiten wach werden lässt. Lediglich Smexer geht in den Collabos irgendwie unter - weder seine Skillz noch seine Texte können in den meisten Fällen mit denen seiner Bandmitglieder mithalten.
Auch die Beats können nicht voll überzeugen. Sie sind zwar, typisch für Berlin, puritanisch sparsam, um nicht allzu sehr vom Text abzulenken, halten aber von der Power einfach nicht mit denen mit, die man beispielsweise von B-Tight oder Gauner kennt.
Ein Kool Savas musste sich erst um 180 Grad wenden (andere würden sagen: verkaufen), bevor der Erfolg sich einstellte. Der Beatfabrik hingegen gelingt es, den Style der Hauptstadt ziemlich gut wiederzugeben - sie könnte mit diesem beeindruckenden Album zum Vorreiter des Siegeszugs einer neuen Hip-Hop Hochburg avancieren.
Noch keine Kommentare