laut.de-Kritik

So viel Herzschmerz schlägt den Hörer in die Flucht.

Review von

Ben Zucker erlebte in den letzten zwei Jahren einen rasanten Aufstieg vom ehemaligen Kloputzer von Seal zum Support für Helene Fischers Stadion-Tournee. Sein Debüt "Na Und?!" verkaufte sich bis zum jetzigen Zeitpunkt rund vierhunderttausend Mal. Mit seinem zweiten Album "Wer Sagt Das?!" wird Zucker ab November selbst auf Tour gehen.

Schon mit dem im Frühjahr als Single veröffentlichten Titelstück erreichte der 35-jährige Berliner Platz 2 der deutschen iTunes-Charts. Das knüpft mit seiner eingängigen Mischung aus Schlager und Deutsch-Pop mit angerockter Schlagseite, getragen von seiner rauen Reibeisen-Stimme, nahtlos an die Musik des Vorgängers an. Auch ein Großteil der restlichen Tracks weicht keinen Millimeter von dieser Marschroute ab.

Dafür garantieren die beiden Produzenten, Arrangeure und Co-Autoren Thorsten Brötzmann (Helene Fischer, Matthias Reim) und Philipp Klemz (Glasperlenspiel, Wincent Weiss). Ihnen verdankt Ben Zucker auch, dass sein Debüt zum Verkaufsschlager avancierte.

Neben mehr als einer Handvoll Stücke, die sowohl in den landesweiten Arenen als auch bei Florian Silbereisen funktionieren, hat das Album auch ein paar Balladen, versehen mit Piano- und Streicher-Arrangements, und Electro-Anklänge zu bieten. Das findet man aber bei der Konkurrenz ebenfalls. Wenn nicht das whiskeygeschwängerte Organ des Hauptstädters wäre, könnte es sich genauso um eine Platte von Mark Forster, Max Giesinger oder Wincent Weiss handeln. Zumindest vermarktet man seine Musik als das, was sie eben ist: Schlager.

Da passen die textlichen Nichtigkeiten im Titelsong gut ins Bild. Es geht darum, "auf sein Glück zu vertrau'n". Dazu gibt es noch Wir-Parolen obendrauf: "Wir sind hier, wir sind wir." Ansonsten braucht man nur die Tracklist betrachten, um zu wissen, was einen im Großen und Ganzen inhaltlich erwartet: "Du Haust Mich Um", "Du Bist Viel Mehr", "Ich Lass Dich Geh'n", "Wir Lieben Uns Wieder", "Alles Wird Gut", "Ich Habe Immer An Uns Geglaubt". Hört sich zunächst vielleicht harmlos an, entwickelt sich aber auf Gesamtlänge zur Hölle auf Erden.

Wenn nämlich der Herzschmerz und der Liebeskummer des Sängers aus sämtlichen Poren trieft, möchte man am liebsten die Flucht ergreifen, um sich dem Martyrium endgültig zu entziehen. Wenn der Mittdreißiger dann noch zu geradlinigen Gitarren-Klängen in "Wir Lieben Uns Wieder" in bester Matthias Reim-Manier mit der Feinfühligkeit einer Planierraupe "Du hast mich nicht verdient" ins Mikrofon röhrt, verfehlen selbst die härtesten Spirituosen ihre betäubende Wirkung.

"Ich wollt etwas ändern, diesmal alles richtig machen" und "es tut mir leid, aber ich mein es wirklich ernst", heißt es zu akustischen Saiten-Tönen und melancholisch vor sich hinklimpernder Piano-Begleitung im folgenden "Ja Ich Will". Gerade das Loslassen fällt dem Berliner besonders schwer, und das bekräftigt er fast ununterbrochen. Dementsprechend singt er in "Alles Wird Gut", das mit seiner treibenden Ausrichtung an die Musik Christina Stürmers erinnert: "Klar machts mir was aus, wenn du jetzt gehst." Anschließend benötigt man erstmal eine Verschnaufpause vor so viel Männer-Leid.

Allerdings tragen der schunkelige Rhythmus und die "Oh-Oh-Oh"-Chöre, die schlussendlich noch gefehlt haben, um das austauschbare Klangbild abzurunden, in "Du Warst Immer Dabei" nicht gerade zur Schonung der Nerven bei. Irgendetwas von "Ecken und Kanten" hört man im Text, aber die lassen sich weit und breit nicht ausmachen. Außerdem braucht eine Liebeserklärung an die Bundeshauptstadt natürlich einen wummernden, euphorischen Electro-Beat, wie mein "Mein Berlin" verdeutlicht.

Obendrein betont Ben Zucker zu schwermütigem Cello mit seiner aufdringlichen Stimmführung in "Ich Kann", dass er "Schmerzen ertragen" musste. Als hätte das Matthias Reim-Gedächtnis-Gegniedel im "Verdammt Ich Lieb' Dich"-Stil kurz zuvor nicht schon genug Unheil angerichtet, landet man nun ein für alle Mal auf den harten Boden der Tatsachen. Es heißt ja nicht umsonst, dass jeder Verdrängungsmechanismus irgendwann wieder zur Realität zurückführt. Folgerichtig stellt der Sänger in "Ich Habe Immer An Uns Geglaubt" fest: "Nichts wird im Leben einem leicht gemacht." "Wer sagt das?!"

Trackliste

  1. 1. Wer Sagt Das?!
  2. 2. Wir Lieben Uns Wieder
  3. 3. Ja Ich Will
  4. 4. Alles Wird Gut
  5. 5. Du Warst Immer Dabei
  6. 6. Mein Berlin
  7. 7. Du Bist Viel Mehr
  8. 8. Du Haust Mich Um
  9. 9. Ich Kann
  10. 10. Ich Lass Dich Geh'n
  11. 11. Hals Über Kopf
  12. 12. Wären Alle So Wie Du
  13. 13. Ich Habe Immer An Uns Geglaubt

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