laut.de-Kritik
Adrenalinbefreiter Verwaltungspunk.
Review von Hannes HußDas Cover des neuen Betontod-Albums zeigt eine Gestalt von hinten (höchstwahrscheinlich Sänger Oliver Meister) mit erhobener Faust. Das in Kombination mit der vorwärtsgerichteten Parole "Vamos!" passt ja durchaus zu Punk. Aber mit dem Booklet beginnen schon die Scherereien. Wieso schreibt hier Gitarrist Frank Vohwinkel die Abkürzung "ildvghfiuedjtm" rein? Das schreiben sich 13-Jährige in ihrer ersten Beziehung hin und her, aber doch keine alternden, sich selbst ernst nehmenden Punker!
Skepsis ist also angebracht. Auch dass es eine Deluxe-Box des Albums gibt ist womöglich ein Indiz für Gewinnmaximierungsstreben. Aber meine Mama hat immer gesagt: Du sollst ein Buch nicht nach seinem Cover beurteilen. Gilt natürlich auch für eine CD.
Die beginnt erstmal furchterregend. "Para Toda La Vida" wirkt in den ersten zehn Sekunden wie EDM, bevor der Song mittels Frauenchor ins Sphärische abdriftet. Die Gitarre mit ihren Hammer-Ons klingt dabei irgendwie mediterran angehaucht, aber auf diese unangenehme "Touri-Kneipe im Einheimischen-Stil"-Art. Irgendwann springt dann eine geachtelte Gitarre hinzu, ein Drumset setzt zögerlich ein, gar eine getragene Piano-Melodie inklusive des Frauenchores vom Anfang. Nach 90 Sekunden kippt der Opener sogar ins Dramatische mit Streichern und einem Männerchor. Dieser Track ist alles, nur kein Punk.
Den exerzieren die fünf Jungs um Sänger Oliver Meister (der mit seinen blondierten Haaren übrigens ein bisschen an Campino erinnert) auf den nächsten acht Songs zwar zur Genüge, die allerdings über das magere musikalische Niveau des Openers nicht hinaus kommen.
Sie alle agieren strikt nach dem Baukasten-Prinzip: Strophe - Refrain - Strophe - Refrain - Instrumental - sehr viel Refrain. Eine Aufteilung, die vielleicht in ihrer Schlichtheit etwas durchaus Punkiges an sich hat, aber mit der Hochglanzproduktion zusammen einfach nur das Bild einer Band abgibt, die zu faul war, mehr zu schreiben.
Das soll jetzt beileibe nicht heißen, dass alle Songs auf "Vamos!" unhörbarer Müll sind. Das sind alles solide gemachte Sachen, einige wie "Vamos!", "Boxer" oder "Es ist vorbei" hätten durchaus das Potenzial zum Lichtblick gehabt. Doch spätestens nach Strophe zwei gehen auch sie im Einheitsbrei des Baukasten-Punks von Betontod unter.
Noch nach unten ab fällt "Nie mehr Alkohol", das mit seinen an Großraumdiskotheken erinnernden Elektronik-Einschlägen unhörbar ist. Mit "Stück für Stück" kommt aber das eindeutige Highlight der Platte. Klar, der Song funktioniert immer noch nach dem altbekannten Baukasten-Schema, aber er hat Haltung, einen nicht zu überhörenden Hardcore-Einschlag und hat zum ersten Mal wirklich Tiefgang, der sich nicht nur in Plattitüden erschöpft. Gut, der Backgroundchor gegen Ende hätte nicht unbedingt sein müssen, dafür ist zumindest das Gitarrensoli schön griffig.
Der Closer "Diese Zeit" fällt leider wieder ab. Hier singen die Rheinberger über ihre Jugend schwelgen in wohlig-warmer Nostalgie. Dabei bleiben sie musikalisch aber wieder belanglos und textlich bei Schablonen. Außerdem wirken Text und Musik wie aufeinandergepresst, ohne zu harmonieren. Generell im Punk ja keine Todsünde, aber bei einem melancholisch-melodischen Closer hätte etwas mehr Feintuning nicht geschadet.
Schließlich ist ja auch das Cover irgendwie Baukasten-Punk. Die erhobene Faust, Inbegriff einer Punkrock-Pose, wird hier ganz offensichtlich als Marketing-Vehikel missbraucht. Wie hat "Die Beste Band Der Welt" 2012 gefragt? Ist das noch Punkrock? Ich glaube nicht.
2 Kommentare
Betontod waren schon immer scheiße.
Oha Betontod mach auf J.B.O., ok ok ein wenig besser