laut.de-Kritik
Der Norweger blickt tief in die Vergangenheit zurück.
Review von Toni HennigGeir Jenssen alias Biosphere verpflichtete sich auf seinen letzten beiden Alben dem Ambient. Die Tracks entstanden mittels Samples und Software. "Shortwave Memories", das nun auf den Markt kommt, beschreibt er als "Rückkehr zur uralten analogen Hardware aus den späten 70ern und frühen 80ern". Dabei ließ sich der Norweger, der Anfang bis Mitte der 80er mit dem Minimal Wave-Projekt E-Man seine ersten musikalischen Gehversuche wagte, vor allem von den Produktionen Daniel Millers und Martin Hannetts inspirieren.
Den Einfluss des letztgenannten Produzenten hört man im Opener "Tanß" überdeutlich heraus. Die minimalistische Drum-Machine, die zischende Elektronik und die darüber schwebenden kühlen Synthies hätten nämlich auch gut zu Joy Division gepasst. In "Interval Signal" verlagert sich die Musik ins Sphärische, wobei Jenssen auch etwas bleepige Sounds und dumpfe Bässe einstreut, die an seine Acid-House-Sachen unter dem Pseudonym Bleep Ende der 80er-Jahre erinnern.
Das folgende "Night Shift" hätte man sogar in ähnlicher Form auf dem 91er-Biosphere-Debüt "Microgravity" finden können, bekommt man es doch mit tanzbaren Beats und atmosphärischen Ambient-House-Klängen zu tun. Auch die pluckernde Elektronik und die repetitiven Synthies in "Infinium" verweisen auf die Frühwerke des Projektes. Weiter wühlt der Skandinavier jedoch nicht in der eigenen Vergangenheit.
Vielmehr steht neben kühlem Post-Punk und New Wave kraftwerk'scher Minimalismus auf dem Programm. So entführt uns "Formanta" mit zischenden Drum-Machine-Schlägen und kreisender Elektronik auf die "Autobahn", und das Titelstück wartet mit verschleppten Rhythmen, peitschenden Schlägen und unterkühlten Synthies in bester "Radioaktivität"-Manier auf. Am Ende wird der "Trans Europa Express" bei Jenssen zum "Transfigured Express", wenn die Drum-Machine über vierzehn Minuten lang den tänzelnden Beats und den dystopischen Synthies genug Raum gibt, eine geradezu trostlose Wirkung auszuüben.
Letzten Endes besinnt sich der Norweger auf seine musikalischen Wurzeln bei gleichzeitiger Weiterentwicklung in eine neue, strukturell linearere Richtung. Das macht "Shortwave Memories" zum interessantesten Biosphere-Album seit Jahren.
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