laut.de-Kritik

Ein würdiges Finale.

Review von

Der Anfang vom Ende: Flammen umzüngeln die lebenden Legenden auf der Bühne. Lediglich kuscheliges Kaminzimmer oder doch Fegefeuer? Die Antwort lässt nicht lang auf sich warten. "Sabbath, schwarzer Sabbath!" verkündet die Totenglocke und lädt ein letztes Mal zum sinistren Ritual. Tony Iommis behäbige Riffs – gemacht aus Stahl und Verdammnis - walzen sich unaufhaltsam voran. Geezer Butlers Bass lässt die Richterskala erzittern. Im Zentrum wartet bereits der Mothahfuckin' Prince Of Darkness und lockt im bannenden Gestus seiner schwarzlackierter Finger zur finalen, okkulten Messe. “What is this that stands before me?“

"Oh no!" möchte man es Ozzy Osbournes Ruf gleichtun und nicht wahrhaben. Doch diese Uhr läuft unerbittlich ab. Was in Birmingahm am 16. Oktober 1969 mit dem sinnstiftenden Song und gleichnamigen Album "Black Sabbath" begann, findet seine Ende ebenda in einem furiosen Schlussakt am 4. Februar 2017. Dazwischen liegt ein halbes Jahrhundert, in dem Black Sabbath den klassischen Heavy Metal nebst Doom erfanden, den Grundstein zu Speed, Thrash oder Stoner-Rock legten und herzzerreißend authentische Balladen ersannen. Diese Reisenden in Blei verkörpern jene nährende Wurzel aus der spätere Ikonen wie Iron Maiden, Metallica oder Queens Of The Stone Age hervor wuchsen. Mit dieser allerletzten Show mündet ihr Pfad in einem furiosen Paukenschlag.

Sollte jemand Zweifel hegen, ob man dieses Konzert angesichts diverser Live-Veröffentlichungen überhaupt benötige, mögen diese sich getrost im Winde zerstreuen. Auf "The End: Live In Birmingham" kann man keine einzige Schwäche ausmachen. Man hört der Band an, wie eingespielt sie nach gut vier Jahren Tour-Aktivitäten ist. Gleichzeitig bleibt die Gefahr lustlos eingeschliffenen Abspulens vor der Höllenpforte. Denn dieses letzte Umdrehen des Kreuzes beschert ihnen trotz aller Routine ein ebenso großes Gefühl wie dem angenehm emotionalen Publikum. Besonders zum Ende des Auftritts hat der perfekte Showman Osbourne mit den Tränen zu kämpfen, bleibt aber in jeder Sekunde Herr seines Vortrags.

Die Songauswahl kann man nur als gediegen bezeichen. Obligatorische Klassiker wie "War Pigs", "Iron Man", "Fairies Wear Boots" (alle von "Paranoid") oder "Children Of The Grave" ("Masters Of Reality") inszenieren sie angenehm ungeschliffen. Die gesamte Show funkelt in rauen Klangfarben. Alles erstrahlt als lässige Oldschool, die in den Händen dieser Pioniere keinen Augenblick lang altbacken wirkt.

Besonders gelungen ist die Setliste auch deshalb, weil die Band ihr Programm nicht als reines Greatest Hits-Spektakel anlegt. Highlights aus der zweiten Reihe, die eher selten aufgeführt wurden, kommen zum Zuge. "Under The Sun" und "Every Day Comes And Goes" (beide von "Vol. 4") finden ebenso ihr Plätzchen wie "Megalomania" ("Sabotage").

Geezer Butler, seines Zeichens hauptverantwortlich für zahlreiche ihrer besten Texte, hat seinen ultimativen Rampenlicht-Moment im legendären Bass-Solo zu Beginn der Satans-Nummer "N.I.B." ("Black Sabbath"). Gute Wahl, immerhin war es seinerzeit das erste musikhistorisch relevante Solo eines Viersaiters am Anfang eines Songs.

Insgesamt lebt das Konzert aber vor allem vom gewohnt augenfäligen Kontrast zwischen Iommi und Osbourne. Der Gitarrist bleibt auch im Grande Finale seiner sauertöpfisch grimmen Hagen von Tronje-Ausstrahlung treu. Ozzy verkörpert hingegen seine ebenso unnachahmliche Mischung aus Fürst aller Dunkelheit und der stets durchschimmernden, sehr sympathischen Grundausstrahlung eines knuffigen Teddybärs.

Was aber ist mit Kernsongs wie "Sweet Leaf" ("Masters Of Reality") oder "Changes" ("Vol. 4")? Scheinbar fallen sie der Normativität des Faktischen zum Opfer, dass diese Helden des Schwermetals weit mehr essentielle Klopper in petto haben, als sie in einer Nacht aufführen können. Doch gerade, weil Black Sabbath sich dieser Tatsache bewusst sind, entern sie wenige Tage nach dem Gig erneut das Studio und spielen unter dem Namen "The Angelic Session" live fünf wichtige Lieder ein, unter anderem auch die beiden genannten. Das Gimmick ist nicht in jeder Edition vorhanden. Es empfiehlt sich, beim Kauf darauf zu achten, die Komplett-Variante zu erstehen.

Als unwiderruflich letztes Kapitel kommt nach einer stilechten Ladung schwarzer Luftballons nur ein Track in Betracht. Es ist jene Nummer, die ursprünglich anno 1970 innerhalb weniger Minuten getextet, komponiert und aufgenommen wurde, weil man noch einen dreiminütigen Füllsong benötigte. "Paranoid" von ihrer gleichnamigen LP gerät tatsächlich zum absoluten Höhepunkt der Party. Ozzy ruft sichtlich gerührt in die Menge: "You are the fucking finest. Thank You! Thank You! Thank you!" Ein Kompliment, das man nur in Demut erwidern kann.

Trackliste

  1. 1. Black Sabbath
  2. 2. Fairies Wear Boots
  3. 3. Under The Sun / Every Day Comes And Goes
  4. 4. After Forever
  5. 5. Into The Void
  6. 6. Snowblind
  7. 7. Band Introductions
  8. 8. War Pigs
  9. 9. Behind The Wall Of Sleep
  10. 10. Bassically / N.I.B.
  11. 11. Hand of Doom
  12. 12. Supernaut / Sabbath Bloody Sabbath / Megalomania
  13. 13. Rat Salad / Drum Solo
  14. 14. Iron Man
  15. 15. Dirty Women
  16. 16. Children Of The Grave
  17. 17. Paranoid
  18. 18. The Wizard
  19. 19. Wicked World
  20. 20. Sweet Leaf
  21. 21. Tomorrow's Dream
  22. 22. Changes

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6 Kommentare mit 7 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    Mir persönlich reichen "Live at Last" und die "Reunion"-Scheibe aus den Spätneunzigern als Livedokumente.
    Zur Review möchte ich anmerken:

    - "Denn dieses letzte Umdrehen des Kreuzes beschert ihnen trotz aller Routine ein ebenso großes Gefühl wie dem angenehm emotionalen Publikum."

    Das umgedrehte Kreuz im Inlay der Debütscheibe war eine Entscheidung der Plattenfirma, nicht aber der Band selbst. Die Band hat wohl letztlich von diesem Image profitiert, aber: Sabbath waren immer auf der Seite des Lebens und Gottes - etwas, das sie mit dem Song "After Forever" (auf "Master of Reality") eindeutig klargestellt haben.

    Nebenbei bemerkt: Der oben zitierte Satz fängt mit "Denn" an, ist aber angesichts des vorangestellten Satzes "Gleichzeitig bleibt die Gefahr lustlos eingeschliffenen Abspulens vor der Höllenpforte" falsch - ein "aber" oder "jedoch" macht hier mehr Sinn.

    - Kleiner Fehler: Der Song "Sweet Leaf" fehlt leider und das ist schade. Er befindet sich auf "Master of Reality", nicht "Masters...." (ohne s).

    • Vor 7 Jahren

      Danke, Luchsauge. :kiss:

    • Vor 7 Jahren

      Ich halte diese Vö - ganz abgesehen davon, dass ein Final Gig ohnehin nahezu immer speziellen Charme hat - tatsächlich für die mit Abstand beste Liveplatte in der Besetzung mit Ozzy.

      "Past Lives" etwa krankte an der Zusammenstückelung aus diversen Gigs und seiner teilweise prähistorischen Tonqualität. "The Last Supper" wurde durch Einschübe hineingeschnittener Interviewschnipsel zerstört. "Reunion" ist ebenfalls ein Zusammenschnitt mehrerer Shows.
      Schlussendlich hört man dem nach ihrem letzten Studioalbum "13" erschienene "Live ... Gathered In Their Masses" recht deutlich an, dass die Performance sich noch am Anfang der damaligen Tour befand und längst nicht alle Motoren restlos warm gelaufen waren.

      zur Nummer mit dem Kreuz: I)st doch egal, ob Label oder Luzifer persönlich. Popkulturell hat sich das mit ihrer Mithilfe komplett verselbständigt. Da kann Iommi noch so sehr Katholik sein. Popkultur und Entertainment haben stets ein Eigenleben. Und die Kunst ist ja auch auf der Seite des Lebens. Ich vermag da keinen widerspruch zu erblicken.

    • Vor 7 Jahren

      lohnend sich mit der ganzen Laurel Canyon Sache zu beschäftigen:
      https://www.youtube.com/watch?v=liFOz4SGWt…

  • Vor 7 Jahren

    Ich werd' sie vermissen! Aber Ozzy kommt ja nächstes Jahr nochmal auf Tour. Und ich bin sicher, dass zumindest Geezer noch was von sich hören lassen wird. Das Abschlusskonzert kriegt selbtredend 5/5, auch wenn altersbedingt die Qualität der Auftritte kaum an die in den frühen 70ern ranreicht. Wer sich auf YT mal das 1970er-Paris-Konzert sieht wird ahnen können, warum Sabbath eben so verdammt einflussreich waren/sind.

    • Vor 7 Jahren

      Du hast recht, das Paris-Konzert von 1970 ist eine Sternstunde der Rockmusik.

    • Vor 7 Jahren

      Es gibt neben ozzys weiterhin geplanten solo-aktivitäten auch gerüchte, dass es evtl eine neuauflage des gespanns iommi/martin geben könnte. hat jedenfalls tony martin vor nem jahr mal gesagt.

      und "headless cross"/"tyr" waren ja auch wirklich sehr gutes zeug.

  • Vor 7 Jahren

    Weiss jemand, ob -und wenn ja wo- es die Vinyl-Version incl. der "Angelic Session" gibt?

  • Vor 7 Jahren

    Wer das Konzert in Gänze sehen will: Der WDR hat den Film gestern gezeigt. Noch zu finden in der WDR-Mediathek:

    http://www1.wdr.de/mediathek/video/sendung…

  • Vor 7 Jahren

    Für BS-Fans auf jeden Fall etwas. Ich mochte sie noch nie. Kommt, steinigt mich.

  • Vor 7 Jahren

    Erstaunlich gut gesungen, war so nicht zu erwarten.