laut.de-Kritik

Wie ein aufbrausendes Kleinkind im Tante-Emma-Laden.

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Ach ja, dieser K-Pop. Boy- und Girlgroups erobern die Welt mit durchgestylten Choreographien, berechnendem Management, exaltierten Looks, weichgespülten Lyrics und militanten Fanbases. Als Ottonormalverbraucher kommt man gar nicht mehr hinterher, weil so viele Bands nachschießen, geschweige denn, dass diese sich unterscheiden. Blackpink sticht jedoch heraus wie ein zankendes, kapriziöses Kind zwischen all den süßen Jungs und Mädels aus Korea: Sie sind bunt, laut und wollen die Aufmerksamkeit mit der Brechstange.

Kreativität bleibt dabei sichtlich auf der Strecke. Das Cover für ihr erstes richtiges Album zeigt sich schwarz und pink und es heißt einfach nur "The Album". Stumpfsinn ist anscheinend Trumpf. Die vier Grazien Jennie, Jisoo, Lisa und Rosé treten lieber Türen mit ganz viel Kraft und Bosshaftigkeit ein. Ein Kollegah würde da sogar ein Tränchen verdrücken. Sie unterfüttern ihr Gehabe mit Trap-Beats und 808-Drops, damit auch jeder Hinterhof-Jörg versteht: huuuch, mit denen ist wirklich nicht zu spaßen!

Standesgemäß eröffnen sie "The Album" mit "How You Like That". Der TikTok-Hit fährt dicke Bläser im catchy Refrain auf und stampft ordentlich vorwärts. Das geht sogar noch in Ordnung. Das überzuckerte "Ice Cream" samt pastellfarbenem Video schmilzt schneller als Wassereis in der prallen Sonne. Wenn man nicht die Lauscher spitzt, merkt man nicht einmal, dass Selena Gomez auch mitsingt.

"Pretty Savage" gönnt sich einen netten Piano-Loop und düsteren Beat, doch der grenzdebile Chorus zerstört Gehirnzellen: "(Ooh) Bah-dah-bah-bah / You better run, run, run / (Ooh) Bah-dah-bah-bah / You better run, run, run". Solch lyrische Banalitäten zelebrierten Blackpink bereits in "Ddu-Du Ddu-Du" beim Vorgänger "Kill This Love". Immerhin nimmt sich der Song gegen Ende wohltuend zurück und gibt sich balladesker.

Richtig wild und unsäglich ertönt "Lovesick Girls", eine EDM-Nummer nach Schema F und Fremdscham evozierenden Rap-Passagen. Es reicht eben nicht, Zweckreime mit selbstbewusstem Habitus zu kombinieren, um cool und stark zu wirken. Das hier donnert Vollgas in die Peinlichkeit. Weniger peinlich, dafür sehr stupide pumpt "Crazy Over You" ins Gehör, die uninspirierten Trommeln zum Schluss ergänzen dieses Trauerspiel.

Doch das Quartett aus Seoul kann auch anders, wie erst dieses Jahr "Sour Candy" auf Lady Gagas "Chromatica" demonstrierte. Auf "The Album" nervt "Bet You Wanna" zumindest nicht und läuft entspannt nebenher. Auch Cardi B schaut vorbei und rappt einen soliden Part ins Mikro. Das pulsierende "Love To Hate Me" offeriert zwar altbekannte Songstrukturen, die jedoch von einem feinen Übergang von Strophe zu Refrain aufgelockert werden. Nach dem sie genug gepoltert haben, beruhigen sie sich mit der etwas schmalzigen Powerballade "You Never Know", die ihnen sehr gut steht und die sie gekonnt darbieten.

Kurze 24 Minuten dauert diese Tortur. Blackpink stilisieren sich als das ungezügelte, aufbrausende Kleinkind im Tante-Emma-Laden. Bombast und Augenwischerei zeugen nicht gerade von Qualität, da nützen auch die fünf Einträge im Guinessbuch der Rekorde recht wenig. Viel Lärm um nichts, wie Shakespeare es sagen würde, zeichnet diese Girlgroup aus, die unter der groben Fassade aber durchaus Potenzial versteckt. Es gibt einige gute Vertreter dieses Genres, Blackpink gehören leider nicht dazu.

Trackliste

  1. 1. How You Like That
  2. 2. Ice Cream (feat. Selena Gomez)
  3. 3. Pretty Savage
  4. 4. Bet You Wanna (feat. Cardi B)
  5. 5. Lovesick Girls
  6. 6. Crazy Over You
  7. 7. Love To Hate Me
  8. 8. You Never Know

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LAUT.DE-PORTRÄT Blackpink

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6 Kommentare mit 17 Antworten

  • Vor 3 Jahren

    Debütalbum 4 Jahre nach dem Debüt veröffentlichen und und dann nur 8 songs drauf packen, da bekommt man von einingen EPs mehr fürs Geld. Album geht klar soweit, die neue Richtung, dass 70% des Albums plötzlich pur auf Englisch sind stört irgendwie gewaltig finde ich, die beiden feature songs leider beide ziemlich ungeil.

  • Vor 3 Jahren

    Danke! Endlich mal eine qualifizierte K-Pop-Rezension!

    Ach ja, willkommen schon mal an alle Trolle, die aus irgendwelchen Kawaii- oder Blackpink-Gruppen hergeschickt wurden! Ihr werdet bei dieser Community sicher ganz doll ernstgenommen!

  • Vor 3 Jahren

    Ich lach mich tot, gerade die Collabs, die an Stupidität und Einfallslosigkeit auch diesem Album kaum zu überbieten sind, werden hier als SOLIDE bezeichnet. Man da steckt aber eine Nase ganz tief im Arsch der US-Musik-Industrie.

  • Vor 3 Jahren

    Zwar nicht die erwartete Gölzension, aber ist vielleicht auch mal ganz gut so. Rezi gefällt mir und halte ich für kompetent und deckt sich relativ nahtlos mit meinem Eindruck von den Songs, die ich gehört habe.
    How You Like That ist gerade für Blackpink-Verhältnisse halbwegs ordentlich, Ice Cream ein musikalisches Verbrechen und der Rest bewegt sich irgendwo zwischen recycletem, harmlosen Schema-F und musikalischem Schrott. Kann natürlich sein, dass mir da noch eine musikalische "Perle" entgangen ist.

    • Vor 3 Jahren

      Ganz allgemein habe ich auch das Gefühl, dass die Bandmitglieder (selbst) für Kpop-Verhältnisse erstaunlich unmusikalisch sind. Natürlich können die alle (studiogestützt) kompetent einen Pop-Chorus einsingen und zumindest Lisa kann auch ziemlich gut rappen. Mir geht's eher um das allgemeine Verständnis von Musik und den kreativen Input der Band selbst, sofern man das überhaupt von außen beurteilen kann. Würde mich vor allem mal interessieren, wer für die ganzen hirntoten Adlibs und "Badabi Dududus" verantwortlich ist.

      Selbst bei so Sachen wie dem Gaga-Song, den ich wie der Autor eigentlich ganz interessant finde, frage ich mich wie viel da wirklich "gewollt" ist. Die spielen da ja ohne Frage sehr solide ihren Popstiefel runter und eigentlich auch so, dass das in Vebindung mit Beat/Melodie ganz in Ordnung klingt.
      Wenn man sich dann aber den Gaga-Part anhört, geht der muskalisch und stimmungsmäßig halt in eine ganz andere Richtung. Der daraus resultierende Kontrast ist mMn zwar ganz interessant, lässt einen aber auch ein bisschen mit dem Gefühl zurück, dass die auch nicht wirklich in der Lage auf irgendewas außrrhalb ihres limitierten Popkosmos einzugehen.

    • Vor 3 Jahren

      Gölzension. Hihi.

    • Vor 3 Jahren

      Props an Gleepi, dass er sich den Schmodder überhaupt vorbehaltlos reinzieht. Ich könnte das nicht.

    • Vor 3 Jahren

      Danke für deine Gedanken. Ich bin auch stark am Wanken, zu welchen Anteilen die Mitglieder und ihr Management über die Produktion schauen.

  • Vor 3 Jahren

    Nein. Einfach nein.

    Gute Rezension übrigens.

  • Vor 3 Jahren

    Sorry, aber wenn der Verfasser der Rezension kein Kpopfan ist, sollte er keine Rezension über Kpop schreiben. Vor allem dann nicht, wenn es übertrieben mies dargestellt wird, und alles absichtlich durch den Dreck gezogen wird. Diese Rezension ist in meinen Augen nicht fair.

    • Vor 3 Jahren

      "Sorry, aber wenn der Verfasser der Rezension kein Kpopfan ist, sollte er keine Rezension über Kpop schreiben."

      Du willst also Jubelperser Rezensionen, die unkritisch alles abfeiern damit Dir Dein total überlegener Musikgeschmack bestätigt wird, oder?

      Und was ist schon fair?

    • Vor 3 Jahren

      Unfair ist, dass richtige Musiker ums Überleben kämpfen während diesen Muppets sämtlicher Erfolg in den Arsch geschoben wird.