laut.de-Kritik

Bonus Features? Keine Zeit. Booklet? Och, nö.

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1979 war es durchaus noch okay, Blondie-Fan zu sein. Exakt zur Halbzeit ihrer sechsjährigen Karriere spielten Debbie Harry und Co. mit "Eat To The Beat" ihr letztes, ernstzunehmendes Album ein, bevor schaler Disco-Pop wie "The Tide Is High" Blondies Abschied von unterkühlten New Wave-Riffs schmerzhaft in Szene setzte. 1979, ein gutes Jahr also, um sich per DVD noch einmal in jene Zeit zu zappen, von der Debbie Harry im aktuellen Buch-Bestseller "Please Kill Me" so viel zu erzählen weiß.

Die Freude beim Fan könnte ungleich höher sein, wenn neben dem musikalischen Inhalt auch die technische Umsetzung akzeptabel wäre. Doch leider haben wir es bei "Live At The Apollo Theatre" mal wieder mit einem lieblos abgefilmten TV-Auftritt zu tun, der DVD-Standarts nicht im mindesten gerecht wird. Blondies Auftritt in der legendären britischen Show "The Old Grey Whistle Test" im Glasgower Apollo hätte genauso gut vor zwanzig Jahren auf VHS erscheinen können, nur hätte man damals die Songs nicht einzeln anwählen können. Es lebe der technische Fortschritt.

Die inzwischen wieder vereinigten Blondie vielleicht noch einmal zu dem damaligen Auftritt befragen oder das damals mit Sicherheit gesendete, weil zum Showkonzept gehörige Band-Interview als Bonus Feature dranhängen? Keine Zeit. Booklet? Och, nö. Stattdessen gibt es 41 Minuten Blondie live in stereo, Feierabend. Macht 15 Euro bitte. Sound und Optik versprühen derart hartnäckig 70er Jahre-Rockpalast-Feeling, dass zum völligen Knock Out nur noch eine Ansage von Peter Rüchel fehlt.

Eyecatcher des Ganzen ist natürlich Debbie Harry, auch wenn ihre Kollegen styletechnisch mächtig auffahren: Basser Nigel Harrison trägt hellblaue Lederjacke über roter Hose, Drummer Clem Burke wirkt mit seinen artistischen Drumstick-Einlagen im künstlich-schimmernden Gold-Plastik-Dress eher wie ein gedopter Kanarienvogel. Den Flattermann schießt dennoch Pretty Debbie mit ihrer neuesten St. Marks Place-Fashion ab: Die Sängerin trägt ein ärmelloses, gelb-pink gestreiftes Kleidchen mit integriertem Halstuch über gleichfarbenen Leggins und gelben High Heels. Damit hätte heute vermutlich sogar Karen O. ihre Probleme.

Dass man Debbies Gesicht erst beim dritten Song erkennen kann, liegt allerdings nicht an ihren Rocker-Qualitäten, sondern an der Kombination Sonnenbrille und Strubbel-Look, ansonsten wackelt die Blonde lieber dezent mit ihrem Hintern. Die Songauswahl ist der limitierten Show-Dauer entsprechend gekürzt, enthält mit "Dreaming", "Atomic", "Hanging On The Telephone" oder "Heart Of Glass" aber so einige Hits. Witzig gestaltet sich das Ende des Auftritts, zu "Sunday Girl" betreten einheimische Dudelsackbläser die Bühne. Dennoch: solch eine lieblose Vorstellung kann kein Herzelein erwärmen, nicht mal eines aus Glas.

Trackliste

  1. 1. Dreaming
  2. 2. Slow Motion
  3. 3. Shayla
  4. 4. Union City Blue
  5. 5. Atomic
  6. 6. Eat To The Beat
  7. 7. Picture This
  8. 8. Pretty Baby
  9. 9. Heart Of Glass
  10. 10. Hanging On The Telephone
  11. 11. Sunday Girl

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