laut.de-Kritik
Das Testament des Apfelmanns.
Review von Jasmin LützWill uns der Mann jetzt endgültig veräppeln, dachte sich so manch intellektueller Rezensent, als er die neue Blumfeld-Platte "Verbotene Früchte" vor sich sah und hörte. Nein Baby, das ist Jochen, der in seinem Zimmer saß, aus dem Fenster schaute und plötzlich stand er da, "der Apfelmann in seinem Garten". Nun noch ein paar knackige Gitarrenrhythmen gezaubert und fertig ist der zuckersüße Sommerhit 2006, der in die Beine geht.
Auch wenn sich der eine oder andere Kritiker an diesem Naturereignis die Zähne ausbeißen wird, ich habe mich sofort in die dreizehnteilige Popzoologie verliebt. Von Herrn Distelmeyer kann man immer wieder was lernen. In dem von mir besonders bevorzugten Song "Der Apfelmann" beschreibt er wohl als erster in der deutschen Popmusik die ehrliche Arbeit einer Ernte und nennt feine Sorten wie Geheimrat Oldenburg, die mir Naturbanausen bis dato unbekannt waren. Im Apfelkuchen schmeckt diese schön gefärbte Tafelfrucht übrigens besonders gut. Und diese Kenntnis macht nicht nur den lieben Mitbewohner glücklich.
Mit "Schnee" leiten Blumfeld ihr mittlerweile sechstes Studioalbum ein. Als hätten sie geahnt, dass der Frühling auf sich warten lässt und die weiße Masse lang das Land regiert. "Noch trägt die Welt ihr weißes Kleid" singt Jochen, und zur vertrauten Melodie schmilzt man nur so dahin. Ebenso verhält es sich mit dem "April" und seiner verträumten Pianobegleitung: Gestern, heute, morgen, ein Wechselspiel der Gefühle in der kühlen Monatslandschaft. Seufz.
Die Stimmung steigt in "Strobohobo", und das Tanzbein schwingt, wenn Yoko Ono mit dem Kobold Pogo tanzt oder Roy Orbison Jochen sogar den Hof macht. All Right! Die Single "Tics" verspricht alles, was einen typischen Blumfeld-Song ausmacht. Hits, Hits, Hits! Neben dem "Apfelmann" entdeckt der Hobbybiologe allerlei Wissenswertes über Fauna und Flora. Da singt Jochen beswingt "Tiere um uns / was wären wir ohne sie".
Nun, im Zeitalter der Vogelgrippe darf man derartige Songzeilen ein wenig kritisch sehen und die Tierverbundenheit ist ein wenig drastisch, aber hey, die weitere Textzeile "Tiere sind nicht die besseren Menschen" lässt einen schnell wieder aufatmen, bis die Ornithologen-Zuneigung zum Ende hin dann doch wieder etwas ausartet. Da träumt Jochen tatsächlich davon, ein Rabe zu sein, naja, besser als eine kackende Taube auf dem Dach.
Die Veränderungen innerhalb der Band wirken sich dennoch positiv auf das abwechslungsreiche Gesamtwerk aus. Nicht nur Keyboarder Vredeber Albrecht, der die Band bislang nur live unterstützte, ist nun offizielles Mitglied, auch der neue Bassist Lars Precht von Veranda Music sorgt für einen spitzen Rhythmus. Die Aufnahmen entstanden diesmal im O-Ton Studio" der Brüder Stefan und Frank Wulff (Lou Reed, Nick Cave, Oma Hans). Des weiteren sind Blumfeld neuerdings für die Produktion insgesamt selbst verantwortlich. Ein weiterer Grund, von diesem sündhaft schmackhaften Fruchtfleisch zu probieren.
Was gibt es Schöneres, als mit einfachen Worten über die Liebe und den allgemeinen Zustand der Welt zu dichten? Seine Umgebung einfach noch mal bewusster zu erleben und vor allem positiv zu denken? Auch mal pfeifend durch die Gegend laufen, es gibt schließlich nur diese Welt: "Es ist sonderbar / wir sind einfach da / Was wir tun und lassen liegt in unserer Hand" (Atem und Fleisch). Kommst du mit in den Alltag? Ja, gerne Jochen. Immer wieder Liebeslieder. Danke!
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