laut.de-Kritik

Der Ex-Culture Club Sänger hat mehr drauf als fancy dresses und hard drugs.

Review von

Boy George - das Karma-Chamäleon. Kaum ein anderer Künstler, von David Bowie einmal vielleicht abgesehen, hat in letzter Zeit eine solche optische wie musikalische Wandlungsfähigkeit bewiesen, wie BG in den nunmehr gut 20 Jahren seiner wechselvollen Karriere.

Seit seinem kometenhaften Aufstieg 1982 als Sänger und Frontmann von Culture Club, mit dem er etliche internationale Top Hits ("Do you really want to hurt me") zu verbuchen hatte, hat BG so ziemlich alle Stufen des Star-Daseins durchschritten und der Öffentlichkeit seine vielen Gesichter gezeigt. Doch egal ob mit Glatze oder ellenlangen Dreads, von Heroin ausgezehrt oder wieder clean, als Pop-Sänger oder Acid-House DJ, als ungeschminkter Privatmensch oder pfauenhaft angemalte Luxustucke, stets war "(The Devil in) Sister George" er selbst, stand zu sich und seinen Eigenschaften und konterte alle Anfeindungen stolz erhobenen Hauptes.

Angesichts dieser schillernden Vergangenheit ist der Titel seines neuesten Werkes "U Can Never B2 Straight" sicher mehr als zweideutig zu interpretieren und auch der Hinweis "this record is sexually confused" kann nicht weiter überraschen. Die Überraschung folgt dann jedoch gleich mit dem ersten Track, der sinnigerweise mit "Ich bin Kunst" betitelt ist. In Liza Minelli Cabaret-Manier berichtet BG hier mit viel Humor Geschichten aus seiner Jugend. Im folgenden St. Christopher wird das Musical gejazzt und wiederum kein Blatt vor den Mund genommen.

Nach dieser doch eher schwülstigen Ouverture nimmt "U Can Never B2 Straight" nochmals eine vollkommene unerwartete Wendung, denn ab "She was never he" wird plötzlich die Wandergitarre aus dem Schminkköfferchen gepackt und es folgen dreizehn wirklich schöne und stimmungsvolle Songs, in denen Georgie zeigt, dass er ein hervorragender Sänger und wirklich überzeugender Songwriter ist. Die Instrumentierung meist auf das wesentliche beschränkend - zu Gesang und Gitarre gesellt sich nur selten Schlagzeug und/oder Streicher - trägt seine unverwechselbare Stimme die ruhigen poppigen Songs und erzählt von den wirklich wichtigen Dingen im Leben wie Liebe, Schmerz, Hoffnung, Wut und Glück.

Musikalisch fühlt man sich zuweilen ein wenig an R.E.M. oder auch sein ehemaliges Projekt Jesus loves you erinnert, manchmal blitzen spanische Einflüsse durch. Durch die sehr innige Art von Boys Gesangsstil hat das Ganze sehr viel Soul, auch wenn die Seele in diesem Fall sehr speziell ausfällt. Doch "U Can Never B2 Straight" ist keinesfalls bloß ein weiteres nettes Pop-Albumchen eines kauzigen Mannes in Frauenkleidern, sondern hat bei allem Wohlklang viel musikalische Substanz. Und unterschwellig hört man seiner Musik doch an, dass er so einiges hinter sich hat, was er sich von der Seele schreiben muss. Gepaart mit seinen vielfältigen unterschiedlichen Talenten ist das Ergebnis dann einfach zeitlose gute Popmusik, und als Bonbon gibt es zum Schluss noch eine 13.27 Minuten lange Version seines 1991 veröffentlichten Krishna-Hits "Bow down mister". Und eins ist sowieso sicher: BG war niemals too straight ...

Trackliste

  1. 1. Ich bin Kunst
  2. 2. St. Christopher
  3. 3. She was never he
  4. 4. Cheapness and beauty
  5. 5. Fat Cat
  6. 6. If I could fly
  7. 7. Unfinished business
  8. 8. Julian
  9. 9. Wrong
  10. 10. Letter to a schoolfriend
  11. 11. The deal
  12. 12. Losing control
  13. 13. Same thing in reverse
  14. 14. II Adore
  15. 15. Bow down mister

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Boy George

Kaum eine New Wave-Band war so erfolgreich wie Culture Club. In den frühen 80er Jahren landeten sie mit ihrem leichten Pop-Soul mehrere Top-Ten-Hits …

Noch keine Kommentare