laut.de-Kritik

"Ich hab' Deutschrap kaputt gemacht!"

Review von

"Ich hab' Deutschrap kaputt gemacht." So und nicht anders eröffnet Bushido seinen persönlichen Beitrag Nummer Acht. Mit Reflektion oder gar Reue hat das allerdings rein gar nichts zu tun. Denn "Kaputtmachen" definiert in Gangsterrap-Deutschland schon seit längerem die Produktivität, die Qualität wird dabei am "Wie" gemessen. Doch hier erreicht der ehemalige Trendsetter schon seit geraumer Zeit nicht mehr die alte, selbst gelegte Messlatte. So tief wie diesmal allerdings ist er bisher noch nie darunter durchgerauscht. Dabei macht er auf den ersten Blick alles richtig:

In "4, 3, 2, 1" rechnet er frontal, offen und ausdrücklich mit seiner Aggro Berlin-Vergangenheit ab. Lange Zeit nach der Trennung hatten sich die beiden Lager nur selten beharkt, erst in der jüngeren Vergangenheit lag man sich wieder verstärkt in den Haaren. Nun kriegt der gesamte Aggro-Adel samt Obrigkeit sein Fett weg.

Angesichts der Tatsache, dass der Split eine kleine Ewigkeit zurückliegt und sowohl Bushido als auch das Aggro-Camp seitdem unabhängig voneinander große Erfolge feiern, bleibt einem nur die Vermutung, dass der gute alte Beef schlicht aus Mangel an guten Ideen herhalten muss. Hauptsache, die Internet-Foren, die einen Großteil der Käuferschicht, pardon: "Supporter" stellen, kochen wieder ein paar Wochen lang hoch. So gesehen bringt Bushido einmal mehr authentischen US-Style in deutsche Wohnsiedlungen.

Aber nicht nur mit dieser Nummer zielt er auf das "Label Nummer Eins". Vor allem Entertainment-Konkurrent Sido und sein ehemaliger Buddy Fler erfreuen sich zigfacher, unehrenhafter Erwähnung. Mehr noch: Selbst dem Ex-King Kool Savas bricht King Bushido einen Zacken aus der Krone. Soll wohl großspurig, waghalsig und battlemäßig rüberkommen, wirkt allerdings kleinkariert, kopflos und bettelarm.

Thema Rap-Skills: Es besteht kein Zweifel, dass er mit "Vom Bordstein Bis Zur Skyline" vor über fünf Jahren einen Deutschrap-Meilenstein abgeliefert hat. Es ist richtig, dass er sich dabei nicht unbedingt durch großartige Metaphern, geniale Wortspiele und einen komplexen Flow ausgezeichnet hat. Aber von seinen damaligen Stärken, als da wären Innovationskraft, Wortgewalt und Unterhaltungswert, ist Bushido fünf Alben später so weit entfernt wie der Nord- vom Südpol.

Und während im Vergleich "Electro Ghetto" noch das "Über-Album" war, bei dem es "überall Boom" gemacht hat, klingt "Heavy Metal Payback" nur noch nach redundantem Battle-Playback. "Gangster-Rap ist für mich langsam nur noch Freizeit." Oder anders ausgedrückt: Der frischgebackene Bestseller-Autor, Immobilien-Dealer, Ladenbesitzer, Schauspieler und Kerner-Gast hat offenbar nicht mehr viel übrig für sein ursprüngliches Tagesgeschäft.

Noch sehr viel langweiliger kann man sich selbst nicht reproduzieren. Allein das Wort "Ghetto" fällt wohl häufiger als auf allen Alben davor zusammen. Höchstens die Produktion betreffend bleibt er der alte Hardliner: Er lässt die Finger vom aktuellen Elektro-Pogo-Hype und droppt seine überwiegend schwermütigen Lines auf gewohnt melancholische, unspektakuläre Arrangements.

Kollegah nannte das mal recht treffend "den Sound für depressive Streetgangster". In anders gestrickten Tracks wie "Boomerang" und "Hai Life" vermisst man wiederum buchstäblich den Biss – sowohl in den Beats als auch in den Lyrics. Selbst die "Alphaville meets Karel Gott meets Bushido"-Nummer "Forever Young" klingt ob ihrer letztendlichen Unauffälligkeit verglichen mit dem Sensationsgehalt im Vorfeld wie ein lauwarmer, omaversöhnender Promo-Gag.

Auch die inzwischen obligatorisch gewordene Verarbeitung seines inneren Konflikts bezüglich der Damenwelt findet sich wieder ein: Ein kreativ betiteltes "Bonnie und Clyde", dargeboten vom Jackyll und Hyde des Frauenbilds ist es diesmal. Der Kredibilität wegen nicht fehlen darf dabei natürlich sein Herzschmerz-Abonnement Cassandra Steen. Der Berufs-Weiberverächter und Hobby-Minnesänger in Personalunion liefert sich in punkto emotionalem Tiefgang einmal mehr ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit einer Steuererklärung.

Den Motivationsgrund für derartiges Liedgut kann ich mir inzwischen nur noch wie folgt ausmalen: Kommt das wohl geratene, aber momentan leider pubertierende Kind mit der neuen Bushido-Platte unter dem Arm und der Hose in den Socken nach Hause, bricht bei den Erzeugern blanke Panik aus. Drogen! Gewalt! Sex!

Zur Umgehung der elterlichen Indizierung spielt der Sprössling dann einen für exakt diesen Moment produzierten Song wie "Jenny" vor. Mama und Papa atmen auf, schicken den Nachwuchs mit einem Klaps aufs Zimmer und attestieren ihm knöcheltiefen Liebeskummer. Damit restauriert Bushido zwar sein Gangster-Image auch nicht mehr, aber den Trickbetrüger, den kauf' ich ihm ab.

Der Titeltrack "Heavy Metal" hingegen dürfte auch altgediente Backpacker kurz aufhorchen lassen – sofern sie denn je in den Genuss kommen: Ich bin mir relativ sicher, dass Bushido weder Roey Marquis, noch der guten alten R.A.G. Payback-Punkte fürs Verwursten des "Eiszeit"-Instrumentals abgetreten hat. Für Fans des Originals ein profunder Schlag in den Nacken mit dem Baseballschläger der Profanität.

Vielleicht sollte sich Bushido endlich seiner Straßen-Fesseln entledigen, zu dem stehen, was er inzwischen ist, und seine Musik seinem Kontostand und Lifestyle anpassen. Gerne wieder so kompromisslos wie früher. Meinetwegen erfindet er dazu ein neues Genre.

Millionärs-Rap. Sakko-Rap. EureArmutKotztMichAn-Rap, mir egal. Nur bitte nicht mehr: Gangster-Rap. Schlaue Gangster sind nur Gangster, solange sie welche sein müssen. Nach acht Alben sollte daher eine Veränderung, wünschenswerterweise eine positive, erkennbar sein. "Storytelling" auf Diskografie-Distanz, sozusagen. Aber so?

Wirklich, und so schade ich das selbst finde: Es fällt schwer, auch nur ein einziges, wirkliches Highlight auf "Heavy Metal Payback" auszumachen. Besser, wenn man so will, als die Single-Auskopplung "Ching Ching" klingt nichts auf diesem Album. Schlechter wenigstens auch nicht.

Trackliste

  1. 1. Gangsta
  2. 2. Hunde, Die Bellen, Beißen Nicht
  3. 3. Paragraph 117
  4. 4. Die Träne Fällt (feat. Nyze)
  5. 5. Flug LH3516
  6. 6. Merk Dir Eins
  7. 7. 4, 3, 2, 1 (Vielen Dank Aggro Berlin)
  8. 8. Ching Ching
  9. 9. Heavy Metal (feat. Kay One)
  10. 10. Ich Hoffe Es Geht Dir Gut (feat. Bizzy Montana)
  11. 11. Bonnie Und Clyde (feat. Cassandra Steen)
  12. 12. Jenny
  13. 13. Hai Life
  14. 14. Es Kommt Wie Es Kommt
  15. 15. Für Immer Jung (feat. Karel Gott)
  16. 16. Rolling Stone
  17. 17. Boomerang
  18. 18. Mann Im Spiegel
  19. 19. Outro

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1449 Kommentare

  • Vor 11 Jahren

    Sodi
    da das eine ernsthafte Frage war, sollte klar sein, dass Du als möglicher Antwort-Geber eh ausscheidet. Dass Du am liebsten alle Frauen verschleiern und im dunkeln einsperren würdest ist eh jedem hier klar.
    Anwalt
    sehr richtig! Religion und Staat muss vollkommen getrennt sein.
    Baude
    Naja.. habe mal die ersten 200 Posts gelesen, so rühmlich war das nun auch nicht. Hurensohn und Co kann ja jeder von sich geben.
    Garret
    Allein dass Pocher auf dem Album ist macht es ebenbürtig mit Barth-Output und somit künstlerlisch nichtig.

  • Vor 11 Jahren

    @akademiker (« Sodi
    da das eine ernsthafte Frage war, sollte klar sein, dass Du als möglicher Antwort-Geber eh ausscheidet. Dass Du am liebsten alle Frauen verschleiern und im dunkeln einsperren würdest ist eh jedem hier klar. »):

    das ist ne ernsthafte antwort. ich halte schulsport für schwachsinn. sport macht nur dann sinn, wenn man es auch will, und nicht wenn man dazu gezwungen wird. des weiteren bin ich auch dafür das getrennt nach geschlechtern sport betrieben werden sollte. dies würde ich nicht religiös begründen, sondern eher mit den unterschiedlichen grundvoraussetzungen was die physis angeht

  • Vor 9 Jahren

    Nach dem Intro hab ich damals wirklich gedacht, dass mit diesem Orchester was stimmiges bei rumkommen kann. Aber nach dem guten Opener folgen eigentlich auch nur noch Phrasendrescherei, platte Stories und ganz schlimme Popsongs. Dazu legt der Bubu ne Attitude an den Tag, die faker ist als Sentence (yo!). Nach diesem Album hab ich ihm eigentlich kein Wort mehr gelaubt. Kalkulierter geht Gangsta-Rap doch gar nicht mehr. Dafür gibt es hier und da noch ein paar nette Beats, eben wegen dem angesprochenen Orchestöör. 1/5.