laut.de-Kritik

Der ideale Schlussakt für seine Karriere.

Review von

Was will Bushido noch erzählen? Unsummen von Geld hat er verdient und die eigene Legende geschrieben. Sein Jubiläum fällt jedoch erfrischend reflektiert und emotional aus. Ferner legt er eine Reife an den Tag, die man so bisher nicht kannte. Die Inszenierung als Galionsfigur des Rap ist nicht neu, aber wenn er Zeilen wie "Ich hauche dieser Szene ihre Seele ein" oder "Bushidos B kennt jedes Kind" rappt, kann man nur schwer widersprechen. Sein immenser Einfluss auf die Szene und die Jugend ist nicht zu leugnen. Gleichzeitig präsentiert er sich einen Hauch kryptischer als sonst: "Denn solange dieses Licht noch nicht erloschen ist, weiß ich, dass das letzte Wort dieser Geschichte noch nicht gesprochen ist."

Genau diese Gegensätzlichkeiten machen Bushido seit Jahren aus. Dass sie auf "Mythos" so hervorragend funktionieren, liegt vordergründig am Aufbau der Platte. Bei den Features setzt er auf Qualität statt Quantität. Nur auf vier von 15 Tracks dürfen sich Gäste verewigen. Zum Vergleich: Auf "Black Friday" waren es sechs Gäste auf vierzehn Songs. Seine Signings Samra und Capital Bra sind nach Shindy die ersten, die wirklich wieder zu ihm passen. Und Bushido schöpft daraus wiederum neue Kraft: "Samra und Capital hungrig wie Ramadan."

Ähnlich wie Shindy könnte Samra unter Bushidos Fittichen den nächsten Schritt gehen. Der Druck in seiner Stimme und die Power, mit der er auf "Hades" spittet, erinnern an eine jüngere Version Bushidos. Was solche Dinge betrifft, beweist Bushido meistens den richtigen Riecher. Die Ausnahme bildet das EGJ-Camp der letzten zwei Jahre, das einfach nur zusammengewürfelt wirkte. Capitals Style mag vielleicht nicht typisch Bushido sein, aber er passt besser zu ihm als M.O.030. Zum einen profitiert er von der bekannten Berliner Schnauze, zum anderen verkörpert er auch rein optisch dieses Straßen-Image um Längen besser.

Für eine kleine Überraschung sorgt das Feature mit dem seit 2009 quasi verschwundenen Akon, vom Track mit Rihanna mal abgesehen. Vor Jahren hätte diese Kombination vielleicht Maßstäbe gesetzt. Für 2018 ist sie einfach zu unspektakulär. Da machten die Arbeiten von Gringo feat. 6ix9ine oder Farid Bang und Capo feat. SCH & 6ix9ine mehr her.

Ganz stimmig sind die Gastbeiträge auf "Mythos" ohnehin nicht. "Für Euch Alle" und "Inshallah" klingen beispielsweise so, als wäre Bushido der Gast und nicht der Interpret. Die Formel lautet: Gesangs-Hook von Capital, sein Part, erneut die Hook, Bushidos Part, abschließende Hook. "Für Euch Alle" ergänzt diese Liste um einen Samra-Part und einen weiteren Refrain. Trotz des immergleichen Aufbaus beeindruckt etwa "Inshallah" mit seiner dichten Atmosphäre. Dennoch klingen sie eher nach Songs eines Capital-Albums.

Umso erfreulicher, dass Bushido auf "Stiche" seinen langjährigen Fans einen gelungenen Feelgood-Moment beschert, indem er den Flow von "Sonnenbank Flavour" (und "Osama Flow") auspackt und eine feine Reminiszenz an seinen Klassiker liefert. Der Storyteller in Überlänge findet sich auf "Mephisto", einer knapp zehnminütigen Abrechnung mit den Geistern seiner Vergangenheit. Von der Konzeption gleicht der Track - passend zum Titel - eher einem Drama (die Faust-Tragödie lässt grüßen) als einem Disstrack.

Ähnliche Insider-Einblicke wie beim Diss gegen Kay One sucht man vergebens. Keine Namen, keine Drohungen. "Dissen ohne Namen nennen, glaub' mir mal, sie wissen wer": Eine Entscheidung mit Stil, die man als Beleg für Bushidos Reife sehen kann.

Der Grund für Bushidos ausgeglichenere Art und Weise liegt auf der Hand: Seine Familie. Ob er nun erzählt, dass ihn seine Kinder die Welt aus ihren Augen sehen lassen ("Kein Ende"), Glück für einen Moment der Unendlichkeit erklärt ("Das Leben") oder seine Frau, seine Kinder und seine Goldene als das bezeichnet, was er immer haben wollte ("Zeit") - jede dieser Zeilen lassen erahnen, wie viel sie ihm bedeuten.

"Mythos" wäre der ideale Schlussakt für Bushidos Karriere. Er klingt befreiter und energiegeladener als auf sämtlichen Releases der letzten Jahre. Der gebürtige Bonner blüht im Spätherbst seiner Karriere nochmal richtig auf und stellt die Weichen gen Zukunft. Sollte er das Mikrofon eines Tages an den Nagel hängen, dürfte die Platte gemeinsam mit "Sonny Black" zu seinen besten zählen.

Trackliste

  1. 1. Zeit
  2. 2. Mythos
  3. 3. Est. 1998
  4. 4. Für Euch Alle (feat. Capital Bra & Samra)
  5. 5. Stiche
  6. 6. Skit
  7. 7. Hades (feat. Samra)
  8. 8. Geigenkoffer
  9. 9. Inshallah (feat. Capital Bra)
  10. 10. Hyänen
  11. 11. Das Leben
  12. 12. Graues Haar
  13. 13. Unsterblichkeit (feat. Akon)
  14. 14. Kein Ende
  15. 15. Mephisto

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24 Kommentare mit 320 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    endlich zockt er mal wieder richtig geile thrash riffs. 4/5 absolut verdient \m/

  • Vor 6 Jahren

    "Das war's noch nicht", wusste schon Steuermann Ulrich H. und auch Mr. Twitchikowsky Anis B Punkt wird den Mephisto tun, sich mit diesem Streich in die verdiente Fortnite-Rente zu begeben

    Auch wenn sich Deutschlands Qualitätsjournaille Numero Uno laut.de nun like a Merkel den Jubelperser nach Konstanz holt und die fetten 4 von 5 Ehrenpoints aus dem Rücken ledert und in die helal verzinkte Pfannenposse haut. Sozusagen ein spätes Bodensee-Echo fürs Lebenswerk

    Das Album ist gut, zweifellos, durchgehend besondere Atmosphäre trifft auf positiv gereiften Vortrag

    Nicht diese pseudoalibischmalztrief Medialeife einer "Rührseliger Maffay und der Bundestagspraktikant auf der einsamen Segeljacht"-Chose, auch keine wehmütigen Menstruationsanthems mit Kai 1 und J-Luv, keine "Ich schenke US5 Haarspray"-Witzchen

    Nö, eine durchaus brauchbarere Mischung mit dosierten Gewaltspitzen. Zurückgefahren, aber nicht das Gesicht oder Image verloren.

    Zugegeben, der Haudraufhumor aus den vergangenen Bissjahren nutzte sich dann doch schneller ab als Sitzflächen unter dem dicken Ali

    Überhaupt die Features, eine Wohltat hier nicht den unglaubwürdigen Pöbelstückchen des beleibten Cousins oder deplatzierten Modetippgähnern von Shindy lauschen zu müssen. Auch dieser komische Aprilscherz mit Suffstimme AK und diesem Laas ist Geschichte wie Schulfächer. Samra, faucht, beisst, spuckt und macht mehr Laune und frischen Alarm als die vergangenen 15 Signings zusammen. Capital bleibt der Coup und frech, schmuggelt er doch weiterhin seine eigenen Tracks mit kurzem Bu-Featurettes auf das Album.

    Die blumige Arafat-Abrechnung wartet trotz extrem stimmungsvoller Umsetzung etwas zu lange auf Knalleffekte oder Störfeuer. In 2 Minuten wäre, der sich ständig wiederholende Text auch thematisch knackiger abgefrühstückt.

    Nichts gegen 10 Minuten Songs generell, aber wenn der gleiche Satz 10 Mal umformuliert wird schießt es am Ziel vorbei. Außerdem hab ich diese "märchenhafte" Erzählstruktur nicht verstanden. Jeder, der mal nicht nur in ArabiSelfiefacebookgruppen oder der tz liest, wird von dieser dann doch einfachen Sprache relativ unbeeindruckt sein. David gegen Goliath verstehen zwar die dummen Bushidofans laut Aussage Bushido nicht, bei Gripskanacke MoTrip ist dann so ein Songtitel kein Problem mehr? Hat Trip nicht ganz hochoffiziell im Booklett verbrieft damals an AMYF mitgeschrieben? Mysteriös. Mythos.

    Sonst geht das alles klar, manche Songs sind gar zeitlos im Bu-Kosmos, erinnern an die Anfänge, die Ashraf-Erwähnung samt blechernd-schepperndem Soundbild und erstaunlich griffigen Akon cool und das Cover an sich eine schöne Hommage an VBbzS. Die grün-schwarze Glorifizierung hatten wir zwar schon letztes Jahr als feinen back-to-the-roots Zaunpfahlhammer, mit der neuerdings bereinigten Situation wirken die Xbox-Farben nun aber schlicht authentischer als beim letztjährigem Komödienstadl

  • Vor 6 Jahren

    Ungehört 1/5
    Ein Ehrenpunkt dafür, dass er jetzt dem Leweclan Kohle abdrückt statt ABC
    Macht unter'm Strich 2/5

  • Vor 6 Jahren

    War das schön, als es in hochfrequentierten Freds noch halbwegs um das Album an sich ging, statt um verbissenes Durchboxen deplatzierter Themenfelder, wo sich dann noch die allerletzten, nullinteressierten Genrefremden wie dieser Krypta-Acc zu Unwort melden

    Geht hier anscheinend auch gar nicht mehr anders, als in simplen Reviews die omnipräsente Politikbürste reinzubratzen, scheinheilige Gretchenfragen unterzujubeln, irgendwelche auf dem Album nicht stattfindenden Heinis pseudomoralisch zu featuren und so einen verhärteten Frontentalk zu führen, der alles sein will..aber nix konkretes ist

    Dafür könnte man ja die Künstlerseite nehmen, wenns denn nach 20 Jahren Bushido unbedingt noch sein muss, ständiges Wiederkäuen von Kitschklitscheebildern zu betreiben oder bis zur (Vorsicht bissig) völligen Vergasung dusselige, mit diesem Album und Rapper nicht zu vereinbare KZ-Sprüche von anderen Warten aufzuwärmen, die im schnelllebigen Geschäft längst entschuldigt und schlicht vergessen sind, aber hier sowieso nichts zu suchen haben

    Die ganze Konstellation mit der Arafat-Bushido-Clan? Achse und der Geschichte birgt doch eigentlich genug Gesprächsstoff, um das heikle Thema Bandenkriminalität in Deutschland aufzugreifen, aber nein..dazu müsste man das durchaus persönliche Album auch mal hören, undenkbar

    Da geht es ja gar nicht um Nahosthasspredigtgedöns, sondern um das Auseinandersetzen mit falschen Wegpunkten. Die ganze resultierende Thematik der Parallelgesellschaft, der Schattenmänner und der direkte Bezug auf den Alltag. Da könnte man auch seitenweise Worte runterrattern und hätte wenigstens noch den Kontext hergestellt

    Nein, zu viel Aufwand, lieber play safe.
    Das Album ist zwar sicherlich keines mit sonderlich hohem Replaywert, diese Diskussionen aber noch kurzlebiger

    Als schlichter Leser von "Deutschlands größtem Muzzik-Ezine", der sich- wenn nicht hier, wo dann - Meinungen zu einem durchaus prägnanten Release erhofft, würde ich mich hier schlicht verarscht vorkommen

  • Vor 6 Jahren

    Bushido - der beste German Rapper