laut.de-Kritik

Gefangen in der Gangsterrap-Zeitschleife.

Review von

Bushido ist omnipräsent in diesem zur Neige gehenden Jahr. Wenn sich Medien in voyeuristischer Manier an seiner Clan-Chronik erfreuen, ist es geboten, ebenso seinen künstlerischen Werdegang Revue passieren zu lassen. Mit dem musikalischen Monolithen "Vom Bordstein Bis Zur Skyline" tauchte er einst die städtische Schwermut in ein immerwährendes Grau. "Carlo Cokxxx Nutten" mit Fler wirkte vor diesem Hintergrund wie der Versuch, im Morast um Souveränität zu ringen. Das Schädlichste, was dieser Rap-Spielart widerfahren konnte, war ein übermäßiger kommerzieller Erfolg.

2004 war seine Geschichte im Grunde bereits auserzählt. Schon "Electro Ghetto" funktionierte über Verweise auf das übergroße Debüt, ohne jedoch nur einen Hauch von dessen Tristesse zu atmen. Mit "Staatsfeind Nr. 1" und den Hubschrauber-Verfolgungsjagden im "Endgegner"-Musikvideo kippte das Konzept gefährlich in Richtung Selbstparodie. Die Muster wiederholten sich Album um Album. Nun liegen die Anfänge 20 Jahre zurück, und als würden Zeiträume dank dem Corona-Würgegriff nicht ohnehin verschwimmen, schlägt mit "Sonny Black II" auch noch die Millennium-Nostalgie zu.

Selbstreferentiell wie wohl nie zuvor brettert der eloquente Interviewgast und zugleich selbsterklärte "Asi-Rapper" durch seine Verse. "Narben" kopiert die Substantiv-Assoziationsketten aus "Sonnenbank Flavour". "Nie Ein Rapper 3" greift nur minimalinvasiv in das Aushängeschild zu "Carlo Cokxxx Nutten II" ein. Und "H.M.P.2" bezieht sich auf das peitschende "Heavy Metal Payback" aus der "Aggro Ansage Nr. 2", nur dass ihm anstelle von Fler nun Saad und Animus zur Seite stehen. Seinen einstigen Kompagnon zerrt er dafür nach allen Regeln der üblen Nachrede durch den Dreck.

Penetrant wie vielleicht nie zuvor folgt Bushido einer ebenso ungesunden wie maßlos überzogenen Stammeseinordnung seiner Mitmenschen: "Ich fick' jeden, der nicht auf der richtigen Seite steht." Nun rotiert das Personentableau aber fortlaufend. Saad ist zum Beispiel ins Team zurückgekehrt. Dagegen hat er Fler zur Persona non grata erklärt. Unwürdiger als auf jedem Schulhof bläst dessen Mutter wahlweise "wie 'ne Schlampe" oder trinkt "Bukkake wie 'ne Club-Mate." Was soll das? An welche Zielgruppe richtet sich dieses kindische Kinkshaming durch einen Familienvater Anfang 40?

Neben Fler geht es immer wieder gegen Samra, Sinan-G, Chakuza und Bass Sultan Hengzt. Bushidos Angriffe erfolgen derart plump und unmotiviert, dass sich Verteidigungsreflexe regen. Ihm gelingt damit das Kunststück, dass die Hörerschaft selbst die toxischsten Personen in Schutz nehmen möchte. Das gilt gleich doppelt, wenn Medienvertreter seine Wut zu spüren bekommen. Vor allem Rooz beleidigt er auf ehrabschneidende Weise. Song um Song arbeitet sich der Rapper am Erscheinungsbild und den Erkrankungen des Twitchers ab. Jedes Zitat verbietet sich an dieser Stelle.

Generell stoßen ihm Medien sauer auf. Als hätte er nicht eben noch bei Stern TV und Spiegel TV, Günther Jauch und Kurt Krömer gesessen, rotzt er in "Magazin Für Magazine" ins Mikro: "Setz' ein’ Riesenhaufen Scheiße auf die ganze Presse." Bushido tanzt auf dem Grab von VIVA, reimt "Juice-Magazin" auf "Hurensohn-Team" und macht Visa Vie verächtlich. Selbst Falk qualifiziert er nach dem jüngsten Gespräch ab. Vergleichsweise moderate Worte findet er hingegen für das vorliegende Medium: "laut.de schreibt schon wieder krasse Reviews. Und alle ihre acht Leser stimmen ihn' zu."

Anerkennende Worte äußert er nur über einen Verlag: "Anis ist der Größte aller Zeiten. Nenn mich Axel Springer." Dem hauseigenen Sender gewährte der Rapper vor einigen Wochen einen "unzensierten Einblick ins Privatleben". Seiner in den letzten Monaten um drei weitere Mitglieder erweiterten Familie widmet er dann auch eine eigene Hymne auf dem Album. Zum überzuckerten Instrumental rücken plötzlich kommerzielle Erfolge in den Hintergrund: "Mein Gangsterrapper-Image bundesweit so legendär, doch neben euch ist diese ganze Scheiße sekundär."

So rührselig er "Familie" auch in Szene setzt, eröffnet es doch eine vertretbare Möglichkeit für zukünftige Bushido-Alben. Bei "Menschen, Bilder, Emotionen" sprach der Rapper von der "Kunstfigur Bushido", die den "Leuten schlimme Wörter an den Kopf wirft" und wie "eine Art Faschingskostüm im Schrank hängt". Während diese antiquierte Rolle in einer Gangsterrap-Zeitschleife gefangen ist, phantasiert sie sich selbst im "Outro" zum Trendsetter. Es ist längst überfällig, die Verkleidung aus dem Schrank zu nehmen und auf den Dachboden zu bringen. Einfach einmotten und vergessen.

Trackliste

  1. 1. Assassin
  2. 2. Giftgrünes B
  3. 3. Back To The Roots
  4. 4. Ghetto Arroganz
  5. 5. Magazin Für Magazine
  6. 6. H.M.P.2 (mit Saad und Animus)
  7. 7. Narben
  8. 8. Ghettofaust 2
  9. 9. Tote Fische
  10. 10. Sonny Brasco
  11. 11. 90er Berlin
  12. 12. Nie Ein Rapper 3 (mit Saad)
  13. 13. MPC Aus Gold
  14. 14. Untouched
  15. 15. Familie (mit Aaliyah)
  16. 16. Outro

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25 Kommentare mit 40 Antworten

  • Vor 2 Jahren

    Einige Verständnisfragen:
    - Was ist denn "Kinkshaming"? (Ich möchte das nicht googlen.) Ich finde im Übrigen an dieser Stelle den Vergleich sehr schwach. Die Line mit der Club Mate legt ja nahe, dass man Club Mate auf eine besondere Art und Weise trinkt, ansonsten hätte der Vergleich auch auf ein beliebiges koffein- und zuckerhaltiges Erfrischungsgetränk hinauslaufen können (im Grunde auf jeder Art von Getränk).
    - Inwiefern sind bzw. was zeichnet Samra, Sinan-G, Chakuza und Bass Sultan Hengzt als "toxischste Personen" aus?
    - Was ist denn an Rooz ein "Twitcher"? Als anglophiler Zeitgenosse habe ich mal nachgeschlagen: Im britischen Englisch bezeichnet das Substantiv umgangssprachlich einen "manischen Vogelbeobachter". Vielleicht ist aber auch das Verb "to twitch" (zucken) gemeint, falls das Rooz' Krankheitsbild entspricht. (Woran leidet er denn? Sind es unkontrollierte Muskelzuckungen?)

    • Vor 2 Jahren

      wie Boomer-"lustig" kann ne Antwort sein

    • Vor 2 Jahren

      Wie bitte? Mit Verlaub, meine Fragen sind ernster Natur.
      Nachtrag: Wenn etwas toxisch ist, dann ist es der Zucker in der Club Mate.

    • Vor 2 Jahren

      kinkshaming: Wenn du etwas besonders geschlechtlich anziehend findest und dafür gedisst wirst.

      "Bukkake wie 'ne Club-Mate." Müsste wohl auch eher "trinkt / schluckt / trichtert etc. BEIM Bukkake als hätte sie ne Club-Mate" heißen, damit es Sinn macht? Man weiß ja was er meint, da diese Line aber von einem Freund japanischer Begriffe kommt, erwartet man da natürlich mehr Sorgfalt.

    • Vor 2 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 2 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 2 Jahren

      In der Tat. Allein aufgrund seiner namentlichen Anlehnung an das Land der aufgehenden Sonne sollte dieser Künstler doch etwas achtsamer sein.

      Zum Kinkshaming: Ist das nicht einfach der Umstand, dass man etwas von der Norm Abweichendes als solches klar benennt?

    • Vor 2 Jahren

      *abwertend klar benennt, wenn dann.

      Und zur anderen Frage, was macht Rooz auf Twitch? Weiss niemand. Das einzige was man von dem kennen muss ist das Arafat-Interview. Als Einschlafhilfe.

    • Vor 2 Jahren

      Vielleicht ist das auch kein Kinkshaming seitens Bushido, sondern vielmehr empowernd gemeint. Denn wenn man etwas derart tut wie das nun wirklich nicht ungewöhnliche Trinken eines Erfrischungsgetränks, dann kann das ja wohl kaum abwertend gemeint sein.

  • Vor 2 Jahren

    Eigentlich ein überraschend gutes Album finde ich. Ist halt ne Kunstfigur wie, spoiler, fasst alle Rapper und wenn man das versteht sind schon einige sehr eingängige oldschoolige Banger auf dem Album. Rezension ist wie erwartet negativ, da es ja so sein muss.

    • Vor 2 Jahren

      Wenn Bushido als Kunstfigur eine gewisse Narrenfreiheit gewinnen will, ergo das keine seiner Aussagen je kritisiert werden, müsste er auch zugeben, dass er nur ein Narr ist. Bis dahin nehmen wir einen Großteil der Aussagen auch selektiv ernst.

    • Vor 2 Jahren

      @BetMidler dass es so sein "muss" widerlegen seine beiden letzten Soloalben (Mythos und Black Friday) die mit 4 und 3 Sternen rezensiert wurden.
      Vielleicht ist das auch einfach ein 2 Sterne Album, Kunstfigur hin oder her.

  • Vor 2 Jahren

    Bushido wiederspricht sich selbst leider zu oft weshalb es schwer fällt ihm zu glauben. Da ändert auch seine Doku, die ja nur seine Sicht der Dinge zeigt nichts. Schon krass was der Name Bushido mal für ein Standing hatte und gar unantastbar war aber es dennoch in so kurzer Zeit geschafft hat seine gesamte Karriere zu zerstören und zu zeigen was für ein Clown er eigentlich ist. Würde Nichts von der Hintergrundgeschichte je an die Öffentlichkeit geraten sein, würde er sein Gangster-Image auch heute immernoch als Real verkaufen. Bushido legt sich immer alles so zu Recht wie ers braucht und fängt erst dann Fehler einzusehen wenn der Druck zu groß wird. Einfach ein Manipultaiver Untermensch in meinen Augen. Das Album ist auch übertrieben wack. Sehr holprige Flows und die lines kommen einfach nicht rüber. Teilweise sogar so schlecht dass man denken könnte dass er wieder selbst schreibt. Zb. „Angstschweiß auf Frank Weiss" -.- Klingt echt hart danach als hätte er dass Album schnell in nem Monat aufgenommen um schnell Geld zu machen. Was er ja tatsächlich auch hat! Der Song Assassine und 2 weitere Tracks waren nämlich ursprünglich Saad Songs aus dem Jahr 2019 die er jetzt für seine Zwecke entfremdet hat. Es exestierten sogar damals Demos bei YouTube bei denen jetzt probiert alles zu löschen damit es ja keinem auffällt. Komplett unmotiviertes Müll-Album und nicht mehr als ein billiger Cash Grab. Bushido soll sich endlich zu Ruhe setzen und einsehen dass sein Lügenimperium zerbrochen ist. Das künstliche Aufrechterhalten hilft ja auch nur mäßig.
    1/5

    • Vor 2 Jahren

      Warum sollte man ihm das alles glauben? Ich glaub jeder über 14 weiß, dass Rapper Kunstfiguren sind und nicht das tun, was sie sagen. Keine Ahnung wer dir in die Suppe gespuckt hat, aber du hegst wohl generell groll. Ist doch nur Mukke um seine Fans zu befriedigen.

    • Vor 2 Jahren

      Mag sein aber dann scheint ihm ja nicht viel an seinen Fans zu liegen. Aber kein Wunder wenn die sich auch mit diesem Müll-Album zufrieden geben. Dem sind seine Fans doch scheißegal, Hauptsache das Geld kommt. Ist ja auch nichts neues