laut.de-Kritik
Zu hypnotisierenden Streichern weht ein sanftes Background-Summen.
Review von Andrea TopinkaVor rund vier Jahren landete Christopher Duncan mit einem orchestralen Stück beim PLUG New Music Festival des Royal Conservatoire Of Scotland, seiner Alma Mater. Vor ein paar Wochen lieh er als C Duncan dem UK-Produzenten Ambassadeurs seine Stimme. Letzteren kürte unter anderem Vice kürzlich zum neuen Jamie XX. Zwischen klassischen Kompositionen und einer Kollaboration mit dem neuesten Szene-Hype liegen Welten, könnte man meinen – bis man in das Debüt "Architect" eintaucht. Dort gibt es keine Grenzen zwischen Klassik- und Pop-Elementen mehr.
Als hätte er nie etwas anderes gemacht, verbindet der Songwriter verträumten Pop, gelassenen Folk, einen Hauch Rock und Elektronik mit Chorgesängen. Die Songs greifen in einem ununterbrochenen Fluss ineinander, obwohl sie in einjähriger Tüftel- und Schichtarbeit im Schlafzimmer entstanden sind. Denn der Multiinstrumentalist spielte jedes Instrument selbst ein, sang für die choralen Passagen die Vocals und schob für das perfekte Timing Themen und Harmonien hin und her. Das Resultat hat viel mit einem zentralen Motiv des Albums, dem Meer, gemein: Es treibt vor sich hin, ist unergründlich, angenehm schaurig und vor allem faszinierend.
Mit dem Opener "Say" entfesselt der Glasgower seinen Bann: Zu hypnotisierendem Klatschen und Streichern weht ein sanftes Background-Summen, während sich der Protagonist nach Erlösung sehnt. Der Titeltrack "Architect" schließt sich direkt an, wirkt mit "Lalala", tänzelndem Piano und Klackern aber gleich losgelöster. Passend dazu haucht Duncan optimistische Lyrics wie "I'll take the plans this time and I'll take control / It's all right now". Nur um im nächsten Moment ("Silence And Air") wieder verloren durch das Leben zu driften: "How can we follow silence and air? How can we follow if there’s nothing there?". Flamenco-artige Percussions und atmosphärische Chorbegleitung unterstreichen die Unschlüssigkeit.
Wie der Beginn der Platte wechselt "Architect" im weiteren Verlauf zwischen düsteren Stücken ("New Water") und Wohlbefinden, das C Duncan in "For" z. B. zum Pfeifen veranlasst. Das Auf und Ab funktioniert. Der studierte Komponist hat ein Gespür für Übergänge. Darüber hinaus verzichtet er lyrisch größtenteils auf plakative Gefühlsbekundungen und streut eher Hinweise auf Liebe, Sehnsüchte und Zukunftspläne. Das verpackt die Standard-Coming-Of-Age-Themen geschickt und setzt sie in einen zeitlosen Rahmen.
Bedeutender als der Inhalt der Vocals ist für die Platte aber das harmonische Zusammenspiel der Stimmen. Hinter dem Zauber von "He Believes in Miracles" steckt neben Xylofon und schnell angeschlagener Gitarre der Dialog zwischen Solo- und Chor-Duncan. Den Schmerz der ächzenden Streicher in "Novices" vollendet der Hall auf Zeilen wie "And since they came an broke my heart, I feel it too".
"Architect" hat viele Facetten, die man in den Schichten der Songs erst nach und nach entdeckt, wenn man sich damit auseinandersetzen möchte. Denn C Duncan hat der Vielfalt zum Trotz eine Platte gemacht, bei der die Brüche nicht für Unruhe sorgen. Selbst wenn er in "Garden" Ausflüge in verschwurbelten Gitarrenrock unternimmt oder sich mit einer Akustik-Nummer über Glasgows winterliche Tristesse verabschiedet ("I'll Be Gone By Winter"), hindert es seine Hörer nicht daran, in der eigenen Gedankenwelt zu versinken. Seine Songs drängen sich nicht in den Vordergrund.
Möchte man jetzt Referenzen bemühen, liegen die Fleet Foxes mit ihren entrückten Chorpassagen nahe oder Sufjan Stevens, der C Duncan in Sachen Komplexität um ein paar Längen schlägt. Noch. Denn auch wenn "Architect" eigentlich keine Wünsche offen lässt, steht der 26-Jährige gerade am Anfang und arbeitet im Kopf dauernd auf das nächste Projekt hin, wie er im Interview mit laut.de hat durchscheinen lassen. Egal, ob er dann mit Orchester oder Akustikgitarre am Start ist, spannend wird das nach diesem famosen Auftakt sicherlich.
2 Kommentare mit 2 Antworten
Mal wieder eine super Rezi, Andrea. Hast du echt toll geschrieben.
Die Cover Idee hat er von "Modest Mouse" letzten Album Stranger to Ouerselves geklaut. Ist es deshalb Album der Woche?
Das Cover von Modest Mouse sieht komplett anders aus... Und wie kommt man überhaupt auf die Idee, dass das Cover eine Rolle bei der Wahl zur Platte der Woche spielt??
Wahrscheinlich zu lange in der prallen Sonne gelegen.