laut.de-Kritik
Gutbürgerliche Jazz-Kost an einem Blues-Jus.
Review von Kai Kopp"'Glamoured' ist ein gälisches Wort, das so viel wie 'fortgehuscht sein' bedeutet. Es ist dieser Zustand wie in einem Tagraum, diese Sekundenbruchteile, wenn du wie versteinert bist, deine Augen sich nicht bewegen und du dich wieder wachrütteln musst. Das Album fängt die Stimmung dieser Träumerei ein.“
Nouvelle Cuisine-Arrangements, dominiert von akustischer Laszivität prägen den Gesamteindruck von Cassandra Wilsons Neuer. In der ihr vertrauten Terrine aus Jazz, Blues und Country vermengt sie zwölf Songs aus eigenem und fremdem Anbau. Als appetitanregendes Hors d'oeuvre verwandelt die Tagträumerin Stings "Fragile" in ein smoothes Bossa-Antipasto.
In der schwülen Mississippi-Hitze, in der schon ihr letztes Album "Belly Of The Sun" brütete, kocht Frau Wilson auch auf "Glamoured", obwohl ein kräftiges rhythmisches Chili hin und wieder die träge Gelassenheit aufschreckt. "Das ist definitiv ein Drummer-Song" erläutert sie das nervöse "I Want More"-Gewürz .
Aber Cassandra Wilson weiß um ihre Stärken und spart nicht mit niedrigen Metronomzahlen, bei denen die Wärme ihrer sonoren Stimme eine Intimität erzeugt, von der sich ihre Lieder bestens ernähren. In diese Kategorie fallen neben zahlreichen Eigenkompositionen auch der Bob Dylan-Klassiker "Lay Lady Lay" und der Muddy Waters-Song "Honey Bee".
Trotzdem nährt "Glamoured" die Hörerohren nicht mit akustischem Verwöhnfutter. Gemessen an einer etablierten Künstlerin, die der Welt schon exzellente Kostbarkeiten servierte, stellt "Glamoured" lediglich solide Hausmannskost auf den Servierwagen. Gutbürgerlicher Jazz an einem Blues-Jus sozusagen, garniert mit Bossa-Nova-Gewürzen. Manch einen macht ein Album voller Tagträume satt. Mir persönlich ist es etwas zu fad, zu entrückt, bis auf Ausnahmen, zu ungreifbar. Glamoured eben, verhuscht.
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