laut.de-Kritik
Am Ende bleibt ein dicker Kloß im Hals.
Review von Sven KabelitzCharles Bradley hätte uns seine Kontoauszüge vorsingen können, es wäre immer noch ergreifend gewesen. Leider verstummte seine Stimme am 23. September 2017 und er folgte seiner ein Jahr zuvor verstorbenen Kollegin Sharon Jones in die ewigen Soulgründe. Gemeinsam hinterlassen sie eine gewaltige Lücke. Mit "Black Velvet" verabschieden sich Daptone Records nun vom "Screaming Eagle Of Soul" und einem weiterem ihrer Aushängeschilder.
Dabei handelt es sich nicht etwa um ein letztes Album, an dem Bradley vor seinem Tode arbeitete, sondern um eine Compilation aus bei den Aufnahmen zu seinen drei Longplayern übrig gebliebenen Stücken und bereits bekannten Songs. Das kraftvolle Nirvana-Cover "Stay Away" stammt zum Beispiel vom Tribute-Sampler "Newermind: A Tribute Album". Es ergänzte bereits kurz nach der Veröffentlichung die Neuauflagen des Debüts "No Time For Dreaming". Auch "Heart Of Gold", im Original von Neil Young, fand später seinen Weg auf den ersten Longplayer. Beide Songs gehören zu den stärksten auf "Black Velvet".
Sie verdeutlichen aber auch das Problem, denn der Rest kann dem Songwriting dieser Tracks nicht das Wasser reichen. Wie sollten sie auch, wurden sie doch einst für die regulären Platten bewusst ausgemustert. "Black Velvet" dient daher maximal als gelungene Ergänzung und letzter Blick auf eine viel zu kurze Karriere. Vor dem Kauf sollte man allerdings zu "No Time For Dreaming", "Victim Of Love" und "Changes" greifen.
Wie sehr der Sänger fehlt, verdeutlicht der Titeltrack "Black Velvet". Ein bereits vollendetes Instrumental, das Bradley nicht mehr einsingen konnte. Trotzdem denkt man, ihn zu hören, erahnt man, wie viel Seele er in dieses Lied gelegt hätte. Doch an seiner Stelle steht nun beklemmende Leere.
Während mit "I Feel A Change" ein bewegender Schmachtfetzen gelingt und das mit LaRose Jackson gesungene "Luv Jones" tadellos grooved, zählt "Fly Little Girl" wohl zu Bradleys beliebigsten Stücken. Das relaxte "(I Hope You Find) The Good Life" erschien als 12" zum Record Store Day 2014 und sticht aufgrund seines psychedelischen Gewandes heraus.
Von derselben EP stammt die Bandversion von "Victim Of Love (Electric Version)", das er auf seinem zweiten Album nur zur akustischen Gitarre sang. Bradley schreit, gibt zu den abgeänderten Lyrics alles und endet mit den Worten: "They're gonna take me to my grave / But baby, I'm gonna keep on loving you." Dann bleibt nur noch Stille und ein dicker Kloß im Hals.
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