laut.de-Kritik
Ist das ihr Doom Metal-Album? Ja und nein!
Review von Sven KabelitzNimm den ersten Eindruck nie für die ganze Wahrheit. Dieser würde dazu verleiten, Chelsea Wolfes "Hiss Spun" als ihr Doom Metal-Album zu bezeichnen. Doch läge man mit dieser Beschreibung ebenso richtig wie komplett daneben.
Nach einer kurzen Feedback-Einleitung in "Spun", springt einem diese Veränderung jedoch am deutlichsten an. Das fünfte Album geht den auf "Abyss" mit "Iron Moon" eingeleiteten Weg konsequent weiter. So gallig und angriffslustig wie hier klang die Sängerin noch nie. Die Dunkelheit, der Schmerz, die Trauer und die Verzweiflung sollen ruhig kommen. Chelsea Wolfe behält trotzig die Oberhand und kämpft, schreit, beißt und faucht euch nieder. Ihr mögt ein wichtiger Teil von ihr sein, aber niemals die vollständige Oberhand gewinnen.
Doch "Hiss Spun" stellt keinen Bruch, sondern die logische Fortsetzung ihrer Entwicklung dar. Wolfe erfindet sich nicht neu, steht aber auch nicht still. Viel mehr findet sie einen perfekten fließenden Übergang zwischen ihrem bisherigen Output und ihrem Jetzt, bezieht ihre eigene Vergangenheit immer wieder ein. Sie dreht an den richtigen Rädern, um ihre Mischung aus dunklem Rock, Metal, Doom Folk, Drone und Elektronik weiter zu vervollkommnen. All die bisher von ihr existierenden Variationen finden auch hier statt und verbinden sich zu einer. Nur dreht sie diesmal die Lautstärke bis an die Schmerzgrenze auf. So verweigert sie sich weiterhin jedem Anflug von Langweile und jeglicher Schubladisierung.
Erstmals beteiligt sich die Singer/Songwriterin nicht an der Produktion ihres Albums. Diese übernimmt Converge-Gitarrist Kurt Ballou. Zudem verstärken der Queens Of The Stone Age-Gitarrist Troy Van Leeuwen ("16 Psyche", "Vex") und Aaron Turners (Isis, Old Man Gloom, Lotus Eaters) in "Vex" den drastischen Einstieg in den Longplayer. Nach einem geordneten Beginn entzündet sich der bedrohliche Song mehr und mehr, bis er mit Turners brutalem Einstieg komplett in Flammen steht. Seine dämonischen Growls ringen gegen Wolfes gespenstisch entrückte Stimme. Beide bilden die dämonische Reflektion ihres Gegenübers. "We'll fight with claws and teeth."
Den wirklich einschneidenen Unterschied zu "Abyss" stellt jedoch Schlagzeugerin Jess Gowrie dar, die nun mit Bryan Tulao (Gitarre) und Wolfes treuer Geheimwaffe Ben Chisholm (Bass, Klavier, Synthesizer und Klangkollagen) die Band bildet. Wolfe bezieht die alte Weggefährtin, mit der sie bereits vor "The Grime And The Glow" zusammenarbeitete, gleich in das Songwriting ein. Ihre harten, voranschleppenden Rhythmen bestimmen die markante Atmosphäre. Sie macht den entscheidenden Unterschied zu den bisherigen Alben aus, verleiht "Hiss Spun" Seele und Leben.
Thematisch steht die überall zunehmend um sich greifende Endzeitstimmung im Mittelpunkt. Naturkatastrophen, Staatsführer drohen sich täglich mit Atomwaffen, die Rechtspopulisten erheben sich, Religion dient als Begründung für Ausgrenzung und Mord. "Man wird ständig mit schlechten Nachrichten bombardiert. Menschen werden kaputtgemacht oder aus beschissenen oder überhaupt keinen Gründen getötet. Es scheint, als stünde die Welt schon seit Monaten in Tränen und dann erinnerst du dich, dass die Welt schon seit langer Zeit am Arsch ist. Sie ist seit Anbeginn am Arsch. Das ist überwältigend und ich muss darüber schreiben."
All dies verbinden vier die Songs durchziehende Wörter, die Wolfe in "Welt" wie ein Mantra in Dauerschleife wiederholt: "Flux / Hiss / Welt / Groan." "Der Klang dieser Wörter hatte es mir einfach angetan", erklärt sie im Intro-Interview. "'Flux' steht für Bewegung, 'hiss' steht für Lebenskraft, 'welt' steht für Dunkelheit und Verletzung, 'groan' ist zugleich sinnlich und tödlich."
Der Refrain der lärmverhangenen Vorabsingle "16 Psyche", wohl das eingängigste Stück des Longplayers, setzt sich langfristig fest. Eine riffbeladene Mischung aus den langsamen, bebenden Metal-Spielarten, gekrönt von Van Leeuwens sich langsam aus dem Hinterhalt anschleichenden Gitarrensolo. "I feel it crawl up my legs / Let me wrap you up in these thighs / It gets me out of my head again."
Doch "Hiss Spun" verfügt neben Lärm und Gewalt auch über einen ganz anderen, ruhigeren Part, in der sich Wolfes düstere Folk-Seite manifestiert. Dann ist sie wieder ganz die Künstlerin von "The Grim And The Glow" oder "Pain Is Beauty". Im mitternächtlichen "Two Spirit" begleitet sie über weite Strecken nur eine akustische Gitarre, bis grollende Percussions und eine elektrische Gitarre die klaustrophobische Stimmung des Stücks vollenden. Im elektronischen "Offering" singt sie aus der Perspektive des verschmutzten Saltonsees. "You and I, you a lesson / But never offered it to me / Human life gone wild / It was not enough for me."
In den stärksten Tracks "The Culling" und "Twin Fawn" verbinden sich schließlich die beiden "Hiss Spun"-Gesichter zu einem einzigen. Hier treffen flüsternde Ruhe und aufwühlende Gewalt aufeinander. Ehrfurchtgebietende Songs, in denen tiefe Bass-Einschläge, gezielte Feedback-Stiche, unheilverkündende Gitarrenwände und Gowries brutales Schlagzeugspiel die zuvor zaghaft aufgebaute Atmosphäre durchstoßen. In diesem Moment wird aus Chelsea Wolfes Stimme ein "Hiss Spun" durchziehender Schmerz, wird sie selbst zu der Finsternis, in die sie so lange blickte. "You cut me open / You lived inside / You kill the wonder/ Nowhere to hide."
12 Kommentare mit 21 Antworten
Auf Kabelwitz ist Verlass!
Teilweise gehört: 5/5.
Was soll das eigentlich immer? Mein Name ist Sven Kabelblitz. Oder Jens Kabelwurz. Freunde nennen mich auch mal Kabeljau, Kablonski oder Kabelwitz. Aber niemals, niemals Butterweck! Damit wäre das hier auch mal geklärt.
Nimm's locker. Zumindest wurdest Du noch nie Edele genannt.
Ansonsten wäre Kabelblitz eine sehr coole Verunglimpfhudelei. Und das sage ich als jemand, der im wahren Leben nur knapp am Jörns vorbeigeschrammt ist.
Ein ganz schöner Schelm, unser Triggermaster Kabelwurz!
Noch gute 6 Stunden, bevor ich nach Hause komme und den ersten Durchlauf genießen kann, aber wie ich der Rezessension und den Eindrücken der üblichen Verdächtigen bereits entnehmen kann, wird das Albung hinsichtlich AOTY wohl ne ziemlich sichere Bank. Hach, ich freu mich!
Vergiss dabei aber nicht, dass die Meinung eines passionierten Lady Gaga-Konzertbesuchers in dieser Sache nicht das winzigste Quäntchen Relevanz hat.
Wie an anderer Stelle bemerkt: Mit ner 2/5 hättest du dich nur selber weiter diskreditiert. Allein das Vorabmaterial drückt die Platte doch auf mindestens 3/5, selbst, wenn da sonst nur noch Filler drauf wären.
Von mir selbst weiß ich ja schließlich, dass ich absolut geschmackssicher bin, den Beweis bleibst du nach Aktionen wie dem Cyrus-Gate oder der Gaga-Huldigung weiterhin schuldig. Nichtsdestotrotz: In der aktuellen Angelegenheit zumindest wusstest du dich passabel zu retten
cyrus bewertung und gaga-huldigung haben sich ja als berechtigt herausgestellt.
und die "gehört 2/5" habe ich gleich unter "trollerei" abgelegt. da wollte er doch nur stänkern.
was sagt denn doc souli nun nach den ersten durchgängen?
Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.
den beweis, ein maximalidiot zu sein, hattest du schon vorher erbracht. das hier war unnötig.
"cyrus bewertung und gaga-huldigung haben sich ja als berechtigt herausgestellt."
Kann ich dir so eigentlich nicht wirklich durchgehen lassen, @Para, derzeit setze ich noch drauf, dass auch ehemals euphorische Kritiker mit Hang zu Ehrlichkeit hinsichtlich besagter Werke in absehbarer Zeit nur noch von "zaghaften Ausreißern mit Tendenz zu kurzfristig gesteigerter Erträglichkeit im Vergleich zum Gesamtwerk" sprechen werden.
"Hiss Spun" ist indes so ziemlich alles geworden, was ich mir davon erhofft habe bzw. durch die reduzierten und akustischen Tupfer sogar noch ne Lage oder zwei mehr. Lieblingstracks sind aktuell alle, die es noch nicht bei Youtube vorab zu hören gab - wobei ich das vermutlich in den letzten Wochen aus Respekt vor dem von ihr gewählten VÖ-Datum des Gesamtwerks wohl etwas überstrapaziert habe (sofern das in so kurzer Zeit bei so hochkarätigem Material möglich ist, ). Tatsächlich gehen mir analog zu Sven die stark kontrastierten "The Culling" und "Twin Fawn" aktuell am besten rein, aber das ändert sich aktuell noch mit jedem Durchlauf (also, es verschiebt sich um Nanometer ).
Endlich mal ein Hypetrain, bei dem sich die Mitfahrt zur Überraschung der Fahrgäste amortisiert, sondern darüber hinaus sogar einen nachhaltigen Mehrwert zu bringen scheint.
@Scientologe
Ich nehme an, du spielst die Manback-Karte aus denselben Gründen wie er selbst vormals - da du inzwischen wohl heftig provozieren musst, um überhaupt noch Reaktionen auf deinen ansonsten völlig substanzlosen Wortbrei zu bekommen. Glückwunsch, mit ihm bist du nun - gemessen an deinem allgemeinen hier gezeigten Niveau - in der für dich besten Gesellschaft.
*nicht nur amortisiert
Danke tu mein bestes!
Particle Flux ist so großartig.
Zzt. bin ich aber bei Offering am weitesten entrückt. das finde ich unglaublich einnehmend. das wabernd trabende klangbild mit einer leichten lasziven, ein wenig an lana del rey erinnernden stimme könnte ich mir den ganzen tag anhören.
eigentlich gar nicht so meine adresse, aber das ding läßt einen fast schon den herbst in all seinen trübseligen facetten herbeisehnen. 4/5.
Stimme zu, hat sie gut gemacht. 4,5/5 ist drin.
1/5 wegen Metal
*His mit einem s, bitte korrigieren.
Haha...