laut.de-Kritik
Ein Disco-Flirt in Kreuzberg läutet das Comeback ein.
Review von Michael SchuhUnglaubliche 14 Jahre existiert die Bristoler Indie-Popband nun schon. In den ersten acht Jahren beschränkte sich der Output allerdings auf ein paar Singles und eine EP, erst mit "Lick Your Ticket" erfuhr der Fünfer 2005 zu Recht mächtig Rückenwind. Auch schon wieder sechs Jahre her.
Der 2007er Nachfolger "Brace, Brace" wurde vom Kollegen Kraus zwar wohlwollend aufgenommen, im Rückblick fehlte dem Album aber doch der finale Kick des Vorgängers. Außer an "You Said" erinnert man sich heute praktisch an keinen Song mehr.
Vielleicht geht es der Band genau so, jedenfalls darf ihre Entscheidung, den einstmals so wichtigen Orgelsound auf "Bitten" wieder prominenter ins Soundbild zu rücken, nur begrüßt werden. Aushängeschild des Dance-Express' bleibt Rupert Brownes äußerst variables Organ, das man tatsächlich vermisst hat.
Umso schöner, wenn seine Band Songs präsentiert wie "Catch Up", die den ganzen Space-Wahnsinn des Debüts in Erinnerung ruft. Die Melange von Power-Disco und 60s-Retro Rock, die schlauen Breaks zum Spannungsaufbau, der schiebende Refrain: Die Bristoler haben es immer noch drauf.
Mittlerweile von Bristol über London bis nach Berlin wohnhaft, einigte man sich auf die deutsche Hauptstadt für die Albumaufnahme. Schließlich besitzt Gitarrist Ed East dort praktischerweise ein Studio. Dass sich Sänger Browne da zumindest im Nachtleben bestens auskennt, verrät er in der augenzwinkernden Single "Bitte Bitte", in der er einen Disco-Flirt in Kreuzberg preis gibt und sogar den deutschen Songtitel akzentfrei hinkriegt.
Die beste Single ihrer Karriere ist es sicher nicht geworden und ob es die arg kitschigen Streicher gebraucht hätte, sei auch mal dahingestellt. Nach wie vor klingen Chikinki immer dann am besten, wenn die Orgel kräftig und möglichst wirr durch die Songstruktur leiert ("When We Land"). Tut sie dies mal nicht, verfangen sich die Bristoler in der eigentlich längst geschlossenen Britpop-Schublade ("All For One", "Deadhead").
Indes belegen die charmanten Psychedelic-Electro-Balladen "Into The Night" und "Tram Love", dass Browne und Co. auch nach 14 Jahren durchaus noch für Überraschungen gut sind. Das Raubtier beißt wieder zu, wie die Band mit dem Cover wohl andeuten will. Auf den Livebühnen der Republik in jedem Fall.
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