laut.de-Kritik
Der große Schwerenöter brennt noch immer.
Review von Markus BrandstetterDa sitzt einfach alles: der Scheitel, die Lederjacke, die Gitarren, die geölte Croonerstimme. 60 Jahre ist der schwerbeschäftigte Botschafter des salonfähigen Country-Rockabilly-Croonismus mittlerweile alt - sechs Dekaden, die man ihm weder anhört noch ansieht. Alles ist immer noch on fire, die 50er-Jahre-Automobile, der Herzschmerz, die mäandernden Vibratos.
Musikalisch warten hier keine großen Überraschungen, der Mann mit seinem Namen in Perlmutt-Schreibschrift am Griffbrett weiß genau, wie er sein Handwerk zur Schau zu stellen hat. Dabei wird er textlich manchmal so richtig cheeky: "Kennedy got it in a Lincoln, Caesar got it in the back, somebody told me Hank Williams died in his Cadillac", singt Isaak in "Down In Flames", und weiter: "Everybody's gotta go sometime / Sooner or later they'll call your name / I don’t know yet but I'm willing to bet I'm going down in flames". Wenn Isaak untergeht, dann on fire und in 1a-Montur, darauf können wir ein Milkshake im Diner trinken.
Sechs Jahre ist sein letzter Longplayer mit Eigenmaterial alt, dazwischen war er durchwegs auf Tour, stand dem australischen "X-Factor" als Juror zur Verfügung, spielte in diversen Fernsehserien mit und veröffentlichte mit "Beyond The Sun" ein Album mit Sun-Records-Stücken. Sie wissen schon, Elvis, Johnny Cash, Roy Orbison und so.
Zurück im Heartbreak-Hotel: "Don't know why she's gone / Don’t know why she's gone away / Don't know what went wrong, so wrong", lamentiert er im Opener "First Comes The Night". Die Orgel, die beim Refrain dazukommt, unterstreicht das Leiden noch mal: "First comes the night / Then comes the night / First comes the heartache, darling / It ain't always gonna hurt this way".
Bei "Please Don't Call" tunkt er alles in Moll, das steht ihm sowieso. "I don't want you to forgive me", schleudert er der Verflossenen entgegen, "please don't call, we'll only start again". Wieder großer Herzschmerz, wieder alles on fire, die Liebesnächte und die Streitereien, die Versprechungen und Entfremdungen. Immer wieder muss man raus auf die Straße, weiter und weg, Auge um Auge und Herzschmerz um Herzschmerz. An Alterswerke sollen andere Leute denken, hier klingt immer noch alles nach erstem Girlfriend und bestandener Führerscheinprüfung. "We won't change / so why should we pretend", singt er im genannten Song. Passt genau, Chris.
"Perfect Lover" ist dann wieder eine formvollendete Country-Schnulze, der King ist im Raum und ihm ist wieder einmal seine Queen abtrünnig geworden. Fiebrige Bigsby-Tremolos, herzzerreißende Schnulzen, Düsternis, Mystery, Misery & Sexyness. So ein wicked Game, das Isaak immer noch spielt. In jedem Lied könnte er sich mit Helena Christensen in Schwarz-Weiß am Strand umwälzen, "Kiss Me Like A Stranger" zum Beispiel. Top.
Die Songtitel sprechen eh schon Bände: "Every Night I Miss You More", "Baby What Do You Want Me To Do", "Dry Your Eyes", "The Girl That Broke My Heart", "2Love The Way You Kiss Me". Großes und perfektioniertes Schwerenötertum, wohlfeiles Handwerk.
Chris Isaak bleibt konsequent zwanzig. Anachronismus ist das keiner: "I hang on because I love you", singt er. Und dann, am Ende, dann schüttelt er noch mal einen grandiosen Song wie "Love The Way You Kiss Me" aus dem Ärmel. Der Mann an der Bassgeige spielt Wechselbegleitung, "Uhhh-Ahh-Ahh" doowoppen die Backing Vocals und Isaak? Der mag's einfach, wie du ihn küsst: "When I close my eyes I got you back again". Er ist einfach immer noch on fire, der alte Schwerenöter.
1 Kommentar
Wer hat eigentlich so ein Scheißwort wie "mäandernden" im Sprachgebrauch "überhaupt" zu verantworten???
Also ich kenne NIEMANDEN der (außer Schreiberlinge für Musik)so ein Wort auch nur ansatzweise mal ausspricht.
Heilige Scheiße, woher kommt dieses Wort" ?
Sorry, aber da geht der Landgaul mit mir durch....
P.S. Sorry Chris ich hab deine Platte noch nicht gehört....