24. Juni 2022

"Wir haben zwanzig Minuten"

Interview geführt von

Mit ihrem Debütalbum "Welcome To The Show" lassen die kalifornischen Hardrocker von Classless Act wilde Vintage-Erinnerungen aufleben.

Studioaufnahmen unter der Regie von Bob Rock, Song-Kollaborationen mit Vince Neil und The Darkness-Frontmann Justin Hawkins sowie eine 36 Dates umfassende Stadiontour mit Mötley Crüe, Def Leppard, Poison und Joan Jett: Für die fünf Rock'n'Roll-Senkrechtstarter von Classless Act könnte es nicht besser laufen. Ein paar Tage vor der Veröffentlichung ihres Debütalbums "Welcome To The Show" trafen wir uns mit Sänger und Frontmann Derek Day zum Interview und plauderten über musikalische Helden und den Schlüssel zum Erfolg.

Derek, ihr seid seit ein paar Tagen auf großer Stadiontour mit Mötley Crüe, Def Leppard, Poison und Joan Jett. Was sind deine ersten Eindrücke?

Ich bin einfach nur überwältigt. Das Ganze ist wie ein großer Traum für uns. Ich meine, wir sind mit all diesen Bands aufgewachsen. Das ist der komplette Irrsinn. Wir haben in Atlanta angefangen, dann ging es nach Miami und Orlando. Wir haben also erst drei Dates hinter uns, und es fühlt sich jetzt schon total krass an.

Wieviel Spielzeit habt ihr?

Oh, wir sind nicht lange auf der Bühne. (lacht) Wir haben um die zwanzig Minuten. Aber das ist völlig ok. Wir sind so dankbar für jede Sekunde. Wenn wir nachmittags um drei auf dieser riesengroßen Bühne aufschlagen, dann sind bisher immer schon mindestens 15.000 Leute im Stadion. Die haben auch richtig Lust auf neue Musik. Es ist wirklich wahnsinnig.

Wenn du die Outdoor-Shows mit den Club-Shows vergleichst, die ihr normalerweise spielt: Was gefällt dir besser?

Da entscheide ich mich ganz klar für die Outdoor-Shows. (lacht) Das ganze Szenario ist einfach nur unbegreiflich. Ich bin als Sänger immer gerne in Bewegung. Auf dieser Riesenbühne kann ich mich total austoben. Ich kann mich hinlegen, ich kann von einem Bühnenrand zum anderen rennen, ich kann einfach tun und lassen was ich will. Es geht nicht besser.

Den Opener eures Debütalbums ("Classless Act") hast du gemeinsam mit Vince Neil eingesungen. Hat dich der gute Vince schon auf der Bühne für ein kurzes Duett besucht?

Wir sind ja erst am Anfang der Tour. Das wäre aber natürlich ein absolutes Highlight für mich und die Band. Vielleicht kommt es irgendwann noch dazu.

Wie ist generell der Umgang untereinander? Wie behandeln die großen Helden die Neuankömmlinge?

Wir werden von allen Seiten unterstützt. Es ist wirklich großartig, alle Beteiligten sind richtig nice. Gestern hingen wir ein bisschen mit Bret Michaels und C. C. DeVille rum. Auch mit den Jungs von Mötley Crüe kommen wir super klar. Wir haben ja eigentlich gar keine Erwartungen. Wir sind einfach nur happy, überhaupt irgendwie dabei zu sein.

"Niemand tanzt aus der Reihe"

Wenn man sich Bands wie Mötley Crüe und Poison zusammen auf einer Tour vorstellt, dann kreisen einem natürlich die wildesten "Sex, Drugs & Rock'n'Roll"-Gedanken durch den Kopf. Wie viele Klischees werden diesbezüglich noch bedient?

Ah, da muss ich leider alle enttäuschen. Diese Jungs sind hyperprofessionell. Da tanzt niemand aus der Reihe. Schon allein die ganzen Crew-Mitglieder machen einen unglaublichen Job. Sobald auch nur ein Kabel nicht am richtigen Ort ist, geht bei allen sofort der Alarm an. Jedes Problem wird sofort gelöst und behoben. Das ist wirklich erstaunlich mit anzusehen, vor allem für eine so junge Band wie wir es sind. Da kann man so viel lernen. Dieser Vibe von dem du redest, der ist aber spürbar, nur eben nicht in Verbindung mit all den damit verbundenen Klischees. In dieser ganzen Produktion stecken unheimlich viel Power, Liebe und Leidenschaft.

Vince Neil, Joe Elliott, Bret Michaels: Sind das Frontmänner, an denen du dich orientierst?

Das sind Ikonen, keine Frage. Vince Neil beispielsweise ist topfit und singt immer noch wie ein junger Gott. Natürlich inspirieren mich diese Leute. Ich bin auch ein großer Fan von Axl Rose und Robert Plant. Das sind Leader mit einer ganz besonderen Aura, richtig gute Leute, von denen man unheimlich viel lernen kann.

Muss du dich nicht manchmal zwicken, wenn du dir vor Augen führst was seit eurer Gründung vor drei Jahren schon alles passiert ist?

Ganz oft sogar. (lacht)

Was glaubst du, woran eure Erfolgsstory geknüpft ist? Was macht ihr anders als Millionen andere junge Bands?

Wir haben natürlich auch viel Glück gehabt. Manchmal ist man einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Weißt du, auch wenn es so scheint, dass unsere Kurve nur nach oben zeigt, haben wir alle aber auch schon viele nicht so schönen Phasen durchgemacht. Ich habe vorher in bestimmt hundert verschiedenen Bands gespielt. Da ging es immer irgendwie an einem bestimmten Punkt nicht mehr weiter. Diese Erfahrungen haben wir alle gemacht, der eine mehr, der andere weniger. Wir standen also nicht vom ersten Moment an auf der Sonnenseite. Da ist auch schon sehr viel vorher passiert.

Warum klappt es aber jetzt in dieser Konstellation so gut?

Ich denke, dass wir alle in der Band mittlerweile sehr gefestigte Musiker sind, die ihren Wert und auch den Wert jedes Anderen in der Band kennen und schätzen. Das war früher nicht immer so. Es gibt immer Leute, die denken, dass sie entweder zu gut oder zu schlecht für die Musikwelt sind. Jetzt ist es so, dass wir alle eine gemeinsame Vision haben und genau wissen, was wir können und an welchen Schrauben wir noch drehen müssen. Das ist der Schlüssel.

"Bob Rock hat ein feines Gespür für Melodien"

Ihr deckt auf eurem Debütalbum "Welcome To The Show" so ziemlich alle Facetten des klassischen Hardrock ab. War diese Soundausrichtung so geplant?

Wir sind mit genau diesen Vorstellungen ins Studio gegangen. Wir sind alle mit der Musik von Bands wie Guns 'N Roses, Mötley Crüe und Led Zeppelin aufgewachsen. Da war es nur logisch, dass wir diese Einflüsse auch mit einbeziehen. Das ist einfach unsere Musik, ohne Wenn und Aber.

Während der Aufnahmen standen euch nicht nur die Herren Vince Neil und Justin Hawkins, sondern auch die Produzenten Bob Rock, Michael Beinhorn und Joe Chiccarrelli zur Seite. Diese Leute haben bereits mit Bands wie Metallica, Red Hot Chilli Peppers, Soundgarden und The White Stripes gearbeitet. Wie begegnet man so erfolgreichen Branchen-Helden?

Wir waren natürlich alle sehr aufgeregt. Aber diese Leute sind so nett, zuvorkommend und gut drauf. Es war mit jedem einzelnen ein wahres Fest. Michael Beinhorn beispielsweise hat uns auf der rhythmischen Ebene viele Tipps und Ratschläge geben können. Durch ihn sind wir soundmäßig zu einer klassischen Rockband zusammengewachsen. Bob Rock hat ein ganz feines Gespür für Hooks und Melodien. Er weiß genau, wo man Harmonien platziert und wie man aus einer losen Idee etwas Großes schafft. Joe Chiccarrelli ist ein Produzent, der dir beibringt, dich nicht permanent unbewusst zu wiederholen. Wenn man einen klaren Sound verfolgt, dann passiert das nämlich ganz automatisch – vor allem wenn man aus Los Angeles kommt. (lacht)

Das musst du mir genauer erklären.

Ich sage immer, dass in Los Angeles bestimmt die Hälfte aller Einwohner in irgendwelchen Bands spielen. Das mag verrückt klingen, aber man hat wirklich das Gefühl. Es ist in Los Angeles absolut nichts Besonderes, wenn man in einer Band spielt. Diese Anhäufung führt unweigerlich dazu, dass sich vieles musikalisch sehr ähnelt. Man kopiert sich einfach gegenseitig. Das ist ein großes Problem. Joe weiß genau, wie man dieser Entwicklung entgegenwirkt. Das hat er richtig gut drauf.

Manche Bands waren in den vergangenen zwei Jahren gezwungen ihre Alben außerhalb der Studios in virtuellen Welten aufzunehmen. Die Pandemie hat viele Strukturen aufgebrochen und so Einiges verändert. "Welcome To The Show" besticht mit einem sehr satten, organischen und klassischen Bandsound. Wie habt ihr das hinbekommen?

Wir haben es einfach im Studio durchgezogen. Wir haben immer die Zeitfenster genutzt, die kurzfristig zur Verfügung gestanden. Wir haben uns Masken aufgesetzt, uns getestet und dann sind wir los und haben Gas gegeben. Uns war es unheimlich wichtig, dass das Album unter "normalen" Umständen aufgenommen wird. Ich denke, dass man diese Vibes, wenn man live zusammenspielt, nicht wirklich ersetzen oder kopieren kann. Das war natürlich alles ein bisschen stressiger und aufwändiger. Aber am Ende hat es sich gelohnt.

Wie geht es nach der Tour mit Mötley Crüe und Def Leppard weiter? Welche bahnbrechenden News kannst du uns bereits verkünden?

Es wird auf jeden Fall spannend bleiben, keine Frage. Wir werden im Anschluss wohl eine kleinere Headliner-Tour durch die Staaten machen. Wir wollen auch nach Europa. Das steht ebenfalls ganz oben auf der Liste. Wer weiß, vielleicht gehen wir zwischendurch auch nochmal ins Studio. Wir haben noch unzählige Songs in der Hinterhand. Egal was kommt, wir freuen uns riesig drauf.

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Classless Act

Wer im Rock'n'Roll-Business Fuß fassen will, der sollte Talent, eine dicke Haut und Geduld mitbringen. Oftmals schuftet eine Band jahrelang mehr oder …

Noch keine Kommentare