laut.de-Kritik
Zwischen Erlösung und Engtanz mit dem Teufel.
Review von Dominik Lippe"Für alle Ewigkeit. Ich nehme mir das Mic und schenke dir mein Leben auf CD." Begleitet von Fanfaren steigt Cr7z vom Berg hinab, um ein Selbstopfer zu erbringen. Schon immer stach er nicht nur als ebenso talentierter wie ambitionierter Rapper heraus, sondern auch als Prediger, der wahlweise für christliche oder humanistische Werte eintritt oder die reine Lehre des Rap vermittelt. Mit "Gaia" bekräftigt er nun dieses Bild, indem er sich über eine Stunde lang zwischen den unterschiedlichsten Mythologien, Philosophien und religiösen Symbolen schlängelt.
"Cr7z, einer, der beide Wangen hinhält", unterstreicht er in "4:00 AM" das Christentum als Hauptinspiration. "Der Erste Stein" wendet sich gegen das Phänomen der üblen Nachrede, immerhin gilt: "Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein." In "Apeiron" gesteht er auch den geringsten seiner Brüder Würde zu: "Ich wette, Mörder haben schon geweint zu meinen Tracks." Dazu passend begleitet ein getragenes Piano seine Zeilen. Auch "Schildkröte", "Ewigkeit", "Rochade", "Achtsamkeit", "Vogelschwärme" und "Magneten" halten in ähnlicher Form Andacht.
Cr7z wählt seine Bilder nicht so beliebig aus wie jüngst Chakuza auf "Heavy Rain". Dennoch ächzen die Songs unter der sprachlichen Last. "Rochade" erweist sich zum Beispiel als undurchdringlicher Vers-Dschungel ohne klaren Kern. Einen unverstellten Blick auf seine Psyche ohne mythologischen Sichtschutz gewährt er im emotional vorgetragenen "Achtsamkeit": "Der Teufel zeigte mir schon früh seine Tanzschritte." Noch schöner fällt "Ewigkeit" aus, das von der "Bitternis des Seins" erzählt: "Ein Glück, ist dieses Leid vorbei, durch das ich in mein Kissen wimmernd nachts um Hilfe schrei'."
"Ich bete für all die kaputten Druffis, Dealer, Junkies, Freaks und Ausgestoßenen", öffnet er auch in "Elise" die Arme für gesellschaftliche Außenseiter. Die grundsympathische Haltung zeigt sich im übrigen auch bei seinen Konzerten, wo der Rapper die Einsamen und Randständigen umhegt. Naturgemäß entsteht beim Publikum so zunehmend auch eine Erwartungshaltung, die Cr7z einzuengen droht: "Dropp' ich was Seichtes, kann's sein, dass Hörer enttäuscht oder traurig sind." Um nicht vollends als Friedensfürst zu enden, wechselt er gelegentlich in den Angriffsmodus.
Im Mittelteil des Albums dominieren die Songs, die an seine "Newline"-EP anknüpfen. "Whack-MCs fress' ich zum Frühstück", fordert er für sich in "UN7KAT" einen Platz am Offizierstisch ein. Der "verhurten Industrie" setzt er in "Unterschätzt Mich Nicht" Voice-Samples und Scratches entgegen. In "R.R.R." lobt er den "friedlichen Widerstand" des Rap: "Ich komm' von Straßenbattles, wurd' von Kopf bis Fuß gedisst. Danach gab man sich die Hand vor den Zuschauern und gut war es." Während Grenzüberschreitungen früher zum Ausschluss führten, siege heute "Gewalt über Menschlichkeit".
Den Höhepunkt des Rundumschlags erreicht Cr7z an der Seite von Kool Savas in "Chaos": "Du tötest den Geist von Hip Hop. Was soll das am Ende denn werden, ein Musical?" Beim Gipfeltreffen der Rap-Dogmatiker offenbaren die beiden einen merkwürdig autoritären Blick auf Kunst: "Wir bringen Ordnung in das Chaos." An Kraft verliert seine Szenekritik dagegen immer dann, wenn er sie mit transzendenten Zeilen vermengt. Auf der erhabenen Reise durch die "Multiversen" landet er in "Gaia" bei der profanen wie entmenschlichenden Schmähung seiner Kollegen als "Mimikryviecher".
"Gaia" lässt sich nicht nebenbei hören, was zunächst einmal kein schlechtes Zeichen sein muss. Doch neben den Gedanken, die Cr7z zweifellos massenweise eingespeist hat, fehlt es deutlich an entlastenden Elementen. Die passenden Gäste hätten diese Funktion übernehmen können. Stattdessen stehen der grübelnde HeXer und der grobschlächtigere Acaz der Leitfigur in Bezug auf den tonnenschweren Auftritt in nichts nach. Trotz alledem behalten die liberalen Worte aus "Apeiron" am Ende ihre Gültigkeit: "Jedes Werk ist für wen gut und für jemand anderen schlecht."
4 Kommentare mit 2 Antworten
Für mich ist hochgradig langweiliger Esoterikram.
Starkes Album, manche Tracks sind zwar schon länger bekannt gewesen, wie etwa der fantastische Titelsong, den ich ohne Zweifel zu den besten seiner Karriere zähle.
Auch "Ewigkeit" und "Magneten" sind lyrische Speerspitzen.
Manche Stücke wirken nicht wirklich zueinander passend, scheinen in unterschiedlichen Phasen aufgenommen worden zu sein. Auch beattechnisch schwankt es ziemlich. Auf stark atmosphärische Werke folgen eher lahme Sachen wie diese Savasnummer.
"Lilith" der wohl wichtigste Track, zumindest für mich. Hier zelebriert er in Flow und Text zwischenmenschliche Dissonanzen, wie es direkter kaum geht.
Ich mag den Typen sehr, hat mir schon öfters indirekt geholfen
4/5
Ach, das ist besser als 3. 4:00 AM, Gaia, Elise find ich besonders stark. Insgesamt ist das Album aber zu lang.
Zu lang? XD Kein Wunder die Menschen haben in Zeiten von Trap keine Zeit mehr richtig zuzuhören und ne Aufmerksamkeitsspanne von einer Fliege ????♀️
Hallo Yasemin. Willkommen auf Laut.de
Dieser Kommentar wurde vor 4 Jahren durch den Autor entfernt.