laut.de-Kritik

Manifest der Weltabgewandtheit.

Review von

Musikgenuss als Marathonlauf: Mit dem Ausklingen des dritten Tracks sind exakt 33 Minuten Spielzeit vorbei - nicht bloß Poppunker wären da bereits wieder auf dem Weg ins nächste Jugendzentrum. Bei Crippled Black Phoenix jedoch gereicht die halbe Stunde gerade so zum Hallo. Neun weitere Tracks oder 40 Minuten folgen, ein zeitfressendes Monster von einem Album, und man fragt sich zwischendurch schon nach dem Warum.

Warum ein solches Anti-Pop-Statement wie der dreiteilige Koloss "Time Of Ye Life / Born For Nothing / Paranoid Arm Of Narcoleptic Empire"? Haben die Briten doch gar nicht nötig. Reicht doch, dass Justin Greaves (Electric Wizard), Dominic Aitchison (Mogwai) und Kollegen mit "Endtime Ballads" mal eben ein eigenes Genre aus der Schulter gekugelt haben. Dass, wenn Kritiker diese Musik dann Freak Folk, Doom oder Stoner Prog nennen, das alles lediglich hilflose Blindgänger sind im Zauberwald, den das Quintett mit Rock-Instrumentierung und Cello seit 2004 züchtet.

"200 Tons Of Bad Luck" stellt nach dem gleichsam zermürbenden "A Love Of Shared Disasters" den zweiten Teil einer Trilogie dar. So ein Titel hängt natürlich wie Blei am Knöchel, und so soll es nach Willen der Schöpfer dieser ultimativen Außenseiterhymnen auch sein: ein Gleißen, ein schleppendes Piano, majestätische Rockriffs, ein trunkener Chor - das Zweitwerk schließt zunächst relativ nahtlos an das Debüt an.

Wieder sinkt man in Minuten erst im Ohrensessel zusammen, dann im atmosphärischen Maelstrom Richtung Meeresboden. Es setzt 1000 Morgen Elegie, ein prächtiges Ebbe-und-Flut-Epos Marke Godspeed You! Black Emperor und zwischendrin ambiente Klänge aus Klavier oder Akustikgitarre. Das Grundgefühl hat sich also nicht geändert. Dafür der Sound: Deutlich herauszuhören ist die Beschäftigung mit großen Helden der Musikenzyklopädie.

Nicht bloß das Solo irgendwo im hinteren Drittel des 18-Minüters tönt schwer nach Pink Floyd. Der aufrührerische Schlachtruf "Rise Up And Fight" färbt ab, so sehr erinnert sein Groove an die Doors. Relativ jung klingt dagegen "Crossing The Bar", das direkt von Aitchisons Hauptbandkonto abgebucht scheint. Der Mogwai-Gremlin, der auf dem Vorgänger auch hie und da hervorlugte, wuselt hier mehrfach durchs Bild.

Diese mal mehr, mal weniger frischen Zitate fügen sich ganz hervorragend ins kunstvolle Todeskapellen-Panorama. Solchen cineastischen Weitwinkel allerdings muss man wollen. Man hat ihm und sich viel Zeit zu geben, denn hier werkelt eine Band, die sich die Auslöschung des Zeitgefühls per se auf die zerschlissenen Fahnen geschrieben hat. "200 Tons Of Bad Luck" gilt es sorgfältig zu studieren als Manifest der Weltabgewandtheit. Im Dunkeln, allein und am besten im halbwegs gefestigten emotionalen Zustand.

Wer vor der nötigen Zeitinvestition zurückscheut, mag sich übrigens damit beruhigen: Neben vorliegender Version existiert mit "The Resurrectionists / Night Raider" auch eine Doppelalbum-Ausgabe. "Because there's too much material for so called music journalists to bother listening to", meint Justin Greaves. Viel Spaß also mit der postapokalyptischen Ewigkeit.

Trackliste

  1. 1. Burnt Reynolds
  2. 2. Rise Up And Fight
  3. 3. Time Of Ye Life / Born For Nothing / Paranoid Arm Of Narcoleptic Empire
  4. 4. Wendigo
  5. 5. Littlestep
  6. 6. Crossing The Bar
  7. 7. Whissendine
  8. 8. A Real Bronx Cheer
  9. 9. 444
  10. 10. A Hymn For A Lost Soul
  11. 11. A Lack Of Common Sense
  12. 12. I Am Free, Today I Perished

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