laut.de-Kritik

Zuhause im Glück. Wie schön.

Review von

"Wenn man sich so oft um sich selber dreht wie ich bis man vor Schwindel bricht, fällt man um und steht für nichts." Na, na! Ob einen mit Curse nun Liebe, Hass oder eine gepflegte Feuerwasser-Hassliebe verbindet: Den Vorwurf, er stehe "für nichts", machen ihm ja noch nicht einmal die erklärten Kostverächter. Für diese Fraktion wird er wohl auf ewig der "Exfreundin-Rapper" bleiben.

"Uns", der Titel lässt es leise ahnen, thematisiert nun auch wieder Beziehungsfragen. Diesmal handelt es sich aber zur Abwechslung einmal nicht um zwischenmenschliche Dramen, zumindest nicht in erster Linie. Statt verschüttete Milch zu beweinen, widmet sich Curse von vorne bis hinten einem einzigen Thema: dem Finden. Erst zurück zu sich selbst, dann neue Gesellschaft und darin schließlich sein Glück.

Er selbst scheint diesen Weg höchst erfolgreich zurückgelegt zu haben: Beschienen von den wärmenden Strahlen mittlerweile zweier Zentralgestirne darf man sich schon einmal wie "Tatooine" fühlen. Ich gönn' es ihm von Herzen, möge die Welle des Hochgefühls, die er gerade reitet, noch lange nicht brechen.

Die allüberall kursierende Unterstellung, Curse versuche, auf den Zug aufzuspringen, in dem Kollegen wie Casper gerade gen Chartspitze reisen, wirkt angesichts seiner Erfahrung im und seiner Verdienste um Deutschrap einigermaßen an den Barthaaren herbeigezogen. Könnte es sich, sofern überhaupt ein Zusammenhang besteht, nicht eher umgekehrt verhalten und die gerade kommerziell obenauf schwimmende Generation erntet das Feld ab, das Curse schon Jahre zuvor gepflügt und bestellt hat? Er jedenfalls tut nichts anderes, als immer schon: Er stülpt sein Innerstes nach außen.

Seit jeher ein Mann der scharf geschliffenen Worte, seziert Curse seine inzwischen doppelt sonnige Gemütslage sorgfältig wie eh und je und packt sie auch auf "Uns" wieder in treffende und entsprechend berührende, zudem erfrischend unverbrauchte Bilder. Die Texte entführen in die emotionalen, teils durch und durch persönlichen Momente, die sie beschreiben. Zuweilen geraten die allerdings derart intim, dass man sich als Zuhörer wie das fünfte Rad am Wagen fühlt.

Möchte ich wirklich bei Cursens zu Hause auf dem polierten Dielenboden sitzen, auf den der Spielplatzsand rieselt, als Zaungast das Familienleben beäugen oder das Geflüster in "Fibiamelyalude" mit anhören müssen? Auch, wenn letzteres für Fans von "Von Innen Nach Außen" historischen Wert besitzen mag: Ich weiß nicht recht. Die Frage "Was hab' ich hier eigentlich zu suchen?" springt mich jedenfalls mehr als einmal an.

Vermutlich muss man "Uns", so monothematisch, wie es angelegt wurde, als Konzeptalbum betrachten. Das eine Thema, das er sich vorgeknöpft hat, betrachtet Curse auch wahrlich aus allen erdenklichen Blickwinkeln. Am Ende des Albums weiß man um das Hinter-sich-Lassen von vergangenem Herzeleid, den Aufbruch in neues Land, die zögerlichen Anfänge der frischen Beziehung, die offenbar einen etwas holprigen Start hingelegt hat, um die Freunde am gefundenen Glück, die kleinen Zwischentiefs und, davon unbenommen, die innige Hoffnung auf gemeinsames Altwerden. Wie gesagt: Ich drück' die Daumen.

Trotzdem fehlt mir in dieser Selbst- und Partnerschaftsanalyse die inhaltliche Abwechslung, genau wie ich im Vortrag und in der musikalischen Ausgestaltung, die Curse zusammen mit den Beatgees und dem eidgenössischen Produzenten Claud verantwortet, Variationsreichtum und Bandbreite vermisse. "Uns" klingt von vorne bis hinten gleich.

Noch bedauerlicher: Curse selbst klingt von vorne bis hinten gleich. Statt seine bekannten, weil längst mannigfach unter Beweis gestellten technischen Fähigkeiten einzusetzen und wenigstens einige seiner vielen Register zu ziehen, beschränkt er sich diesmal auf eine Art monotone Spoken Word-Performance. Klar, das kann er auch. Das kann man auch getrost mal machen. Auf Albumlänge wirkt es aber dennoch zunehmend dröge.

In finalen "Menschen" angekommen, fällt es maximal schwer, die Augen weiterhin offen zu halten. Sollte man aber: Wer vorzeitig einschläft, verpasst die als Bonus-Zugabe angehängten vier Tracks in Piano-Versionen, die mir allesamt besser als die Originale gefallen. Deren Sound, handwerklich ohne Fehl und Tadel, klingt nirgends billig, auch nicht hastig oder gar schludrig zusammengefrickelt, sondern allzeit nach teurer Wertarbeit, pfeift aber dennoch komplett an meinem persönlichen Geschmack vorbei.

In meinen Ohren tönen weite Teile dieser Platte so, wie das neue Pink Floyd-Album aussieht. Schon "Tatooine" gerät mir in den Versen zu schleppend, der Refrain wiederum erschlägt einen schier mit seiner aufgebauschten Dramatik, und die Abzweigung, die die Nummer zwischendurch in ein indianisches Pow-Wow mit Trommelaufmarsch und Uah-Gebrüll genommen hat, muss ich auch irgendwie verpasst haben.

Die Drums zwar mächtig, aber irgendwie zu wuchtig für die zarten Inhalte, kehren im Folgenden erbarmungslos wieder, wieder und wieder zurück, stellenweise noch garniert mit Frauengesang und Geklatsche ("Du Träumst Wie Ich") oder poppig gesungener Hook ("Sie Fallen"). Am härtesten stoßen die immer gleichen Trommeln in "November" auf: Eine Minute lang keimt dort aus Pianoakkorden und verwehten Klängen eine in sich ruhende Stimmung, ehe der Beat alles über den Haufen rumpelt. Schade darum.

Die wiederholt beschworene Aufbruchstimmung kommt, etwa in "Herz Zurück", so aufdringlich daher, als habe jemand vor dem Schlafzimmerfenster eine riesige, blinkende AUF GEHTS!-Leuchtreklame in Betrieb genommen. Dieses Hey-Hey-hepp-hepp-Gefühl zieht sich auch durch "Erst Seit Ich Da Bin".

Einzig "Kristallklarer Februar" bricht ein wenig aus dem Einerlei aus und behandelt, textlich ebenso präzise und einfühlsam wie der Rest der Platte, das Abschiednehmen am Ende des Lebens. Hier befreit sich endlich auch das Soundbild aus dem immer gleichen Rahmen und kreiert eine gedämpfte, unwirkliche, klirrend eisige Atmosphäre, wie sie Ang Lees "The Ice Storm" beherrschte: Von dieser Sorte Track hätte ich mir noch zwei, drei weitere gewünscht. Vielleicht auf der nächsten Platte? Zu erzählen gäbe es bis dahin sicher noch eine ganze Menge mehr.

Trackliste

  1. 1. Tatooine
  2. 2. Millionen Mal Schon
  3. 3. Wir Brauchen Nur Uns
  4. 4. Du Träumst Wie Ich
  5. 5. Fibiameleyalude
  6. 6. Ende feat. Fibi Ameleya
  7. 7. Sie Fallen feat. Elif
  8. 8. Herz Zurück
  9. 9. Kristallklarer Februar / Für P.
  10. 10. November feat. Tua
  11. 11. Erst Seit Ich Da Bin
  12. 12. Menschen
  13. 13. Tatooine (Piano Version)
  14. 14. Wir Brauchen Nur Uns (Piano Version)
  15. 15. Erst Seit Ich Da Bin (Piano Version)
  16. 16. Herz Zurück (Piano Version)

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