30. Oktober 2002

"Ey, du bist Rapper, dann schreibe deine Bio doch in Albumform."

Interview geführt von

Wir treffen uns mit D-Flame vor dem Abschlusskonzert der DJ Stylewarz-Tour in der heiligen Hamburger Markthalle. Flame selbst gibt sich locker und entspannt, denn es ist sein Heimspiel. Selbst die vielen Promotermine hinterlassen bei dem 27-Jährigen keine Anzeichen von Stress. Freundlich stellt er sich dem LAUT-Gespräch.

Wie lief denn die Tour von DJ Stylewarz? Mich überrascht doch, dass du noch so kurz vor deinem Albumrelease Zeit für die Konzerte gefunden hast.

Die Tour lief gut und war sogar zweimal ausverkauft. Im Schnitt kamen an die 400-500 Leute. Der Vibe war richtig cool. Hat viel Spaß gemacht. Stylewarz machte für uns alle (No Remorze, Ferris MC, Torch, Toni L, Ex-Da Fource Charnell und D-Flame, d. Red.) den DJ. Für mich war es selbstverständlich, an Stylewarz' Tour teilzunehmen, denn für meinen Buddy muss ich immer da sein. Außerdem ist die Platte längst fertig.

Spürst du ob der kommerziellen Krise den Druck deiner Plattenfirma?

Ja, natürlich. Gerade wenn man bei einem Majorlabel unter Vertrag ist, spürt man die Krise hautnah. Die Leute haben Angst, Sachen zu releasen und neue Ideen auszuprobieren. Die wollen natürlich lieber einen hundertprozentigen Hit einkaufen, als Mut zu haben und Eier zu zeigen.

Musstest du Kompromisse eingehen bzw. hast du einen potentiellen Hit am Start?

Ein Song wie "Sie Macht Mich Glücklich" ist jetzt nicht drauf, denn das Lied war ja eher eine ganz spezielle Hommage an Jamaika, das kann man nicht kopieren oder beliebig wiederholen. Für mich gibt es natürlich zehn Hits auf dem Album. Ich produziere keine Musik für die Charts. Wichtig ist für mich, dass ich nach dem Endprodukt eine kleine Gänsehaut im Studio kriege. Dann hat das Teil Potential. Punkt.

Du sprichst den einstigen Reggae-Sommerhit "Sie Macht Mich Glücklich" an. Welcher Style überwiegt bei der neuen Platte? Rap oder Reggae?

Ich sitze zwar zwischen den Genre-Stühlen, doch dieses Album wird mein Hip Hop-Album. Das nächste Werk soll dann explizit Reggae und Dancehall-Vibes versprühen. So kann ich meine Musik besser und freier ausleben. "Mama Africa", den einzigen Reggae-Song, habe ich selbst mit meiner Reggae-Band eingespielt. Ansonsten haben für die Hip Hop-Beats noch Baby D. aus Kroatien, DJ Desue, Eißfeldt und meine alten Frankfurter Jungs aus Aziatic Warriors-Zeiten (Combat, A-Bomb, Feedback und Ultimate, d. Red.) hinter den Reglern gesessen.

Kommen wir zum Albumtitel "Daniel X – Eine Schwarze Deutsche Geschichte" ...

Also zuerst zog mich das Leben von Mohammed Ali in seinen Bann. Daraufhin beschäftigte ich mich eingehender mit Malcom X, der Nation Of Islam und deren Lehren. Malcolm X war für mich der Rechtschaffenste von allen, und seine Biographie hat mich sehr geprägt und verändert. Ich fand es zum Beispiel immer cool, dass ein Mensch ehrlich über sein Leben geredet hat und eine Autobiographie darüber geschrieben hat. Er hat sich jedoch damals Alex Healey dazu genommen, da der ein besserer Schriftsteller ist. Ich bin in dem Sinne kein Schriftsteller, wollte aber auch schon immer mal meine Biographie schreiben. Und so dachte ich, "Ey, du bist Rapper, dann mach deine Bio doch in Albumform."

Also handelt die Scheibe nur von deinem Leben und deinen Erfahrungen?

Indirekt. Es sind auch viele Geschichten aus meinem Leben drauf, die ich aber oft mit anderen Geschichten verglichen habe, um nicht zu speziell zu werden. Es sollen sich eben viele Leute mit dem Album identifizieren können, und vielleicht danach sagen: "Scheiße, das ist mir auch schon passiert. Der versteht mich." Im Großen und Ganzen geht es aber um die Geschichte eines schwarzen Deutschen und die Beantwortung von diversen Fragen. Wie kam seine Mutter nach Deutschland? Wie kam sein Vater nach Deutschland? Wie verlief seine Kindheit? Wie wurde er hier in der Schule aufgenommen? Was hat er danach gemacht? Ist er auf die schiefe Bahn geraten? Wenn ja, was hat er da gemacht? Wie ist er davon runtergekommen? Vom ersten bis zum letzten Song geht die Platte der Beantwortung dieser Fragen nach - der Fragen meines Lebens.

Der provokante Slogan "eine schwarze deutsche Geschichte" wurde aber nicht aus marktstrategischen Gründen ausgewählt, oder? Denn mit dem Brothers Keepers-Projekt wolltet ihr doch eigentlich den Begriff "Afrodeutscher" etablieren.

Das ist schon mein Titel. Ich sehe mich als schwarzen Deutschen. Afrodeutsch – schwarzdeutsch, das ist mir egal. Ich möchte das Wort "schwarz" wieder in einem positiven Kontext sehen. Das ist für mich der Sinn des Albumtitels. Jeder, der jetzt "schwarze deutsche Geschichte" liest, denkt an eine schlimme deutsche Geschichte. Doch das ist sie ja gar nicht. Im Endeffekt hat die Story ein Happy End, denn der Junge ist von der schiefen Bahn auf einen guten Weg gekommen und verdient jetzt mit Hip Hop sein legales Geld und lebt davon auch gut. Ich kann halt nur aus der Sicht eines schwarzen Deutschen reden, und nicht aus der Sicht eines weißen oder marokkanischen Deutschen. Außerdem hätte sich afrodeutsch auch einfach nicht so gut angehört. Da hätten alle gefragt, was der Titel denn bedeutet.

Apropos afrodeutsch. Wie lautet dein Fazit des Brothers Keepers-Projekts, und gibt es in der Richtung Pläne für die Zukunft?

In erster Linie hat man für die Opfer und Familien Geld gesammelt. Das war der Sinn von Brothers Keepers. Bei dem Projekt ging es ja nicht nur um Musik, sondern um konkrete Hilfe. Wir konnten das natürlich nur im kleinen Rahmen machen, denn dazu braucht man Sponsoren, die Lust verspüren, bei einer solchen Sache mitzuhelfen. Wir haben zum Beispiel die Rückführung der Leiche eines von Polizisten in Hamburger U-Haft ermordeten Nigerianers in seine Heimat bezahlt. Wir haben für Adrianos Kinder Konten eingerichtet, damit sie irgendwann einmal Geld in der Tasche haben. Auch wenn Geld den Papa natürlich nicht zurückholen kann. Mein größtes Erlebnis, das ich mit den BK hatte, war aber das Treffen bei Adrianos Familie, als auch die Presse anwesend war. Der Sohn von Adriano wollte damals mit keinem mehr reden und hat sich in seinem Zimmer eingeschlossen. Die Mutter meinte jedoch, dass der Kleine, wenn er in der Schule nach dem Mord wieder einmal gehänselt wurde, sich fünf Stunden lang unseren Song angehört hat, um Kraft zu tanken. Das ist das Größte, was man als Künstler erreichen kann. Kommerzieller Erfolg ist nichts dagegen.

Aber solche Angriffe wird es ja immer wieder geben. Die Brothers Keepers müssten dann eigentlich eine dauerhafte Einrichtung sein.

Das Problem ist da, wie du richtig sagst. Oft werden neue rassistische Überfälle einfach totgeschwiegen, damit der normale Deutsche denkt, dass es wieder besser geworden ist und er beruhigt schlafen gehen kann. Aber die gleiche Scheiße passiert auch weiterhin. Da hilft es, dass man die Möglichkeit hat, Musik zu machen. So erinnert man die Gesellschaft an die bestehenden Probleme und Missstände.

Okay, kommen wir nach dem wichtigen Abstecher wieder zu deinem Album. Sind interessante Features dabei?

Nur zwei Gäste sind am Start. Erstens My Man Tone auf der Single "Mehr Als Musik" und zweitens die Sängerin Vanessa Mason. Es ist halt zu 99 Prozent eine Flame-Geschichte.

Hast du eigentlich Angst davor, dass die Download-Möglichkeiten deine Verkaufszahlen beeinträchtigen?

Klar nervt mich das. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es mich nicht stört. Wir haben uns damals auch Kassetten aufgenommen, weil wir uns die ganzen Platten nicht leisten konnten. Beim Download hat die Musikindustrie halt einen Fehler gemacht und schiebt jetzt die zurückgehenden Verkaufszahlen auf die (Hip Hop-) Künstler. Da war halt jemand schlauer als die Labels. Aber es ist sehr wichtig, dass da bald ein wirksames Gegenmittel gefunden wird, denn die Leidtragenden sind die Musiker.

Viele Leuten denken aber, dass Hip Hop auch kreativ in der Krise steckt und sprechen vom nächsten Schritt, der fällig wird. Wo siehst du deine persönliche Weiterentwicklung in Sachen Style-Skillz-Flow?

Ich habe raptechnisch versucht, auf neuen Wegen zu wandeln. Ich habe Doppelrhymes ausprobiert. Ich hab softer gerappt. Ich hab versucht, auch mal harte Stakkato-Reime zu bringen. Ich habe mir einfach mal alle möglichen Flows angehört und geschaut, wie man die für sich selbst noch perfektionieren kann. Jeder wird ja auch reifer. Es ist wichtig, dass man sich weiterentwickelt.

Und das hat D-Flame mit seinem neuen autobiographischen Album geschafft. Hört es euch an, denn der Storytelling-Style des sympathischen Rappers sucht in Deutschland seinesgleichen. Wie Dr. Dre schon sagte: "My life is a soundtrack I wrote to the beat." "Daniel X - Eine Schwarze Deutsche Geschichte" steht seit dem 11. November in den Läden und die Review auf Laut.

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