laut.de-Kritik

Hip Hop mal ohne Schwanz und Knarre.

Review von

"Klingt wie immer", mäkelt die innovationsbesessene Jugend, behält Recht damit - und auch wieder nicht. Tatsache: Der aktuelle Longplayer fährt einmal mehr das Instrumentarium auf, dessen sich das Hip Hop-Duo aus Newark bereits in den letzten zehn Jahren ausgiebig bediente.

Ohne stockdüstere, überaus komplexe Soundwände, die Stimme MC Däleks als ein Element unter vielen unextrahierbar eingebettet, kommt auch "Gutter Tactics" nicht aus. Akustische Gewitterstürme wie Plastiken aus der Werkstatt HR Gigers entlockt Oktopus seinen Reglern: Stets berückend, meist bedrückend.

Freundlichkeiten muss man im klaustrophobischen Dälek-Kosmos lange suchen. Oft bietet ein eisern durchgehaltener Rhythmus, ein dumpf im Hintergrund pumpender Beat die einzige Orientierungshilfe. Stete Wiederholungen kneten das Gehirn. Veränderungen vollziehen sich in all dem industriell-maschinell-verwirrenden Brummen, Scheppern, Dengeln und Kreischen schleichend, demonstrieren dann aber die Macht der Allmählichkeit.

Von Beginn an, wenn würdevoll einherschreitende Drums den Fetzen aus einer Ansprache des umstrittenen Predigers Jeremiah Wright den Anstrich eines Trauermarsches verleihen, beeindrucken lyrische Dichte und Intensität. In Dälek, dem Rapper, vereint sich der Zorn des Revolutionärs mit dem ausgefeilten Sprachgefühl des Poeten und nahezu mathematischer Disziplin. Sein Vortrag besitzt eine beängstigende Intensität, an der die infolge der kompakten Arrangements vielerorts erschwerte Verständlichkeit schlicht nicht kratzt.

Zwar erhebt sich hier und da eine Gitarre, eine Basslinie, ein Spieldosenklang aus der brodelnden Kulisse. Doch bilden die Tracks stets eine Einheit. Nichts wird explizit herausgehoben, nichts angestrahlt, auch und ganz besonders nicht der Mann am Mikrofon. Dälek wie immer, also?

Oberflächlich betrachtet: Jawohl. Im Gesamtwerk vollzieht sich jedoch - ebenfalls schleichend - eine Entwicklung. Geriet der Vorgänger "Abandoned Language" vergleichsweise eingängig, gehen Dälek nun wieder deutlich kompromissloser zu Werke. Zwar rollen sie hier und da wieder den Ambient-Teppich aus, darin verbergen sich, wie in "A Collection Of Miserable Thoughts ...", jedoch äußerst scharfkantige Fußangeln.

Gelegentlich aufblitzende fluffige Melodieseligkeit wird hart, militärisch fast, eingestampft und plattgewalzt. Wie Säure zischelt es in "We Lost Sight" auf den Nervenenden. Den Durchblick allerdings haben Dälek und The Oktopus so wenig verloren, wie sie in die Sperrigkeit ihrer Anfangstage zurückfallen.

Der Masterplan führt auf den Schwingen apokalyptischer Störgeräusche direkt ins Bewusstsein und prügelt das windelweich. Ist das noch Hip Hop? Angesichts der trudelnden Schieflage, in die einseitige Berichterstattung das Bild eines ganzen Genres in der Öffentlichkeit manövriert hat, muss man dem unbedarften Beobachter die Frage nachsehen - und entschieden bejahen. Dälek sind so Hip Hop, wie es nur geht, ganz ohne Knarre und Schwanz aus der tiefsitzenden Hose hängen zu lassen.

Trackliste

  1. 1. Blessed Are They Who Bash Your Children's Heads Against A Rock
  2. 2. No Question
  3. 3. Armed With Krylon
  4. 4. Who Medgar Evers Was ...
  5. 5. Street Diction
  6. 6. Collection Of Miserable Thoughts Laced With Wit
  7. 7. Macheteros / Spear Of A Nation
  8. 8. We Lost Sight
  9. 9. Gutter Tactics
  10. 10. 2012 (The Pillage)
  11. 11. Atypical Stereotype

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