laut.de-Kritik
Schlager ohne Party, Texte ohne Inhalt.
Review von Maximilian SchäfferMan muss sich schon fragen, woraus Dagoberts Spektakel eigentlich noch besteht: Singen kann er nicht, Texten will er nicht, die Arrangements nerven und der Witz ist schon längst erzählt. Auf seinem vierten Album namens "Jäger" (so heißt er bürgerlich) singt der Mann aus der Schweiz über verschiedene Angelegenheiten – Liebe, Arbeit, Tod. Den Autotune-Effekt dafür braucht er dringend.
Einfachster Kitsch gelingt Dagobert am besten, "Ich will noch mal" ist eine fähige Ballade, die vergleichsweise konservativ instrumentiert ist. Ansonsten ziehen die elektronischen Streicher, Bläser, Drummachines unbemerkt am Hörer vorüber wie Peter Wackel um halb fünf im Bierkönig. Schlager ohne Party, Party ohne Hit, Texte ohne Inhalt, das mögen resignierte Zeitgenossen als postmoderne Angelegenheit feiern. Langeweile funktioniert in der Kunstgeschichte aber genau einmal, dann ist sie vergessen. Nur selten wird sie erfolgreich zum Establishment, dazu braucht es einen saudummen Künstler.
Dagobert aber ist zu schlau, will sich positionieren und ist auf "Jäger" nicht mehr als ein gutaussehender Schlagermann mit Maßanzug, der eigentlich keine Schlager schreiben will. Im ZDF-Fernsehgarten war er ja schon, "Der heilige Gral" ist ein Song für den zweiten Auftritt, aber längst kein Ohrwurm wie "Ich bin zu jung". Ein Schlager lebt vom Hit, er muss Gassenhauer sein, sonst hat er auf dieser Welt nichts verloren. Sophistication vor dem Computer, so lehrte uns Corona, bringt dem Künstler nur Ruhe vor der Welt.
Besseres Songwriting? Andreas Dorau. Besserer Stil? Rummelsnuff. Besserer Ulk? Alexander Marcus. Jetzt, wo alle Schlagertrümpfe gespielt sind, kontert Dagobert noch mit "Das Mädchen aus der schönen Welt": "Mein Herz klopft so laut, wie zuletzt 1999 / Es fühlt sich an als würde Jesus gekreuzigt / Doch der ist schon lange tot" sind aberwitzige Zeilen mit tiefem Nichtsinn, die als alternative Wahrheiten gelten dürfen. Endlich ein halber Ohrwurm, einen so schönen Schlager über Aliens haben zuletzt nur die Killers gesungen. Dazu Akkordfolgen, die erwiesenermaßen gut funktionieren, schon einst bei "Je t'aime". Als junger Gainsbourg wurde Dagobert an mancher Stelle zu Unrecht bezeichnet.
Bei "Im Wald" stellt es einem die Zehennägel auf. Der Rest ist überhaupt nicht erst erwähnenswert. Hoffentlich lässt sich Dagobert beim nächsten Versuch etwas einfallen, sonst kann er gleich die Rolle ändern. Orchester statt Softwaresynthesizer? Black Metal mit Vocoder? Vom Maßanzug ins Tütü? Schließlich wäre er nicht der erste, der sich mit den Moden seiner Zeit vor dem Vergessen retten möchte.
7 Kommentare mit 2 Antworten
"Singen kann er nicht ..."
Endlich sagt es mal jemand.
Reviews wie diese lassen die Axel-Springer Beteiligung erahnen. Das Album mag etwas schwächer wie die Vorgänger sein, aber diese kein Bock Haltung hätte es auch nicht gebraucht, dann bitte in Zukunft keine Review machen, wenn das Motto dann doch dem Song entspricht "Nie wieder arbeiten".
Als
"Der Mann ist groß und hager und kantig – queere Positionen kommen derzeit sehr gut an."
Ernsthaft??
Dachte ich mir auch.
Hab das Album gehört und es ist gross. Man muss Dagoberts Stimme und seine eigensinnige Art nicht mögen, aber dass er eine der eigenständigsten Figuren in der deutschen Musikszene ist und verdammt gute Songs schreibt, ist unbestritten. Der Autor Maximilian Schäffer hat nicht nur nichts kapiert und sich auch nicht bemüht, etwas zu verstehen, er scheint sogar noch homophob zu sein, wie der letzte Abschnitt den starken Anschein macht. Laut.de - bitte lasst solche Leute nichts mehr schreiben. Das ist unwürdig und elend.
Hier der Autor. Die letzte Passage, die hier besonders für Aufregung sorgte, habe ich geändert. Ich komme selbst aus der Schwulenszene und haue ab und zu gerne in Richtung Mainstream. Mein Sarkasmus war an dieser Stelle, zugegebenmaßen, missverständlich formuliert. Grüße!
Da scheint dem Redakteur jemand aus dem Umfeld des Künstlers oder sogar der Künstler selbst, kräftig auf den Fuß getreten zu sein. Anders ist diese "saudumme" Rezension nur schwer zu erklären, denn mit "Jäger" hat Dagobert sicher eins der derzeit besten Alben im deutschsprachigen Raum veröffentlicht.