laut.de-Kritik

Er macht es einem schwer, dieser Dave Gahan.

Review von

Er macht es einem wirklich schwer, dieser Dave Gahan. Wie gerne hätte man ihm applaudiert, dass er sich mit "Paper Monsters" als Songwriter aus der Regentschaft des Depeche Mode-Monarchen Gore befreit hat; wie gerne hätte man anerkannt, dass hier ein Sänger einfach mal seine eigenen Töne leben will und trotzdem stolz auf seine Vergangenheit ist.

Doch Gahan, auf der Bühne ein begnadeter Mime, spielte auch abseits des gleißenden Scheinwerferlichts weiter den trainierten Schauspieler und steigerte sich im Spätjahr 2003 in die Rolle der beleidigten Diva hinein, die sich Heerscharen feindlich gesinnter Pressevertreter ausgeliefert sah. Und ich meine Heerscharen! Eigentlich heißt der Feind aber, falls es jemand noch nicht mitgekriegt hat, Depeche Mode.

Deshalb findet man auf "Live Monsters" wohl auch nicht das vollständige Konzert aus Paris vor. Mit elf Songs ist zwar die ganze "Paper Monsters"-Scheibe darauf enthalten und immerhin fünf Songs aus der Feder Gores. Nicht dabei sind dagegen Ekstase-Bonbons seiner Solo-Tour wie "Enjoy The Silence", "Dream On" oder, haha, "Just Can't Get Enough". Im DVD-Inlay teilt der Sänger uns dann handschriftlich mit, dass "ich in diesem Drecksloch namens Musikbusiness weiterhin Hoffnung sehe", und zwar "dank der Unterstützung meiner Familie und meinen Fans." Und an jene Fans gerichtet: "Wenn ihr an etwas glaubt und wenn ihr es wirklich versucht, dann kann Veränderung eintreten."

Man könnte an dieser Stelle noch weitere köstliche Äußerungen aufführen, die unser tätowierter Nachwuchs-Gandhi vom Stapel lässt, aber wir wollen nicht zu hart mit Solo-Dave ins Gericht gehen. Unterm Strich erscheint eines nach dieser Veröffentlichung sonnenklar: Hier leidet jemand an massiven Ego-Problemen, und die machen es leider auch zum zweifelhaften Vergnügen, vorliegende DVD zu genießen.

Schade eigentlich, denn auf der Bühne ist Gahan schließlich über jeden Zweifel erhaben, und auch die Performance im altehrwürdigen Olympia ist schön anzusehen und mit zahlreichen Kameraeinstellungen festgehalten. Mr. Hyde schwingt seinen Mikro-Ständer gewohnt behende wie ein Zepter und zieht Grimassen, bis seine Halsschlagadern ganz dick anschwillen. Da schwitzt mal einer richtig für seine Fans, und die schreien dafür ganz laut, zum Beispiel wenn er beim zweiten Song seinen Oberkörper entblößt. Oder wenn er "A Question Of Time" anstimmt und dazu Pirouetten dreht, als sei noch immer 1986 (was man sich aufgrund des ganzen Theaters ja ab und an heimlich wünscht).

Als Bonus Features erleben wir einen glücklich dreinschauenden Dave bei einer amerikanischen Radio-Performance vor ausgewähltem Mini-Publikum sowie einen "Short Film", in dem der Auserwählte seine neuen Jünger lobt und diese die Komplimente brav zurück geben. Friede und Freude, wie es in einer Band sein muss. Gelb wie ein Eierkuchen ist dagegen die Maxi-Single von "Blasphemous Rumours", die ein Fan Gahan zum Signieren hinstreckt, dabei ist die doch von Depeche Mode. Dave hat's nicht gemerkt.

Trackliste

Recorded live at the Olympia, Paris, 5th July, 2003

  1. 1. Hidden Houses
  2. 2. Hold On
  3. 3. Dirty Sticky Floors
  4. 4. A Question Of Time
  5. 5. Bitter Apple
  6. 6. Black And Blue Again
  7. 7. Stay
  8. 8. A Little Piece
  9. 9. Walking In My Shoes
  10. 10. I Need You
  11. 11. Bottle Living
  12. 12. Personal Jesus
  13. 13. Goodbye
  14. 14. I Feel You
  15. 15. Never Let Me Down Again

Acoustic Set

  1. 16. Dirty Sticky Floors
  2. 17. Bitter Apple
  3. 18. Black And Blue Again

A Short Film

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Dave Gahan

Fragte man Dave Gahan in den 80er Jahren, ob er nicht ab und an den Drang verspüre, einen Song zu schreiben, so wurde der Depeche Mode-Sänger nicht …

Noch keine Kommentare