laut.de-Kritik

Kopfkino-Overkill: die erste Soloplatte des Ex-Slayer-Drummers.

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Angesichts Dave Lombardos Ahnengalerie kommen Metal/Hardcore-Fans die Tränen: Testament, The Misfits, Mr. Bungle, Fantômas, Suicidal Tendencies, Grip Inc. oder Dead Cross, um nur einige zu nennen. Die Kollaboliste des Drummers liest sich lang und prominent. Den Grundstein seiner Karriere legte er gleichwohl als Gründungsmitglied von Slayer, so gehen beispielsweise die Thrashmetal-Klassiker "Reign In Blood" (1986) oder "South Of Heaven" (1988) auf seine Kappe.

Bald vier Jahrzehnte später legt der Amerikaner kubanischer Abstammung seine erste Soloplatte vor. Dass die Scheibe über Mike Pattons Label Ipecac erscheint, ist dabei kaum Zufall. Der Faith No More-Sänger ermutigte den Ex-Slayer-Mann regelmäßig, vorliegendes Soloprojekt in Angriff zu nehmen. Andererseits eint beide eine lange Freundschaft, die sich im Laufe der Jahre in experimentell veranlagten Projekten niederschlug (siehe Fantômas oder Kollabos mit dem Avantgarde-Komponisten John Zorn).

"Rites Of Percussion", ein Instrumentalalbum, offenbart sich dementsprechend als Musik für Nerds, für Rhythmus-Interessierte, die konzentriert mitverfolgen, wie sich ein hauptberuflich auf Geschwindigkeit getrimmter Metal-Prügler mit einem im Schwerpunkt perkussiven Instrumentenpark auseinandersetzt. Die Idee trage er schon lange mit sich herum, doch erst während Corona fand der vielbeschäftigte Lombardo die Muse, es umzusetzen, zuhause einzuspielen und selbst zu produzieren.

In Interviews erwähnt er in diesem Zusammenhang eine Platte des Mambo/Latin Jazz-Perkussionisten Tito Puente als Inspiration: "Top Percussion" von 1958. Patton habe ihn einst auf die Scheibe aufmerksam gemacht, zu hören sind fast ausschließlich Instrumente wie Timbales sowie Vocals. Puente als direkten Vergleich heranzuziehen, taugt dennoch nur bedingt, denn Lombardos Platte ist stilistisch viel breiter aufgestellt und bleibt letztlich Drumset-orientiert. Schon eher gleichen sich beide Aufnahmen in dem Ansatz, improvisiert wirkende Stücke aufzunehmen. In den überraschenden und experimentellsten Momenten erinnert sie außerdem an das ein oder andere Bandprojekt von Patton.

"Rites Of Percussion" ist Groove-orientiert und atmosphärisch mystisch veranlagt, ein Geräuschemonster. Dafür mixt Dave Schlagzeug mit zahlreichen anderen Instrumenten und Effekten. Direkt zu Beginn des Openers "Initiatory Madness" denkt man unweigerlich an die düsteren Tribalparts, die Max Cavalera zuweilen verwendet. Der komplette Track, der passagenweise an Industrial denken lässt, gibt auch die durchaus chaotisch wirkende, vielschichte Atmosphäre der Platte vor.

Lombardo hatte offensichtlich nicht die Absicht, ein Album aufzunehmen, das in erster Linie ausgefeilte Skills als Schlagzeuger und Arrangeur zur Schau stellt. Er scheint vielmehr auf Tracks abzuzielen, die bei den Hörer:innen das Kopfkino anwerfen.

Im Entstehungsprozess schichtete er Aufnahmespur um Aufnahmespur, löschte wieder, bearbeitete die Spuren, setzte sie neu zusammen, so Lombardo im Blabbermouth-Interview. Der starke Groover "Journey Of The Host" läuft in erster Linie über seine Drums, teils kuriose Soundeffekte flankieren den Jam. Zuweilen ergänzen unheimliche Sequenzer-Sounds die Percussion- und Schlagzeugspuren, etwa bei "Inner Sanctum", bei dem in der zweiten Hälfte plötzlich ein Breakbeat-Pattern und später ein Riff auftauchen.

Auf "Maunder In Liminality" vernimmt man zur Percussion-Basis erneut ein Riff, auf dem verstörenden "Interfearium" dagegen ein atonal anmutendes Klavier, bei dem Neue Musik in den Sinn kommt. Bei "Guerrero" setzt nach einem Geräuschenebel im letzten Viertel erneut ein klarer Breakbeat ein. Beim kurzen "Blood Let" stellt Lombardo Blecharbeit in den Vordergrund. Auf "Omiero" glaubt man dann gar, eine menschliche Stimme zu vernehmen. Zwischen Tribal-, Industrial- und Schlagwerkstudie bewegen sich das hyperaktive "Vicissitude" oder auch "Warpath", das anfangs auf einem Frage-Antwort-Schema basiert.

Im angestammten und von Metalfans vielleicht erhofften Thrashtempo bewegt sich keines der 13 Stücke. Am ehesten erinnert noch "Separation From The Sacred" an die Doublebass-Attacken, für die Lombardo, der zuletzt gar eine Alternativepop-Platte mit Ehefrau Paula aufnahm (Venamoris), bekannt ist. Nach etwas über einer halben Stunde hat einen der Amerikaner aber trotzdem platt gespielt - im positiven Sinne. Ein Overkill fürs Kopfkino.

Trackliste

  1. 1. Initiatory Madness
  2. 2. Separation From The Sacred
  3. 3. Inner Sanctum
  4. 4. Journey Of The Host
  5. 5. Maunder In Liminality
  6. 6. Despojo
  7. 7. Interfearium
  8. 8. Blood Let
  9. 9. Warpath
  10. 10. Guerrero
  11. 11. Vicissitude
  12. 12. Omiero
  13. 13. Animismo

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1 Kommentar

  • Vor einem Jahr

    interessant sind auch die Interviewteile auf YT wo Dave aus seiner Slayer Zeit berichtet; wie praktisch trotz ordentlicher Albenverkäufe für die Band kaum was übrig blieb. Da wäre die Frage ob damit die ganze Band gemeint ist, oder nur Teile davon.