laut.de-Kritik

Die Paten des Nu Metal blicken zurück.

Review von

"For years we've been asked, 'Are you guys gonna make a DVD?' and 'Why don't you guys put all the songs that aren't on your albums on 1 record?' Well, here you go." Lapidarer kann die Erklärung nicht sein, mit der die Deftones ihre B-Seiten Compilation/Video-Sammlung auf den Markt werfen. Irgendwann Anfang der Neunziger den harten, staubigen Straßen von Sacramento, Kalifornien, entsprungen, entwickelten sich die Deftones zu einem der Paten des Nu Metal, dieses frischen, harten Sounds, der dann hauptsächlich durch diesen Typ mit der roten Kappe den ganz großen Durchbruch erfuhr, um danach gehörig in Misskredit gebracht zu werden.

Mit der Popularität von Korn, Limp Bizkit und Linkin Park (die ich auf der White-Pony-Tour noch im Vorprogramm der Deftones sehen durfte) ging ein wenig unter, dass eben jene Paten um den - und ja, hier passt das zur Floskel verkommene Wort mal wirklich - charismatischen Frontmann Chino Moreno drei der wichtigsten Scheiben des Genres veröffentlicht haben. Das rohe "Adrenaline" (1995), das hymnische "Around The Fur" (1997) und das epische "White Pony" (2000) sind solch essentielle Alben, dass eigentlich keines im Plattenschrank des Gitarrenmusikfans fehlen darf. Mit der letzten selbstbetitelten Langrille stagnierten die Deftones auf ganz hohem Niveau, da scheint eine Retrospektive in Form einer Raritätensammlung durchaus angemessen.

Auf der schlicht betitelten CD gehen sie allerdings nicht chronologisch vor, was gut für die Stimmung ist (es kommt tatsächlich so etwas wie ein Spannungsbogen auf), es aber ein wenig schwer macht, die Songs den verschiedenen Schaffensphasen zuzuordnen. Der für Deftones-Verhältnisse locker aus der Hüfte gespielte Einsteiger "Savory" entstand in einer Jamsession mit der befreundeten Sacramento-Band Far und wurde bis jetzt nur auf deren EP "Soon" veröffentlicht. Wenn hier noch nicht ganz so viel hängen bleibt, trifft es einen mit "Wax And Wane" von den Cocteau Twins um so härter. Wie geil ist das denn? Zum einen beweisen die Deftones, dass sie nicht einen auf dicke Hose machen müssen, was die gecoverten Bands angeht. Scheuklappen kennen sie wahrlich nicht. Zum anderen zeigt sich hier, dass sie viel Fingerspitzengefühl besitzen und genau den richtigen Ton zwischen nötigem Respekt vor dem Original und notwendiger musikalischer Eigenständigkeit treffen. Stimmungsmäßig liegt die Nummer aus dem Jahr 1982 ganz weit vorn.

Neben den Coverversionen finden sich auch drei Akustikversionen ihrer eigenen Hits "Change ("In The House Of Flies)", "Be Quiet And Drive (Far Away)" und "Digital Bath" als Raritäten auf der Zusammenschau. Obwohl ich kein Freund stromloser Versionen von Stromgitarrensongs bin, gelingen die bei den Deftones (zugegebenermaßen erwartungsgemäß) gut. Sie schaffen es, die leicht bedrohliche Stimmung vor allem der "White Pony"-Stücke auch ohne Saft zu transportieren. Die ersten beiden waren schon einmal veröffentlicht und dürften Fans bekannt sein. Doch zurück zu den Coverversionen, die sind doch interessanter. Ganz weit zurück und weit ab vom Nu Metal-Pfad wagen sie sich mit einer - für ihre Verhältnisse fast schon leisen - Version von Lynyrd Skynyrds "Simple Man", immerhin von deren 73er-Debüt "Pronounced Leh-nerd Skin-nerd". Und das fast schon cheesige Solo ist der Wahnsinn - wenn man auf Southern Rock steht.

Auch wenn alle gecoverten Bands Ikonen für die Deftones sind, gibt es tatsächlich einige Gruppen, die besonders hervor stechen. So zum Beispiel Helmet, denen mit einer tonnenschweren Variante ihres "Sinatra" von deren Debütalbum "Strap It On" (1990) gedacht wird. Gitarrist Stephen Carpenter merkt im Booklet an: "We did this one just to play loud." Das Vorhaben ist gelungen. Zwei weitere großartige Cover haben die Deftones mit The Cures "If Only Tonight We Could Sleep", das sie anlässlich einer Veranstaltung zu Ehren der Engländer spielten, und "Please Please Please Let Me Get What I Want" ausgegraben. Der Smiths-Klassiker wird dabei so gut adaptiert und so beiläufig gesungen, dass ich mich kaum entscheiden kann, ob Muse oder die Deftones das bessere Plagiat abliefern.

Zwei weitere ungewöhnliche Nummern birgt "B-Sides & Rarities" mit Sades "No Ordinary Love" und Duran Durans "The Chauffeur". Doch auch hier verlassen mich die Deftones nicht, gerade "No Ordinary Love" bekommt eine bitter nötige Haarkur. Das Album wird abgerundet durch drei weitere "Raritäten", dem düsteren "Crenshaw Punch/I'll Throw Rocks At You" von der "Change (In The House Of Flies)"-Single (2000) und die bisher unveröffentlichten "Teenager" (als Kollabo mit der Band Idiot Pilot) und "Black Moon", einem Überbleibsel von den "White Pony"-Sessions. Hier rappt B-Real von Cypress Hill auf einen verstörenden Soundteppich: Linkin Park und Jay-Z sind da ganz schnell vergessen.

Mitgeliefert wird im schicken Digi-Doppelpack eine DVD mit den Videos von "7 Words" bis hin zu "Bloody Cape". In "Be Quiet And Drive (Far Away)" wirkt Moreno zeitweise seltsam entrückt wirkt. Mit den Kurzfilmen von den "White Pony"-Singles dann die neuen Deftones: weniger direkt in Ton und Bild, mehr Plot, offensichtlich auch mehr Geld in der Produktion und dieser Besorgnis erregend aufgedunsene Moreno. Dass er sich bis heute so gut gehalten hat, ist ein Wunder. Aber andere halten es ja auch lange mit dem Alkohol aus. Es fällt darüber hinaus auf, dass in fast allen Videos eine performende Band zu sehen ist. Als ob sie ihre Qualitäten als Live-Band noch beweisen müssten. Zusammen gehalten werden die Videos durch Live-Schnipsel, private Videos und Interviewteilchen. Einzig das Menu ist ein wenig lieblos gestaltet.

Alles in allem vertreibt "B-Sides & Rarities" die Zeit bis zum nächsten Studioalbum, das für das nächste Frühjahr angekündigt ist. Und weil es bei den Deftones mit den Wünschen so einfach ist: Why don't you guys go into the studio and record another kickass album?

Trackliste

CD

  1. 1. Savory
  2. 2. Wax And Wane
  3. 3. Change (In The House Of Flies) (Acoustic)
  4. 4. Simple Man
  5. 5. Sinatra
  6. 6. No Ordinary Love
  7. 7. Teenager (Idiot Version)
  8. 8. Crenshaw Punch/I'll Throw Rocks At You
  9. 9. Black Moon
  10. 10. If Only Tonight We Could Sleep
  11. 11. Please Please Please Let Me Get What I Want
  12. 12. Digital Bath (Acoustic)
  13. 13. The Chauffeur
  14. 14. Be Quiet And Drive (Far Away) (Acoustic)

DVD

  1. 1. 7 Words
  2. 2. Bored
  3. 3. My Own Summer
  4. 4. Be Quiet And Drive (Far Away)
  5. 5. Change (In The House Of Flies)
  6. 6. Back To School (Mini Maggit)
  7. 7. Digital Bath
  8. 8. Minerva
  9. 9. Hexagram
  10. 10. Bloody Cape
  11. 11. Engine Number 9
  12. 12. Root (Bonus Feature)

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