laut.de-Kritik

Josh Hommes Wüsten-Workshop mit Mezcal und Musik.

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Wie es klingt, wenn man das Songwriting in einen Alltag quetscht, der mit der Erziehung von drei Kindern, Radio-Verpflichtungen bei Apple Music und juristischem Geplänkel mit alten Bandkollegen eigentlich ausreichend gefüllt ist, wissen wir seit dem letzten QOTSA-Album "Villains". Schwamm drüber: Auch einer Rock-Legende wie Josh Homme musste bei seinen Gipfelbesteigungen irgendwann der Sauerstoff ausgehen. Ist ja nur menschlich, wenn ich das mal so frei aus dem virtuellen Fotograben des Rock'n'Roll heraus formulieren darf.

Dass das siebte Queens-Studioalbum ungefähr die visionäre Kraft der siebten Black Sabbath-Platte "Technical Ecstasy" versprüht: längst vergessen, zumindest seit Hommes erlösender Ankündigung, dass 16 Jahre nach "Volume 9 & 10" eine Fortsetzung der legendären Desert Sessions-Reihe erscheint. Motto: Smoke & Play, Ehefrauen und Kinder unerwünscht, die waren 2003 schließlich auch nicht dabei.

Arrivederci Despair: Schon das Albumcover ist wieder gespickt mit alten Motiv-Bekannten und abseitigem Humor. Die kaputten Glühbirnen der "Era Vulgaris" kommen einem in den Sinn, um ein lückenhaftes Gebiss herum sind die Worte "Geizkragen & Schwachköpfe & Kritiker & Schurken" drapiert. Während sich die Herren der Schöpfung eine dieser Zuschreibungen aussuchen dürfen, rauschten dieses Mal nicht Rock-Göttinnen wie PJ Harvey ins Wüstenstudio der Palm Desert, sondern Musikerinnen aus der zweiten Reihe: Carla Azar, Schlagzeugerin von Jack White, eine gewisse Libby Grace sowie Stella Mozgawa, Schlagzeugerin von Warpaint. Das ist folgerichtig. So traurig man sein darf, dass etwa Mozgawa nicht ihren früheren Produzenten John Frusciante als Surprise Act mitbrachte: Die Desert Sessions standen noch nie für Namedropping, dafür sorgten später all die Kritiker-Schwachköpfe.

Josh Homme ging es immer zuvorderst um den Spirit und das Sich-fallen-lassen in der Abgeschiedenheit der kargen Natur rund um das zum Mythos gewordene Wüstenstudio Rancho De La Luna. Mike Kerr von Royal Blood, mit 29 Jahren einer der jüngsten Gäste, beschreibt das Erlebnis Desert Sessions so: "Es ist so ein ähnliches Gefühl, wie wenn du gemeinsam auf einer Klippe stehst und dich fragst, wer zuerst springt. Dann hat jemand eine Idee, die anderen steigen ein, und es fühlt sich gleich vertraut an. Nach der Hälfte des Tracks denkst du: Fucking hell, ich kenne diese Leute nicht mal, und jetzt schreiben wir einen Song zusammen. Eine sehr starke Erfahrung."

Findet auch Blues-Grandpa Billy F. Gibbons. Der hat mit seinen knapp 70 Jahren sowieso schon alles erlebt und kommt deshalb auch gleich mit Zeilen über Frauen und Saufen zum Thema: "She don't like my empty Whiskey bottles / I don't like the smell of her hair spray / she don't like my empty bank account." Wenn der Opa Stuss redet, steigt auf der Party bekanntlich die Stimmung.

Nichts anderes lässt sich auch über "Move Together" sagen, das mit schiefen Keyboards beginnt und über ein infernalisches Rock-Break in einen soulartigen, mehrstimmigen Abschluss der Güte überleitet, in dem Gibbons so etwas wie das Leitmotiv des einwöchigen Lust-For-Life-Workshops formuliert: "We like the way we move together." Am Ende hat man sich wieder lieb, deshalb klirren auch die leeren Flaschen.

Them Crooked Vultures-Feeling kommt bei "Noses In Roses, Forever" auf, einem von zwei Songs mit Homme als Leadsänger, zumal hier ähnlich genial wie damals beim Album mit John Paul Jones und Dave Grohl drei grundverschiedene Teile wundersam zusammenfinden. Die Gitarrenmeditation "Far East For The Trees" erinnert an die assoziativ geprägten Ruhepausen früherer Editionen und featuret mutmaßlich Rancho-Besitzer David Catching. Belegt ist das zwar nicht, den Vibe der Wüste transportiert die Nummer aber so gnadenlos, wie es nur ein Einwohner draufhaben kann.

Apropos Mutmaßungen: Beim Hellfest plauderte Gibbons im Sommer aus, er komme gerade von Aufnahmen mit Homme und Grohl. Letzterer wird zwar ebenfalls nirgends gelistet, dafür aber ein völlig unbekannter Finne namens Töôrnst Hülpft, der laut Discogs 1972 ein Album als Töôrnst Hülpft And Lapland's Grand Handstand Band veröffentlicht haben soll. Später stellte sich die Info als Fake heraus. Homme bleibt trotzdem ernst und betonte, dass Hülpft eines Tages mit Schauspieler Matt Berry im Studio auftauchte und er daher davon ausging, es handele sich um einen Freund Berrys. Viel später erfuhr er, dass Berry wiederum dachte, Hülpft sei einer der zahlreichen anwesenden Homme-Buddys, die schon tagelang im Studio arbeiteten. Da soll der Finne bereits eine Tonspur eingesungen haben.

Seither rätseln Fans, ob sich dahinter nicht eventuell doch Grohl oder ein anderer berühmter Saufkumpan Hommes verbirgt. Hülpfts Beitrag "Chic Tweetz" grenzt jedenfalls an durchgeknalltesten Ween-Wahnsinn mit finnisch gefärbtem Zungenschlag und Lebensweisheiten der Sorte "Call me a drink, my Schmutzfink!" Mozgawa verriet derweil, dass Hobby-Winzer Les Claypool (Primus) ein paar Flaschen seines kalifornischen Tropfens mitführte, außerdem wusste sie vom hauseigenen Rancho-Mezcal nur Positives zu berichten. Go with the flow.

Wo Homme Libby Grace aufgelesen hat, die in der Jam-Ballade "If You Run" brilliert, dürfte dagegen bald durchsickern, zählt sie doch zu den Entdeckungen dieser Platte. Keine zwei Minuten lang ist "Crucifire" mit Mike Kerr am Mikro, eine so unspektakuläre wie zielgerichtete Highspeed-Nummer, die vielleicht auch einen Tick zu erwartbar wirkt, weil der Royal Blood-Sound keine Lichtjahre entfernt ist. Anders dagegen Jake Shears von den Scissor Sisters, der danach auf dem lässigen "Something You Can't See" viel Sehnsucht und 70s-Vibes transportiert. Inhaltlich geht es um die Einsamkeit, die er nach dem Erkennen seiner Homosexualität durchmachen musste. Auch die Instrumentierung wirkt so perfekt und homogen, dass man gar nicht glauben mag, dass dies das Produkt eines zusammengewürfelten Haufens darstellt.

Mit "Easier Said Than Done" beendet der Chef die Vorstellung dann mit einer Pianoballade und sehr nah an "...Like Clockwork", was natürlich nicht schlecht ist, sofern man nicht gerade auf einen psychedelischen Monster-Rocker wie beispielsweise "A#1" von "Volume 6" gehofft hat. Aber Brant Bjork, Nick Oliveri, Gene Trautmann und die anderen Begründer dieses trockenen Stoner-Sounds sind weg, und Homme blickt nach vorne. "Desert Sessions", good to have you back.

Trackliste

  1. 1. Move Together
  2. 2. Noses In Roses, Forever
  3. 3. Far East For The Trees
  4. 4. If You Run
  5. 5. Crucifire
  6. 6. Chic Tweetz
  7. 7. Something You Can't See
  8. 8. Easier Said Than Done

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8 Kommentare mit 11 Antworten

  • Vor 4 Jahren

    Ragism, QOTSA, sind nach Songs for the Deaf nur noch schlechter geworden!

  • Vor 4 Jahren

    BANDS DÜRFEN SICH NICHT WEITERENTWICKELN! ICH WILL 1384831 MAL DASSELEBE ALBUM HABEN DAMIT ICH MECKERN KANN, DASS SIE KEINE IDEEN MEHR HAT!!!!

    Oh, fuck, moment.

  • Vor 4 Jahren

    Ich wollte hier einmal, nachdem die Platte zum Release etwas bei mir untergegangen ist, nachträglich noch ein paar Worte verlieren. Wobei so viele dann doch nicht, weil ich finde, dass der gute Schuh das in seiner wieder einmal vorzüglichen Rezension schon alles sehr gut auf den Punkt gebracht hat.

    Platte ist mMn nach absolut gelungen. Stilistisch sehr vielfältig und bis auf Chic Tweets als novelty item sind die Songs auch durch die Bank wirklich gut. Von mir auch eine 4/5. Wenn man's mit einem regulären Album vergleicht aufgrund der Kürze vllt eher 3/4, aber im Sessions/EP-Kontext gehen 4/5 definitiv klar.