laut.de-Kritik
Das Herz für die 80er schlägt bittersüß.
Review von Sven KabelitzDie Suche nach dem Wunderbaren kann hässlich enden. Der Video- und Konzeptkünstler Bas Jan Ader bezahlte sie wahrscheinlich mit seinem Leben. Für den zweiten Teil seines Triptychons "In Search Of The Miraculous (One Night In Los Angeles)" versuchte er sich 1975 in einem winzig kleinen Segelboot an einer Atlantiküberquerung und ward seitdem nie mehr gesehen. Desperate Journalist ergeht es bei ihren Nachforschungen weitaus besser, denn am Ende steht das dritte Album der Londoner Postpunk-Band.
Die Energie für das Werk bezieht Sängerin Jo Bevan ganz aus Aders Werk, aus der Erhabenheit, die in den unsichersten Momenten des Fallens entsteht. Diese Ungewissheit, die sich durch die schicksalsschweren Gabelungen unseres Lebens zieht. Wenn wir am zerbrechlichsten sind, sind wir am schönsten.
Desperate Journalists Sturz fällt hingegen vorsichtig und mit aufgespanntem Netz aus. "In Search Of The Miraculous" stellt eine Feinjustirung und behutsame Weiterentwicklung, keine Revolution dar. Dabei fällt auf, dass diese vor allem zu lasten schnellerer Songs wie "Control" ("Desperate Journalist") und "Hollow" ("Grow Up") geht.
Gleich der Opener "Murmuration" zeigt stattdessen eine schwerfällige Eleganz. Ein bedrohliches Grollen geht von Simon Drowners dröhnendem Bass und Caz Hellbents rumpelndem Schlagzeug aus. Dagegen stehen Rob Hardys elegant schimmerndes Gitarrenspiel und Bevans klarer, sich immer wieder überschlagender Gesang. Gegensätze, die gemeinsam eine knisternde Spannung erzeugen.
Eine Entwicklung, die vor allem durch Drowner und Hellbent immer wieder in Richtung der einzig relevanten The Cure-Trilogie ("Seventeen Seconds", "Faith", "Pornography") deutet. Das Schlagzeug in "Black Net" verdeutlicht dies noch einmal auffällig. Dem Song wohnt dieselbe beklemmende Grandezza inne, wie einst einem Song wie "The Hanging Garden". Doch der vollkommen in eine andere Richtung aufbrechenden Gesang sowie die Gitarre federn die Schwermut ab und verhindern, dass Desperate Journalist zu einer bloßen Kopie verkommen.
Dabei zeigt die Band weiter ihr Herz für die 1980er, verbindet ihren eigenen Sound immer wieder mit Flashbacks auf The Smiths, The Cult, Mazzy Star und andere vergangene Größen. Es ist das Verständnis für diese Zeit und einnehmende Melodien, die Desperate Journalist aus der Masse herausstrahlen lässt.
Weiterhin von bittersüßer Melancholie getrieben, jedoch weitaus leichtfüßiger klingen Bevan und Konsorten im mitreißendem "Cedars". "Cold in the night, it is autumn, and the cedars never blossomed." In "Jonatan" erinnert vor allem Hardys Gitarre deutlich an The Cults eleganten Gothrock zu "Love"-Zeiten. Nur um in diesem Umfeld aufsässig zu singen: "I never liked your favourite band / ... / With all your sadness grains of sand / More than anyone can stand".
"International Waters" bezieht sich direkt auf Bad Jan Aders Leben und Reise, verbindet diese jedoch durch den Vergleich zum endlos erscheinenden Ozean geschickt mit den aus dem Brexit auftretenden Problemen. "Off the coast of Ireland / What's the point in borders." Hardys Gitarre baut sich langsam auf wie bedrohliche Wellen. "Because miracles, they don't happen here / In these international waters."
Ader ging auf seiner Fahrt verloren, was seinem Werk eine Tragik aber ebenso unvollkommene Schönheit verlieh. Ein Schicksal, das Desperate Journalists "In Search Of The Miraculous" erspart bleibt. Unverrückbar und in Stein gemeißelt, steht es nun in der Diskographie. Doch demonstriert es deutlich, dass die Band noch lange nicht stillsteht. Sie bleibt weiter auf der Suche nach dem Wunderbaren.
2 Kommentare
Die Band die Dolores gebraucht hätte 4/5 geht klar
Very British. Kennt noch jemand The Sundays?