laut.de-Kritik

Die Melodien arabern wunderbar vor sich hin.

Review von

"Ich brauche mich - auch nach dem 11. September - nicht zu schämen, Araber zu sein. Ich bin stolz darauf und brauche mich auch nicht zu entschuldigen". Selbstbewusst verweist Dhafer Youssef auf die miserable Angriffspolitik im vergangenen Irak-Krieg und outet sich damit als politisch engagierter Musiker. Ähnliche Äußerungen bescherten ihm in seiner Heimat Tunesien schon einen Gefängnisaufenthalt.

Dhafer Youssef hat wirklich keinen Grund sich zu entschuldigen. Während seiner ersten europäischen Jahre schlug er sich als Tellerwäscher, Fensterputzer und Pizzaverkäufer durch, ehe er 2001 mit seinem zweiten Album "Electric Sufi" für erregtes Aufsehen und intensives Hinhören sorgte. Seine eigenständige Mixtur aus arabischen Melodien und vokalen Lautmalereien mit zeitgemäßem Jazz sorgt für bebende Gemüter und begeisterte Kritiker.

Als er 2002 im Interview mit LAUT die Zusammenarbeit mit Nils Petter Molvaer erwähnte, konnte man bereits Ungeheuerliches erahnen. Im Zentrum der europäischen Jazzerneuerungsfabrik angelangt, offeriert Dhafer mit "Digital Prophecy" ein wahres Musikjuwel. Dass dabei die wichtigsten Szene-Wikinger mit von der Partie sind, macht die Scheibe umso aufregender. Eivind Aarset - der Gitarrenmagier und Herr über die Nordland-Soundscapes - , Bugge Wesseltoft, mit seinem Jazzland-Studio der Dreh- und Angelpunkt der norwegischen Szene, und Nils Petter Molvaer, der Mann, der 1998 mit "Khmer" den ganzen Nordmanns-Hype los trat, sorgen für die nötige Medienaufmerksamkeit. Unterstützt wird die Prominenz von Ronu Majumdar (Trilok Gurtu, Ry Cooder) an der Bansuri, einer indischen Flöte, und dem Beatprogramming-Duo Rune Arnesen / Jan Bung.

Dhafer Youssef zieht mit "Digital Prophecy" seine Jazzpants aus und kleidet sich mit einer exquisiten Elektro-Bux. Die Weltmusiksocken und das Jazz-Shirt behält er jedoch an. Die Melodien arabern wunderbar vor sich hin. Die Oud und das Bansuri kontrastieren akustisch die elektronischen Klangwelten. Dhafer hat einfach das Händchen für die richtige Mischung.

Obwohl Dhafer Youssef für meinen Geschmack etwas zu wenig singt (sein Gesang ist wirklich einzigartig - weiß eigentlich jemand, weshalb wir im Gesicht keine Gänsehaut bekommen?) dürfte er mit "Digital Prophecy" und der Unterstützung seiner namhaften Partner einen größerem Publikum bekannt werden. Verdient hat es der ehemalige Tellerwäscher allemal.

Trackliste

  1. 1. Diaphanes
  2. 2. Aya (1984)
  3. 3. Dawn Prayer
  4. 4. Sparkling Truth
  5. 5. Ysamy
  6. 6. Holy Breath
  7. 7. Seventh Heaven Suite
  8. 8. Wood Talk
  9. 9. Holy Lie (Empired D'Ivresse Suite)
  10. 10. Flowing Water

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