22. Juni 2012
"Ich bin fremdgegangen"
Interview geführt von Michael SchuhDas außergewöhnliche Projekt erfordert außergewöhnliche Planung. So tat sich Meier mit dem Klangkünstler Andres Bosshard und dem Lichtdesigner Roger Staub aus Los Angeles zusammen, letzterer bereits als Stagedesigner für Beyoncé zu Ruhm gekommen. Bei einer Pressekonferenz in seinem Zürcher Restaurant Bärengasse legt Meier Wert darauf, bei diesem Spektakel nicht im Mittelpunkt zu stehen, er werde von seinen Kollegen lediglich inszeniert, so Meier. "Der Rheinfall ist das Orchester, ich bin allenfalls der Bariton." Wenngleich er Details zu seinem Auftritt selbstverständlich für sich behält.
Klar ist nur, dass Meier mit dem Tosen des Wassers ins Duett tritt, während sein virtuelles Abbild den Rheinfall besteigen wird. Hinzu kommt die spezielle Komposition des Soundmeisters Bosshard. Man habe sich bei der Inszenierung vor allem auf die Klangfarbe des Rheinfalls konzentriert, erklärt Meier. So sei in gewisser Weise "eine neue Form von Wassermusik" entstanden.
Keine philosophischen Deutungsversuche also, sondern eine dadaistische Abhandlung. Von Beginn an seien sich alle Beteiligten darüber im Klaren gewesen, dass man die mystische Urgewalt des Rheinfalls mittels dargestellter Ironie relativieren müsse. Meier nennt das Experiment ein Spiel mit dem Größenwahn. Und spürte trotz der besonderen Umstände der Vorbereitung keine Form künstlerischer Befreiung: "Ich spüre nie Befreiung. Das Leben ist eine einzige Befreiung."
Er halte es da gerne mit dem bekannten Satz "Werdet wie die Kinder": "Ein jüdischer Wanderprediger hat das gesagt, ein wunderbarer Satz. Er verfolgt eigentlich mein ganzes Leben. Jesus wurde im Laufe der Geschichte ja grausam verkrümmt zu dem, was er heute ist. Der war ja wahrscheinlich ein weiser und guter Mensch und nicht unser Herr, wie er immer genannt wird. Er ist ein guter Freund. Da ich Atheist bin, gehe ich damit sehr locker um."
Wenn der Auftritt beim Rheinfall Festival verdaut ist, freut sich Meier schon wieder auf seinen ursprünglichen und bekanntesten Soundboss, Yellos Boris Blank. "Wir sind schon dran an einer CD, die bald fertig sein wird", plaudert der Sänger aus dem Nähkästchen. "Es schwirren momentan viele lustige visuelle Ideen im Raum und wir hoffen, das Album im Oktober aufnehmen zu können. Der Arbeitstitel lautet 'Mellow Yello'." Der Name könnte zum Programm werden: "Früher waren unsere CDs ja richtige Achterbahnfahrten mit Größenwahnsinn, Kitsch, hier südamerikanisch, da orchestral. Die neuen Sachen fließen eher so dahin, finde ich. Das war auch die ursprüngliche Idee."
Ob Blank auch die Reise nach Schaffhausen zu Meiers Wassermusik-Rezital antreten wird, weiß der Sänger nicht. Er habe sich aber sehr darüber gefreut, seinen Kollegen kürzlich bei der Zürcher Uraufführung seiner akustischen Band Out Of Chaos im Kaufleuten begrüßen zu dürfen. "Obwohl es etwas ganz anderes war als Yello, fand er das gut. Ich bin ja sozusagen fremd gegangen. Aber als er gesehen hat, dass ihm mein Fremdgehen Spaß bereitet, war es in Ordnung", witzelt Meier.
Im Vorfeld sei er nämlich durchaus darauf gefasst gewesen, sich kritische Töne anhören zu müssen. "Blank hätte auch sagen können: 'Was für ein Blödsinn, das passt mir nicht, bleib du mal bei Yello.' Mir hat es daher viel Spaß bereitet, ihm zu zeigen, dass ich das kann. Denn es ist eine Sache, als Studiomusiker vor 500 Spuren zu sitzen, wo du alles tausend Mal wiederholen kannst. Aber auf einer Bühne in real time 90 Minuten lang zu singen ist etwas ganz anderes. Er hat eigentlich eher gedacht, dass ich das nicht kann."
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