laut.de-Kritik
Ein Lärmspektakel zwischen Disco, Punk und Noise.
Review von Mathias MöllerDisco Drive aus Turin sind eine jener Bands, die ein Lied singen können von den Wirrungen des internationalen Musikbusiness. In Deutschland unter den Fittichen des Münchener Liebhaberlabels Hausmusik war die Veröffentlichung ihres Zweitlings "Things To Do Today" für den Spätsommer geplant. Höchste Zeit, hatten einige der Songs doch schon gut ein Jahr auf dem Buckel.
Doch dann kündigte Hausmusik den Rückzug aus dem Geschäft zum Ende des Jahres an und vorbei wars mit dem Vertrieb nördlich der Alpen. So erscheint die Platte nun mit einiger Verspätung endlich im November. Gott sei Dank!
Denn auch "Things To Do Today" hat es, wie der Vorgänger "What's Wrong With You, People?" in sich. Der Opener "Grow Up!" beginnt mit einer Sirene, nicht unähnlich der von Black Strobes "Brenn Din Ega Kjerke". Doch das wars auch schon mit den Gemeinsamkeiten.
Schwerfällig groovt der bassgetriebene Eröffnungstrack vor sich hin, die Gitarren zu einem dichten Feedbacknebel zerstäubt. Auch "The Flower Stall" groovt enorm, was sich live dank des doppelten Schlagzeugs noch einmal verstärken dürfte. Und auch der Wechsel am Bass von Andrea zu Matteo scheint dem Sound nicht geschadet zu haben.
Nach einer Minute geht es bei "The Flower Stall" dann Disco-Drive-typisch zur Sache. Singende Gitarren und repetitiver Gesang wabern und explodieren über dem groovy Fundament. Disco meets Punk meets Noise! Live hat das Trio "It's A Long Way To The Top" schon länger im Programm, auf Platte wird es mit einem kollektiven Hecheln eingeleitet. Atemlos nach oben, darauf kommt man wohl nur mit der nötigen Portion Wahnsinn. Auch aus der Konserve geht diese Nummer mächtig ins Becken.
"Goodbye" präsentiert sich ähnlich stark, stampfend und mit bratzend verzerrten Gitarren. Doch auch hier verlässt sie der Wille zur Tanzbarkeit nicht. "Things To Do Today" groovt von vorne bis hinten, als wäre es des Trios alleinige Aufgabe, Gitarrenmusikhörer zur Disco zu bekehren. "Gonna Love This" ist vielleicht ein Stück zu lang geraten, hier tritt doch eine störende Redundanz auf.
Nicht so "What Are You Talking About And Why Are You Talking About It?" - nach einem bizarren A-Capella-Einstieg, bei dem sich alle Bandmitglieder wie in einem schlecht gelaunten Männerchor überschreien entwickelt sich ein famoser Track, der ebenfalls live schon seine Qualitäten bewies. Ein wunderbares Lärmspektakel, das je nach Lust und Laune der drei Protagonisten mal die schreienden Gitarren, mal den Bass und mal die Drums in den Vordergrund stellt.
"Fingers And Nails" überrascht dann ein wenig mit einem Monsterbass, den man sonst eher aus amerikanischem Hip Hop zu kennen glaubt. Den Rhythmus geben hier Handclaps vor und eine hypnotische Gitarrenlinie geht im mehrstimmigen Gesang fast unter. Eine Nummer, die mit jedem Hören besser wird.
Dann kehrt zuverlässig der Groove zurück: "Out Of Sound" besitzt sogar mal so etwas wie eine eingängige Hookline. Doch auch hier beweisen Disco Drive einmal mehr, dass sie ein Ohr fürs Detail haben: perkussives Drumstick-Geklapper auf allerlei Gegenständen stellt das etwas andere "Solo" in diesem Stück dar.
Der Titeltrack prügelt dem Hörer dann fette Beats um die Ohren, auf denen die Italiener sich noch mal so richtig austoben. Wer jetzt noch nicht schwitzt, besitzt kein Herz für Musik. Das abschließende "Cholsey" entlässt den Hörer mit einer langsamen, fast schon nachdenklichen Note. Nur ganz am Ende bricht der Song noch einmal aus. Insgesamt gelingt es Disco Drive auf ihrem zweiten Album, Noiserock und Disco so zu verbinden, dass ein ganz großes Hörvergnügen heraus kommt.
Noch keine Kommentare