laut.de-Kritik
Liebevolles Andenken an einen viel zu früh verstorbenen Musiker.
Review von Sven KabelitzObwohl seine aktive Karriere gerade einmal die erste Hälfte der 1970er überdauerte, zählt Donny Hathaway zu den wohl einflussreichsten Soul-Musikern. Bevor Depressionen ihm Jahre seines Schaffens und letztendlich wohl auch das Leben kosteten, fesselte Hathaway als getriebener Songwriter, Arrangeur und brillanter Pianist. Sein Vibrato, mal zärtlich, mal kraftvoll, ließ ihn zu einem der größten Soul-Sänger seiner Generation aufsteigen. Die Retrospektive "Never My Love: The Anthology" wirft mit einer Auswahl seiner Studio- und Live-Tracks sowie 23 bisher unveröffentlichten Stücken einen Blick zurück auf die viel zu kurze Karriere des Musikers.
Mit "Favourites" startet die Erste der insgesamt vier CDs mit einer Auswahl aus den Alben "Everything Is Everything", "Donny Hathaway", "Extension of a Man" und dem Soundtrack zu "Come Back Charleston Blue". Ausgehend vom Motown-Sound der mit Hilfe von Curtis Mayfield geschriebenen und noch unter dem Namen June & Donnie veröffentlichten Single "I Thank You Baby", beschreitet Hathaway im weiteren Verlauf die verschiedensten Möglichkeiten und Genres.
Den größtenteils instrumental gehaltenen und hier in zwei Teile aufgestückelten Klassiker "The Ghetto" trägt ein gediegener Soul-Jazz-Groove. Vom Blues infiziert entbrennt in "Voices Inside (Everything Is Everything)" ein Kampf zwischen massigem Basslauf, stürmischem Bläser-Arrangement und Piano. Das emotionsgeladene Cover von Leon Russels "A Song For You" steht dem energischen Beat der "Magnificent Sanctuary Band" entgegen. Gelegentlich ließ der US-Amerikaner jedoch auch die überzuckerte Grenze zum beliebigen Easy Listening hinter sich, was "Come Back Charleston Blue" und der Weihnachtsklassiker "This Christmas" verdeutlichen.
"Someday We'll All Be Free" gehört zu Donny Hathaways dringlichsten Liedern. Auf der "Love, Love, Love"-B-Seite versteckt und im Kampf für die Rechte der Afroamerikaner missinterpretiert, entwickelt sich das Stück zu einem seiner wichtigsten Aufnahmen und stellt ihn endgültig auf eine Stufe mit Stevie Wonder.
Die auf der zweiten CD folgenden unveröffentlichten Studioaufnahmen stammen zum größten Teil aus der Zeit nach "Extension Of A Man", in der Hathaway irrtümlicherweise als unproduktiv galt. Die schrecklich kitschige Addrisi Brothers-Ballade "Never My Love" verwandelt er in einen leidenschaftlichen Soul-Song, nur um in "A Lot Of Soul" in lupenreinem Country zu verfallen.
Neben dem bittersüßen "Memory Of Our Love" finden sich einige interessante Instrumentals ("Tally Rand", "Latin Time", "Brown Eyed Lady") und eine hektische Anbiederung an die Disco-Ära ("After The Dance Is Done"). Das epische "Zyxygy Concerto", in dem sich ein Orchester und Hathaways Piano zwanzig Minuten aneinander fügen, entwickelt sich schnell zu einem der Highlights auf "Never My Love: The Anthology".
Aus einigen der restlichen Aufnahmen des 1972 erschienen "Live"-Longplayers entsteht "Live At The Bitter End, 1971". Beginnend mit Marvin Gayes reduzierten "What's Going On" bis hin John Lennons "Jealous Guy", das Hathaway zu einem Delta-Blues mitsamt Honky-Tonk-Piano umfunktioniert, besteht der Set im Großen und Ganzen aus besitzergreifenden Cover-Versionen. Aus "The Ghetto" und "Voices Inside (Everything Is Everything)" entstehen ausufernde Funk-Jams. Vor einem beschaulichen Rahmen von gerade einmal 200 Menschen eingespielt, zeigt "Live At The Bitter End, 1971" mit exzellenter Unterstützung (Cornell Dupree/Gitarre, Willie Weeks/Bass und Fred White/Schlagzeug), dass Hathaways wahre Stärke auf der Bühne lag.
Die letzte CD widmet sich der gefeierten Kollaboration mit Atlantic Records-Kameradin Roberta Flack. Hier versammelt sich alles, was die beiden gemeinsam aufgenommen haben. Sämtliche Stücke vom gefeierten "Roberta Flack & Donny Hathaway"-Album, über die Single "The Closer I Get To You" bis hin zu den beiden posthum veröffentlichten Liedern "You Are My Heaven" und "Back Together Again". Neben den Hits "You've Got A Friend" und dem ebenso stilsicheren wie zeitlosen "Where Is The Love" finden sich einige weitere Schätze. Beispielsweise die zu Herzen gehende und von Hathaway allein aufgenommene Ballade "For All We Now" oder das meditative "Mood". Hier hofieren sich Flack und Hathaway an Akustik-Piano und Wurlitzer.
Mit "Never My Love: The Anthology" gelingt ein hochwertiges sowie liebevoll zusammengestelltes Andenken an einen viel zu früh verstorbenen Musiker. Eine Reminiszenz, die unveröffentlichte Bilder sowie detaillierten Erinnerungen des Musikjournalist Charles Waring erweitern. Auch fast 25 Jahre, nachdem Hathaway tot auf dem Bürgersteig unter dem Fenster seines Hotelzimmers aufgefunden wurde, lebt seine Musik weiter.
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