laut.de-Kritik

Die personifizierte Freude am Sprechgesang.

Review von

Bevor Outkast "fresher than a polar bear's toenails" waren, war E-40 "hipper than a hippotanamus". Der Mann aus der Bay Area verfällt manchmal zu einer Fußnote der Rapgeschichte, aber bis heute lässt sich vermutlich ein solider Anteil jedes Hip Hop-Slangs auf ihn und seine Click zurückdatieren. 1995 hatte er bereits fast ein Jahrzehnt im Rapgeschäft auf seinem Rücken, eine der ersten erfolgreichen Indie-Plattenfirmen Sick Wid It Records auf die Beine gestellt und war mit seinem zweiten Album auf Major-Pfade gewechselt. Er hat es "In A Major Way" gemacht. Mit zeitloser Westcoast-Goodness, einem der coolsten Flows der Rapgeschichte und einem jungen 2Pac legte er den Grundstein für eine der längsten und ergiebigsten Rapkarrieren der Genre-Geschichte.

E-40 war damals ein Lokalmatador in einer ehrlicherweise nicht sonderlich relevanten Rapgegend. Neben Too $hort und seiner Dangerous Music hat sich E-40 ein lokales Standing im Norden von Kalifornien erspielt, hat Slang geprägt und seinen Flow etabliert, aber die nationale Bühne fand den Mann immer noch eher ... schräg. Sein hektischer Flow, sein eigenwilliges Vokabular, auch zu einer Zeit, in der Westküsten-Artists zwischen N.W.A und Death Row eigentlich reichlich Aufwind hatten, erforderte es ein bisschen Mut von Seiten von Jive Records, den Mann als nationalen Star zu visualisieren.

Gott sei Dank haben sie es trotz der eher unterwältigenden Performance seines Debütalbums "Federal" nicht darauf angelegt, ihn von seinen lokalen Wurzeln abzugrenzen. Grund dafür dürfte gewesen sein, dass die Click-Single "Captain Save-A-Hoe" ein nationaler Radio-Hit geworden ist und einen Entwurf dafür gegeben hat, wie 40 in einem Mainstream-Framework funktionieren könnte. Die Formel ist: Funk, Hooks, Punchlines.

Und damit kommen wir bei "In A Major Way" an: Dieses Album zeigt einen der coolsten Rapper aller Zeiten am Zenit des menschenmöglichen Swaggers. E-40 ist gleichzeitig so witzig und so weird, so unterhaltsam, dass es einem die Sprache verschlägt.

An der Oberfläche treiben natürlich die kommerziell erfolgreicheren Songs. "1-Luv" mit Bay Area-Nate Dogg Leviti wirkt wie eine Reflektion auf Nas großen "Illmatic"-Slogan, ähnlich melancholisch in der Natur, aber ein bisschen abgebrühter, ein bisschen bereiter, das Absurde anzunehmen.

Und die Texte: Es ist ein Ding mit E-40 und Rap-Phrasen: Entweder, er vermeidet sie komplett – oder er hat sie erfunden. Oft sogar beides. Aber nicht nur, weil die Delivery von diesem Mann so oft einen linken Haken gleicht, kommen die Punchlines oft unerwartet und direkt, oft dreht er eine Line überhaupt in ganz andere Richtungen, als man sie hätte kommen gesehen. "This ain't no happy Shirley Temple tale-listic crap / This here is serious, more realistic than Radio Shack", baut er zum Beispiel eine Assoziationskette im ersten Verse, im zweiten sagt er dann nur, ganz sardonisch: "Uhh, my family thinks that I'm a thug, homie / When you see my momma, man, give her a hug for me".

Ein bisschen leichtfüßiger geht "Sprinkle Me" von der Hand, in dem er zur Begrüßung ins Mikrofon rülpst, um dann die Flusspferd-Line von vorhin brillant zu Ende zu bringen: "I be more hipper than a hippopotamus / Get off in your head like a neurologist / Pushin more weight than Atlas / Got a partner by the name of 2Pacalypse". Es wäre absolut fair, einfach nur geile E-40-Lines runterzuzitieren und es eine Review zu nennen, damit würde man aber den unwiderstehlichen Funk von Songs wie "Sideways" unterschlagen. Mob Music nennt E-40 diesen Sound, noch ein Begriff, der bis in die Gegenwart hallen wird. Aber der segelnde G-Funk-Synth gegen die stampfenden 808-Bässe, leichtfüßiger als im Trap heute, weniger melodisch als Dres Parliament-Obsession, das ist eine großartige Kopfnicker-Zeitkapsel.

Es klingt ein bisschen weniger wertig, ein bisschen mehr DIY, als etwa Snoop Doggs den Westküsten-Sound. Aber es rumpelt eben in der Kiste, was Produzenten wie Sam Bostic oder Mike Mosley gezimmert haben. Das Selbstgemachte ist ein Teil von E-40s musikalischer Identität, und der Major-Deal hat ihm gerade genug Hochglanz ermöglicht, dass sein rougher Charme davon nicht verschluckt wird. Trotzdem kann er Filme schieben wie das absolut klassische "Dusted 'N' Disgusted", auf dem er ohne Not mit einer besseren Performance als ein junger Tupac aus dem Song kommt – und der ist in alles anderem als schlechter Form.

Die 16 Songs geben Raum, ein bisschen Vielseitigkeit in den Deep Cuts zu zeigen; "Smoke 'N' Drank" war in seinem ausgecheckten Hedonismus seiner Zeit irgendwie voraus, hat eine der besten Leviti-Hooks und fühlt sich trotzdem wie eine warme, wundervolle Party an, zu der eigentlich jeder eingeladen wäre. Ein bisschen ernstere Töne schlägt er am Ende des Albums ab, wo er für seinen achtjährigen Sohn, der bald selbst als Rapper unter dem Namen Droop-E Rapper sein wird, die Welt in erschreckend pessimistischen Zügen erklärt. "It's all bad" dröhnt sein unverwechselbarer Bariton durch die Hook, so schroff und gegen den Rhythmus, wie diese Erkenntnis ausgesprochen zu werden verdient.

In einem Interview mit Crooked I hat er mal gesagt, dass er eigentlich auf jedem Album seiner vier Jahrzehnte währenden Karriere versucht hat, nur auf der Höhe der Zeit Game zu kicken, geile Lines zu haben und ein gutes Wort für Gott einzulegen. Und im Grunde zäunt ihn das als Artist recht gut ein: E-40 ist das Paradebeispiel für einen Student of the Game, jemanden, den nichts mehr interessiert als die Kunst, was gerade hip ist und womit man die Leute um sich erreichen kann. Das ist der Grund, warum er eigentlich nie alt geworden ist, warum sich bis heute die jungen Rapper seiner Gegend und auch überregional an den Typ mit der Peak in den frühen Neunzigern wenden.

Eine coolere, sympathischere, unterhaltsamere Person hat das Rapgame kaum gesehen. Und der Mann hat einfach nie aufgehört, Game zu kicken. "In A Major Way" ist das beste von seinen fast vierzig Alben (Gruppenprojekte und Eps nicht inbegriffen), aber auch seine Hyphy-Ära, seine Crunk-Ära, seine Trap-Ära, seine Click-Ära verdienen Aufmerksamkeit. E-40 ist die personifizierte Freude am Sprechgesang. Oder in seinen Worten: "That's what we did up under the bridge, fools posted up / Choppin' game, conversatin', gettin' toast up."

In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Chip In Da Phone
  3. 3. Da Bumble
  4. 4. Sideways (feat. B-Legit & Mac Shon)
  5. 5. Spittin'
  6. 6. Sprinkle Me (feat. Suga-T)
  7. 7. Outta Bounds
  8. 8. Dusted 'N' Disgusted (feat. 2Pac, Mac Mall & Spice 1)
  9. 9. 1-Luv (feat. Leviti)
  10. 10. Smoke 'N' Drank
  11. 11. Dey Ain't No
  12. 12. Fed
  13. 13. H.I. Double L.
  14. 14. Bootsee
  15. 15. It's All Bad
  16. 16. Outro

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1 Kommentar

  • Vor einem Jahr

    Sardonisch, mane⁇ Du haust da Sachen 'raus…
    Aber top Album, Meilenstein berechtigt, obwohl „Charlie Hustle: The Blueprint of a Self-Made Millionaire“ auch gut ist, aber muss schon, nicht nur vom impact her, „In a major Way“ den Stein geben.

    You a loser? (Nope)
    Winner? (Yup)
    Starvin'? (Nope)
    Dinner? (Yup)

    Man muss ihn schon lieben!