laut.de-Biographie
E.S.T.
"Ich spiele Klavier, weil wir kein anderes Instrument zuhause hatten. Schlagzeug wäre mir eigentlich lieber gewesen... Aber dann kam Magnus Öström mit seinen Trommeln und ich blieb beim Klavier. Denn wir sind gemeinsam aufgewachsen und haben von Anfang an zusammen Musik gemacht."
So beschreibt nur eine unbekümmerte Seele die Wahl ihres Instrumentes. Esbjörn Svensson ist so eine unbekümmerte Seele. 1964 im schwedischen Västeras geboren, wuchs er mit den Einflüssen der Klassik (seine Mutter war klassische Pianistin), des Jazz (sein Vater liebte Duke Ellington) und den Radiohits der Popmusik auf.
Die Anfänge mit seinem Weggefährten Magnus Öström schildert er so: "Als Magnus sein erstes Schlagzeug geschenkt bekam, stellte er es bei mir auf und wir spielten los. Wir hatten keine Ahnung, wie das ging, aber es machte Spaß. So konnte sich unsere Musik über lange Zeit auf sehr individuelle Art entwickeln, weil wir keine Lehrer hatten und uns niemand sagte, wie wir etwas zu tun hätten."
Nach den obligatorischen Schulbands folgt ein vierjähriges Studium, in dessen Anschluss Esbjörn sich zunächst als inspirierter und ideenreicher Sideman etabliert. 1990 gründet er sein eigenes Trio, das 1993 mit dem Bassisten Dan Berglund den nötigen Auftrieb erhält, um noch im selben Jahr zu debütieren. Von nun an geht die Karriere steil bergauf.
Ausgedehnte Tourneen auf die angesagten Jazzfestivals und die Zusammenarbeit mit der Nils Landgren Funk Unit führen zuerst in Schweden zum Erfolg. Die Trophäen "Artist Of The Year", "Album Of The Year" und "Composer Of The Year" (im Bereich Pop), sind das Sprungbrett zum internationalen Durchbruch, der sich 1999 mit "From Gagarin's Point Of View" anbahnt. Es ist das erste Album des Esbjörn Svensson Trio, kurz E.S.T., das außerhalb Skandinaviens erscheint. Auftritte beim Montreux Jazz Festival und auf der Jazz Baltica ebnen den Weg zum internationalen Durchbruch.
"Wir brauchen die amerikanischen Jazzstars auf den europäischen Festivals nicht, wir haben das alles schon gehört. Mit dem alten Jazz kommen wir jetzt nicht mehr weiter. Wenn Branford Marsalis sagt, Jan Garbarek mache keinen Jazz, weil er norwegische Folkidiome in seiner Musik verwende, okay - ich frage mich nur, wo die Grenzlinie gezogen werden soll. Oder heißt das nur: Alle, die weitergehen, die die Grenzen des alten Jazz überschreiten, sollten ihre Musik anders nennen? Ist das der Vorschlag, progressive Musik vom Jazz abzutrennen? Ich bin froh, dass wir nicht in diesen Kategorien denken. Wir sind grundsätzlich offen und freuen uns über jedes Rock-Festival, das uns einlädt. Wir schätzen Jazzfestivals, die auch Pop- und Weltmusik-Stars präsentieren.", kommentiert Svensson das erstarkende europäische Jazz-Selbstbewusstsein.
2000 erscheint das Album "Good Morning Susie Soho", mit dem das Trio durch ganz Europa tourt und eine stattliche Fangemeinde um sich schart. In Amerika wird das Major-Label Sony/Columbia auf das E.S.T. aufmerksam und veröffentlicht "Somewhere Else Before" - eine Kompilation aus den beiden letztgenannten Alben.
Nach der Veröffentlichung von "Strange Place for Snow" (2002) kennt die Begeisterung keine Grenzen mehr. Das Esbjörn Svensson Trio wird mit europäischen Musikpreisen überhäuft und absolviert eine neunmonatige Tournee durch Europa, USA und Japan, die ihren Kultstatus zementiert.
Mit "Seven Days Of Falling" veröffentlichen sie 2003 ein weiteres Album, das vor Ideenreichtum, stimmungsvollen Songs und munterer Kreativität sprüht wie eh und je. Der Silberling steigt in die Popcharts ein und kommt neben Europa und USA auch in Japan und Südkorea auf den Markt. In den zwölf Monaten, die der Veröffentlichung folgen, erleben mehr als 100.000 Zuschauer die Band live bei ihren Auftritten. Im selben Jahr tourt das Trio als Vorband von K.D. Lang quer durch die USA und spielt in Stadien und großen Konzerthallen vor weiteren 50.000 Menschen.
Im Januar 2005 erscheint auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs "Viaticum". Ab März 2005 setzt das E.S.T. seine Reise im Diesseits mit ausgiebigen Tourneen fort. Die Band tourt ausgiebig quer durch die Welt und tritt in Konzertsälen und auf Festivals in Europa, Japan, Korea, China, Australien, Brasilien und den USA auf.
"Viaticum" erzählt von der Musik als Proviant, den man mit auf eine geistige Reise nimmt. Das 2006 erscheinende "Tuesday Wonderland" dagegen ist die Reise. "Was wir machen, nämlich Musik, bedeutet vielleicht nicht wirklich vielen Leuten etwas, aber wenn man sich in die Musik hineinfallen lässt, wird man auf eine Reise mitgenommen und kann sein eigenes Wunderland entdecken - eine Reise, die dein ganzes Leben verändern kann" (Dan Berglund).
Dass es 'die große Reise' für Esbjörn Svensson werden könnte, die auch Berglunds und Öströms Leben verändert, und dass 'Viaticum' auch mit 'letztes Abendmahl' übersetzt werden kann, all das war im Grunde unvorstellbar. Und so entpuppen sich die Vorzeichen, zusammen mit dem engelsgleich in weiß gehaltenen Cover von "Leucocyte", als unheilvolle Vorahnung. Da die Aufnahmen für das zehnte Studioalbum bereits im Kasten sind, erscheinen am 29. August 2008, 77 Tage nach Svenssons tragischen Tod, die jüngsten Einspielungen des Trios. Ein weiteres posthumes Album erscheint 2012. Das Material dafür haben die Bandmitglieder schon 2008 beim Jammen im berühmten "301"-Studio in Australien gesammelt und später von Åke Linton abmischen lassen, der auch schon zuvor alle Alben und Live-Shows des Esbjörn Svensson Trios begleitet hatte.
Ab 2013 gehen Magnus Öström und Dan Berglund mit dem Projekt "E.S.T. Symphony" auf Konzertreise, das unter der Leitung des schwedischen Arrangeurs und Dirigenten Hans Ek sinfonische Versionen der E.S.T.-Stücke darbietet. Ein gleichnamiges Livealbum erscheint 2016. Frühere Live-Aufnahmen aus London und Götheburg kommen 2018 und 2019 auf den Markt.
2022 erscheinen mit "Home.s." Solostücke von Esbjörn Svensson, die er Wochen kurz vor seinem Tod in seinem Keller eingespielt hatte und die sich sehr stark an Komponisten wie Bach, Beethoven oder Debussy orientieren. Die Stücke fand seine Witwe Eva etwa fünf Jahre zuvor auf einer privaten Festplatte. Nicht einmal Åke Linton wusste von der Existenz dieser Aufnahmen. Als die beiden die Nummern hörten, verschlug es ihnen zunächst die Sprache. Eva Svensson meint: "Wenn ich diese Musik höre, ist es für mich so, als sei Esbjörns Stimme plötzlich im selben Raum. Es könnte gar niemand anders sein. Es ist seine Stimme."
1 Kommentar mit einer Antwort
Höre gerade auf spotify die cd "301", wurde 2012 veröffentlicht, aufgenommen 2007 in Sydney wie übrigens auch "Leucozyte." Vielleicht solltet Ihr diese noch hinzufügen.
Danke für den Hinweis.