laut.de-Kritik
Gekreuzte Gitarrenhälse, wohin das Ohr auch reicht.
Review von Yan VogelJeanne D'Arc fasziniert die Gemüter weltweit. Politik, Kirche und Kultur schachern um ihr geistiges Erbe und vereinnahmen ihre Geschichte für ihre jeweiligen Zwecke. Dabei entstehen zwangsläufig Disparitäten: Von der heiligen Inquisition 1431 auf dem Scheiterhaufen verbrannt, spricht die Kirche die Jungfrau von Orléans 1920 heilig. Glaube, Mitgefühl, Barmherzigkeit und Feindesliebe gelten als zentrale Beweggründe ihres Handelns, weswegen die Vereinnahmung durch nationale rechte Vereinigungen nicht wirklich einleuchtet.
Dieses Dilemma umgeht Frank Bornemann, Kopf und Gesicht der deutschen Prog-Institution Eloy, indem er die Fakten fokussiert und anhand der Lebenslinie der französischen Widerstandskämpferin eine Rockoper komponiert. "The Vision, The Sword And The Pyre" stellt Lebens- und Alterswerk zugleich dar. Lebenswerk, weil die Geschichte des einfachen Bauernmädchens den Musiker seit 30 Jahren in den Bann zieht. Alterswerk, weil der 74-jährige alle Register zieht, seine Ressourcen bündelt und über zwei Platten verteilt.
Auch wenn die Umsetzung nicht überall auf Gegenliebe stößt, Musik und insbesondere der Text besitzen viel Feingefühl. Den historischen Stoff gießt Bornemann in pointierte Verse. Die Musik rangiert zum Glück fernab eines typischen Musicals. Sie kommt mehr noch als beim Vorgänger erstaunlich basisch und reduziert daher, definitiv mehr Hardrock als Prog Rock.
Der Opener "An Instant Of Relief... Still The War Rages On" beginnt mit einem pastoralen Einstieg nebst prägnanten Gastvocals von Sängerin Isgaard. Dem folgt ein floydiger Übergang zu einer straighten Rocknummer in tief-lila Gewand mit Synthie-Gewölk. Mit "Abandoned" gelingt ihm gar ein kleiner melancholischer Hit, der auch auf Steven Wilsons Artrock-Ausflug "To The Bone" eine gute Figur abgegeben hätte.
Klar erklingen hier Fanfaren, aber das pompöse, brokatschwere Gehabe fällt nicht weiter ins Gewicht. Eine Mittelalter-Melodie hier, ein traditionelles Instrument da, ansonsten gekreuzte Gitarrenhälse, wohin das Ohr reicht. Die feierliche Krönungszeremonie nebst Spoken Word-Beitrag von Bornemann ("Reims... The Coronation Of Charles VII"/"Résumé") rahmen schwergewichtige Tracks wie das mit Jimmy Page-Akkorden eingeleitet Boogie-Stück "Patay" oder das düstere "Armistice Or War?".
Die Storyteller-Vocals des Masterminds klingen streckenweise recht dünn. Von Bob Dylan erwartet jedoch auch niemand Kolloraturen und eine mehrere Oktaven umspannende Stimme. Literarisch erfüllt "The Vision, The Sword And The Pyre Part 2" alle Erwartungen. Die Musik gibt hingegen bei aller patenter Umsetzung nur den Hintergrund ab, auf dem Frank Bornemann seine Story präsentiert.
2 Kommentare mit 10 Antworten
Typischer Alte Männer-Prog: Überkomponiert, überkompensierend, vielbeschäftigt und gleichzeitig unglaublich kraftlos, bar jeder Ambivalenz.
Rezension gibt sich ähnlich leidenschaftslos. Passt also.
Ich empfehle stattdessen das neue Kayo Dot Album, welches von der Rezensentenriege natürlich ignoriert wurde.
---> https://www.youtube.com/watch?v=D-I0qeubmHc
hört sich prog denn JEMALS anders an? für klingt das IMMER EXAKT so
Nee, da gibt's schon richtig gute Sachen (und ich bin nicht Musiker!). Alte King Crimson ("In the Court..." finde ich immer wieder überragend), heute Flying Colors, in den 90ern z.B. "Day for Night" von Spock's Beard, ...
Ich bin kein Experte auf dem Gebiet, aber in das Genre höre ich immer wieder gerne mal rein.
Niall spricht wahr, wenngleich SB mir persönlich zu eunuchig ist.
"hört sich prog denn JEMALS anders an? für klingt das IMMER EXAKT so "
Schau mal hier ---> https://www.youtube.com/watch?v=eqwn0TeHcH…
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.
Ich mag Alte Herren Prog!!
Habe mir gerade das neue Album von Kayo Dot reingezogen,na ja.... !! Wenn das die Zukunft vom Prog Rock ist, dann...schade!!
Die guten Sachen werden halt von der AH Fraktion gespielt!
"Wenn das die Zukunft vom Prog Rock ist, dann...schade!!"
Warum?
wie wäre es mit Antimatter oder Mystery?
Gibt mir nichts, eher noch Antimatter, aber die sind mir zu dröge & gothichaft, da mag ich die moderneren Anathema lieber (da schlafen wenigstens nicht die Füße ein).
Wie wärs mal mit was was Spaß macht, was mit Esprit? Öz Ürügülü?
https://www.youtube.com/watch?v=aI5AlmdpWXc
Dieser Kommentar wurde wegen eines Verstoßes gegen die Hausordnung durch einen laut.de-Moderator entfernt.
Danke für den Tipp, wird angehört.
Mein Favorit ist bislang "Juana de Arco" von Tierra Santa (quasi Iron Maiden auf spanisch ). Ist aber bloß ein einzelner Song.