laut.de-Kritik

Heuschrecken, Blut in den Flüssen, Coldplay.

Review von

Ach wie schön, Embrace machen jetzt konturlosen Wegwerfstadionpop à la Coldplay. Irgendwann wird die Nachwelt Chris Martins Band dafür hassen, was sie an Musik über die Menschheit gebracht hat, die dann bis zum Erbrechen von weniger talentierten Bands kopiert wurde. Heuschrecken, Blut in den Flüssen, Coldplay.

Man hätte es ahnen können. Embrace drehten in der Vergangenheit ihr Fähnlein stets mit dem Wind. Dem damals angesagten Britpop rockigerer Prägung auf den ersten Alben folgten zwei Scheiben, die sich schon zu der Zeit beim Coldplay-Publikum anbiederten - was funktionierte. Das war nicht per se schlecht, denn aus beiden Phasen gibt es gute Embrace-Scheiben mit einigen schönen Songs. Eines davon wurde ironischerweise von Chris Martin komponiert. Dann war der Ofen zunächst aus. Embrace machten Pause, die Jahre zogen ins Land, acht an der Zahl.

Nur um 2014 ein dermaßen kalkuliertes Album vorzulegen, dass es einen schon fast anekelt. Der ganze Morast spät Coldplay'scher Musikverbrechen findet sich auf "Embrace": Keyboardgewaber allerorten, Elektrobeats, Ooh-ooh-ooh-Chöre, alles da. Malen nach Zahlen beziehungsweise Musizieren nach Blaupausen. Nicht mal vor Dubstep machen die fünf Gesellen aus West Yorkshire halt. Acht Jahre Wartezeit für so was?

Nachdem die CD endlich nach Wochen ihren Weg in die karge Wellblechhütte des Rezensenten am Rande der Müllhalde gefunden hat, legen Embrace mit dem Einsteiger "Protection" direkt eine ordentliche Schüppe Unrat obendrauf. "It wasn't perfection I was expecting", schmachtet Danny McNamara. Richtig, denkt man, groß war die Erwartungshaltung nicht. Aber dass sie so unterboten wird, konnte auch keiner ahnen. Schon pluckern Elektrobeats los und sorgen bei Kennern der Embrace-Diskografie für Befremden.

"In The End" lässt einen bereits nach zwei Songs hoffen, am Ende des Albums angelangt zu sein. Musikalische Belanglosigkeit in Reinform präsentieren die Engländer, zwar mit typischem Embrace-Refrain, aber auch schmerzhafter Lustlosigkeit dargeboten. Der Bass-Sound in bester New-Order-Manier macht es nicht besser.

Was ist das für ein Gesangseffekt in "Refugees"? Bei Gott, kann es wirklich Autotune sein? Diese Chöre am Ende. Dann wieder Chöre. Und noch mal Chöre in "I Follow You Home" - schrecklich. Bitte, machen Sie das aus, ich gestehe alles, was Sie wollen!

Die Reise geht weiter - ins Herz der Finsternis, "Quarters". Die McNamara-Brüder, kreative Alleinverantwortliche bei Embrace, könnten diskutiert haben: 'Hömma, Bruder, wie heißt noch mal dieser Trend, den gerade alle so geil finden? Hier, irgendwat mit Step. Äh, Dubstep, genau! Lass uns mal ordentlich davon reintun. Und David Guetta, der hat doch auch so richtig Erfolg, davon auch noch was. Kannst du so eierkneifermäßig singen, das wär doch originell? Super, Song fertig!'.

So plätschern die Lieder mal mehr, mal weniger furchtbar am Hörer vorbei, ohne irgendeinen positiven Eindruck zu hinterlassen. Die Formatsender der Republik müssten die Scheibe eigentlich in Dauerrotation spielen. Als man schon apathisch die Wand anstarrt und darauf hofft, dass bald der süße Tod einkehren möge, erscheinen aus dem Nichts doch noch zwei Lieder, die aufhorchen lassen.

Die geradlinige Uptempo-Nummer "The Devil Looks After His Own" überrascht mit fast vergessenen Songwriting-Qualitäten im Stil der ersten Embrace-Alben und hätte da wunderbar reingepasst. Wenn man sich die Keyboards wegdenkt, natürlich.

"A Thief On My Island" beendet das Album mit einer elegischen Halbballade. Die wabernden Soundteppiche der Tasteninstrumente nerven auch hier, aber der recht abwechslungsreiche Song hat Charakter. Theoretisch können die McNamaras also noch gute Songs schreiben. Warum sie es acht Lieder lang verweigern, wird ihr Geheimnis bleiben.

Trackliste

  1. 1. Protection
  2. 2. In The End
  3. 3. Refugees
  4. 4. I Run
  5. 5. Follow You Home
  6. 6. Quarters
  7. 7. At Once
  8. 8. Self Attack Mechanism
  9. 9. The Devil Looks After His Own
  10. 10. A Thief On My Island

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