laut.de-Kritik
Chaos im Kopf, Rhythmus im Blut.
Review von Kim LangeValle de Bravo ist ein mexikanisches Städtchen und ein 'pueblo mágico' – ein magischer Ort. Das sagt sogar Wikipedia von der beliebten Touristendestination am Lake Avándaro. Vielleicht der perfekte Platz, um sich dem Songwriting zu widmen, dachte sich Lorely Rodriguez vor etwa einem Jahr, und flüchtete für einige Wochen aus dem Brooklyner Großstadtdschungel in ein verlassenes Holzhaus am Wasser. Dabei kam das Debütalbum von Empress Of heraus, die mit "Me" tiefen Einblick in ihr Seelenleben gewährt.
"Es geht hier weitgehend um meine Erfahrungen. Ich habe mit dieser Platte gelernt, meiner Stimme freien Lauf zu lassen", heißt es auf der Seite von Lorelys Label, XL Recordings. "Ich war schon ziemlich egoistisch, habe mir Zeit für mich selbst genommen, um zu verstehen, welche Ereignisse in meinem Leben mich als Person geformt haben."
"Me" zeichnen pointierte Beschreibungen unerwiderter Gefühle aus, die sich irgendwo im Strudel von Synthie-Dream-Pop-Klängen verlieren. Gleich zu Beginn gesteht Empress Of: "All I do is because of you"", während sie mit ihrer glockenklaren Stimme bei "Everything Is You" einmal die Tonleiter im oberen Bereich hoch und runter klettert. Das macht sie häufig, es ist so etwas wie ihr Markenzeichen.
Dass sie den Herzensbrecher voller Hingabe bewundert, tritt in "How Do You Do It" zutage: Die verspielte flötenartige Instrumentierung legt sich in ein 90er-Jahre-Discobeat-Bett, dem sich keiner entziehen kann. Auch "To Get By" zerrt auf die Tanzfläche, während "Kitty Kat" eher eine Art Befreiungsschlag darstellt: Lorely kämpft mit ihrer wundervollen Stimme gegen eine Wand aus Synthies an und kann schließlich nur noch betteln: "Let me walk away."
Ganz schön viele Ha-Has, Vocal Loops und reichlich Gehauche findet man auf "Me". Das kann auf die Dauer ein wenig eintönig wirken, aber auch irgendwie berauschend. Zum Beispiel bei der Single "Water Water", die Empress Of schon im April dieses Jahres veröffentlichte. Hier geht es um unser Lebenselixier, das Wasser, das viel zu wenig Wertschätzung erfährt. Unterstützt von einem treibenden House-Beat, der sich immer wieder einmischt, besingt Lorely die Wichtigkeit dieses Elements.
"Make Up" weckt Erinnerungen an Röyksopps "What Else Is There", nur klingt Lorelys Stimme klarer, jünger und etwas verträumter. Dass sie mit der Platte ihre Vergangenheit bewältigt, zeigen nicht nur die Lyrics. Auch der leichte Retro-Touch, der an den Songs haftet, lässt sich nicht abstreiten. Manchmal verliert sie sich in abstrakten Sound-Konstrukten, wie beispielsweise bei "Threat" oder "Kitty Kat". Es überwiegen aber Stücke, auf denen sie zwischen all den Synthies und Drum Machines noch grandiose Pop-Melodien einbaut. Die machen wahrhaftig den Großteil des Albums aus.
Die erste eigene Platte selbst aufgenommen und produziert in der Einöde Mexikos: Wer kann das schon von sich behaupten? Lorely Rodriguez hat definitiv das Potenzial für den ganz großen Erfolg. Sie braucht nur etwas mehr Klarheit im Sound ihrer Songs. Natürlich macht auch das Unaufgeräumte hier und da Spaß. Keine klare Linie zu verfolgen, hält sie davon ab, langweilig zu werden. Dennoch wünscht man sich oft, die Stücke wären weniger experimentell. Vielleicht gehörte das aber auch einfach zu ihrer Sinnsuche.
"If I wasn't awake, I'd be dreaming / I took too many pills to be sleeping / And the memory of you keeps on creeping / Up my slippery spine all this evening." Die Anfangszeilen von "Icon", dem letzten Song auf "Me", fassen das Album perfekt zusammen: eine Abrechnung mit der Vergangenheit, mit unerfüllter Liebe, ausgeführt in Form (musikalischer) Rauschzustände.
Die letztliche Erkenntnis: "I think I'm the one I need", wie Loreley im Song "Need Myself" singt. Der Melodie nach zu urteilen hat sie beim Schreiben dieses Songs ein wenig zu lange am Wasserfall gesessen. Dennoch eine großartige Einsicht für solch ein vielversprechendes Debüt.
Noch keine Kommentare